Eyal Shani: "Auch Paradeiser sind aus Fleisch"

(C) Facebook/ Eyal Shani
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Der israelische Stargastronom Eyal Shani hat das ehemalige Dombeisl zu einer Dependance seiner Pita-Kette Miznon gemacht. Und grillt Palatschinken-Lookalikes aus Huhn.

Wer Eyal Shani treffen will, muss ein bisschen Zeit mitbringen. Einerseits, weil er einfach nicht so pünktlich sein kann, wie man das in Wien, dieser wohlgeordneten Stadt, vielleicht erwartet, wo er doch gerade die Eröffnung seines neuen Lokals feiern musste, samt Getanze auf dem großen Gemeinschaftstisch, man müsse die Verspätung verstehen. Andererseits braucht man Zeit, weil Shani gern ausholt.

Mit Worten, wie möglicherweise zu erwarten war, aber auch mit Händen. Die theatralische Gestik des israelischen Kochstars – Star ist ausnahmsweise nicht übertrieben – ist legendär. Ebenso legendär wie seine Ausführungen über den Paradeiser. Fragt man in Wien lebende Israelis nach Eyal Shani, nicken alle wissend mit dem Kopf, um ebendiesen gleich darauf zu schütteln. Ein bisschen verrückt sei er schon, allein dieses Gerede über den Paradeiser, aber sehr erfolgreich!

Karfiol als Signature Dish

Das Wiener Miznon, das Shani nun anstelle des Dombeisls eröffnet hat, ist nach drei Dependancen dieser Pita-Kette in Tel Aviv und einer in Paris sein fünftes. Daneben hat der israelische Gastronom und „Masterchef“-Juror noch weitere Lokale, insgesamt sind es nun neun. Die Miznon-Einrichtung ist ebenso wie die Küchenlinie in allen Filialen sehr ähnlich: Industrial-Chic-Lampen, Kreidetafeln und vor allem massenhaft Gemüse als Dekoration: gestapelte Karfiolköpfe über den Köpfen der Gäste an der Bar, Lauchstangen wie Soldaten in einem Regal aufgereiht und, natürlich, üppige Paradeiser in der Auslage. Während nämlich der Karfiol in der außen knusprigen, im Papier servierten und selbst in Röschen zu zerpflückenden Form das Signature Dish ist – und das, obwohl es im Miznon eigentlich um gefüllte Pitabrote geht –, erklärt Eyal Shani seine kulinarische Sicht der Dinge stets anhand eines Paradeisers. Er muss das schon hunderte Male gemacht haben, es gibt kaum ein Interview, in dem nicht davon die Rede ist. „Ich muss dauernd Journalisten treffen, dauernd! Und Fotografen! Ich will schon nicht mehr posieren, fotografiert mich doch einfach während der Arbeit, geht das?“ Und trotz dieser Routine fällt Shanis Paradeiserwelterklärung so hingebungsvoll und sehnsüchtig nach Verständnis aus wie wohl beim allerersten Mal.

Der Mann mit der charakteristischen Sturmfrisur setzt sich auf einen der Stahlrohrsessel, die an alte Klassenzimmer erinnern, nimmt sein japanisches Messer und beginnt selbstvergessen einen Fleischparadeiser zu schälen. Er schneidet das Fruchtfleisch mit Bedacht vom triefenden Inneren, streut einzelne Salzkörner auf ganz bestimmte Stellen und erklärt danach ungefähr eine Stunde lang, warum das Fleisch des Paradeisers wie das des Menschen sei und dass das Salz darauf gleichsam einen binären Code bilde und darum die Schöpfung und deshalb und so sei das und – ob man denn hoffentlich verstehe, was er meine? Hm, vielleicht, aber was wird im Miznon denn nun eigentlich serviert? Er lacht laut, springt auf, lässt den bearbeiteten Paradeiser, dieses Weltgeschehen in Faustgröße, liegen und geht wild gestikulierend zur offenen Küche vor.

Dort erzählt er, dass die Paradeiser „natürlich“ aus Spanien kommen und das Pitabrot aus Israel importiert werde. Dann führt er unter reger dramaturgischer Beteiligung seiner Arme und Hände vor, wozu er auf seinen Erkundungstouren durch Wien inspiriert wurde, analog zur Pariser Pita mit Boeuf Bourguignon: zu einer dünnen, gegrillten Matte aus pürierter Hühnermasse, die mit Koriandersauce bestrichen und in ein Pitabrot versenkt wird. Sieht tatsächlich aus wie eine Palatschinke, Herr Shani. „Warum Palatschinke? Das ist doch vom Wiener Schnitzel inspiriert!“

ZUR PERSON

Eyal Shani ist ein israelischer Gastronom und einer der Juroren in der TV-Show „Masterchef“. Soeben hat er in Wien die fünfte Dependance seiner Pitabrot-Kette Miznon eröffnet, im ehemaligen Dombeisl in der Schulerstraße 4 im ersten Bezirk. Insgesamt führt Eyal Shani neun Lokale. Für Wien hat er zwei eigene Pitas kreiert, mehr können folgen. Als Signature Dish gilt allerdings sein gerösteter Karfiol, im Ganzen im Papier serviert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2015)

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