47° Sommerfest: Steirische Gegensätze

Harald Irka. Der einstige Shootingstar hält mittlerweile drei Hauben.
Harald Irka. Der einstige Shootingstar hält mittlerweile drei Hauben.(c) Beigestellt
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Die Köchevereinigung 47° feiert mit einem großen Sommerfest ihren ersten Geburtstag. Über Zebuhöcker, Karpfenrogen und Konkurrenz.

„Wir haben zwischen uns viele Barrieren abgebaut. Der Neid ist weniger. Es ist nicht mehr so wichtig, ob der andere mehr Hauben oder mehr Gäste hat oder das Personal bekommt, das er unbedingt will.“ Für Tom Riederer scheint dieses Schwinden des Konkurrenz­gedankens zwischen den Köchen eine der wichtigsten Folgen der Initiative 47° Rare Styrian Cuisine zu sein. „Wir unterstützen uns gegenseitig. Das Rad funktioniert. Und wir unterstützen unsere Lieferanten.“

Gerhard Fuchs steht in der Weinbank in Ehrenhausen am Herd.
Gerhard Fuchs steht in der Weinbank in Ehrenhausen am Herd. (c) Beigestellt

Der Zusammenschluss sechs steirischer Köche – anfangs waren es acht – wurde vor knapp einem Jahr begründet. Der Anstoß kam von Gerhard Fuchs, der seit 2014 gemeinsam mit Sommelier Christian Zach hinter der Weinbank in Ehrenhausen steckt und dort mit Kapaunkämmen, Kamille und Rohmilch auf Drei-Hauben-Niveau hantiert. Fuchs hatte die Köche zum ersten Mal versammelt. Mittlerweile brachte die Vereinigung 47° die erste Ausgabe des eigenen Magazins heraus, das unter anderem die Frage stellt, warum Heimat keinen Plural hat. Demnächst wird mit einem großen Sommerfest auf Schloss Ottersbach der erste Geburtstag gefeiert. Zur Gruppe gehören neben Tom Riederer und Gerhard Fuchs auch Manuel Liepert, Harald Irka, Luis Thaller und Norbert Thaller, nicht alle sind Steirer. Der Name 47° leitet sich vom entsprechenden Breitengrad her, alle Betriebe liegen südlich davon. Das Ziel der Vereinigung: Ausarbeitung und Verbreitung einer steirischen Küchenidentität. Also einer Terroirküche, die sich einerseits den Ideen in den Köpfen der Köche verdankt und andererseits jenen regionalen Lieferanten, die Besonderes produzieren – über die steirischen Klischees Kernöl und Käferbohnen hinaus. Wichtig ist ein individualistischer Zugang, keine steirische Einheitsküche. „Terroir“, so heißt auch das Kochbuch von Harald Irka, dem ehemaligen Shootingstar in Straden und Jüngsten im Bunde.

Lange Zusammenarbeit. Auf dem 47°-Programm stehen unter anderem gemeinsame Menüs mit dem Titel „Rare and Real“. Demnächst kochen Norbert Thaller und Tom Riederer im Restaurant Thaller in St. Veit am Vogau. Mit jungem Gemüse aus dem Thaller’schen Garten, wo sommers die Gäste direkt neben den Paradeiserstauden sitzen, die von drei Generationen der Familie Thaller gehegt werden. Außerdem im Menü: Fische aus Thallers eigenem Teich, Weidelamm von der Familie Dobaj und Sulmtaler Hühner von der Familie Strohmeier. Mit Letzterer arbeitet Tom Riederer schon lange zusammen. Von ihr bezieht er auch fabelhafte, aber blassschalige Eier, die es im normalen Handel schwer haben, jedoch unter den Köchen umso gefragter sind.

Luis Thallers Lokal Der Luis ist das nördlichste der Gruppe: in Anger.
Luis Thallers Lokal Der Luis ist das nördlichste der Gruppe: in Anger. (c) Beigestellt

„Es ist ja ein Wahnsinn, was wir in der Nähe alles haben, wenn man weiß, wohin man schauen muss“, sagt Riederer, der seinen Gästen am liebsten sämtliche Lieferanten persönlich vorstellen würde. Der großgewachsene Autodidakt hält neben seinem aufwendig umgebauten barocken Pfarrhaus in St. Andrä im Sausal Heidschnucken, die gerade erst Nachwuchs bekommen haben. In Hochbeeten pflanzt Gastgeberin Katarina Riederer Kräuter, Gemüse und Salate. Den Rest der Zutaten bezieht man fast ausschließlich von nahen Kleinstproduzenten; Riederer kocht jeweils für höchstens 26 Gäste, was diese Art der Versorgung einfacher macht. Auf der nicht vorhandenen Speisekarte – man muss sich dem Chef ausliefern – steht etwa geräucherter Karpfenrogen „von der Familie Hofbauer“, auf einer kleinen Erdäpfelhälfte mit einer einzelnen Vergissmeinnichtblüte wie als Ohrschmuck drapiert. Hausgemachter Feta wird mit geschmortem Paprika serviert, Wels aus einem nahen Schotterteich mit Senfkohl kombiniert. Und die Heidschnucken, die auf dem eigenen Grund Brennnesseln mähen, liefern die Zutaten für Beuschel oder Geschmortes, etwa mit Sellerie und Berberitzen. Die intuitiven Menüs werden zu einem großen Teil von regionalen Weinen wie jenen von Schauer, Hirschmugl oder Bleyweis (Cabernet Jura auf Südsteirisch) ergänzt.

„Mit Haut und Haar“. Eine andere kulinarische Interpretation der Steiermark liefert indes Manuel Liepert, gebürtiger Schwabe, aber der Steiermark „mit Haut und Haar“ verfallen. Er stand gemeinsam mit Tom Riederer am Herd, als dieser noch in Leutschach kochte. Als Riederer in seinen Pfarrhof wechselte, übernahm sein Sous-Chef Liepert die Adresse im Zentrum des südsteirischen Orts. Im Lieperts Kulinarium, mit zwei Hauben ausgezeichnet, spielt er sich nicht nur mit Zutaten wie Schafgarbe, Knochenmark oder Zeburind – sofern verfügbar –, sondern auch mit Holz: Es dient, in gedrechselter Form, ungewöhnlich oft als Material für Geschirr oder, als ausgehöhlter Baumstamm, als Trinkgefäß. Lieperts Lebensgefährtin Lisa Kürbisch kümmert sich um die vornehmlich südsteirischen Weine, etwa von Andreas Tscheppe. Den eigenen Gemüseanbau hat man wieder aufgegeben, „das hat einfach zu viel Zeit geschluckt, und wir haben hier in der Umgebung so viele, die das besser machen“.

Hans Muster ist mit seinen Zebus einer der Produzenten der Region.
Hans Muster ist mit seinen Zebus einer der Produzenten der Region. (c) Beigestellt

Ein Ziel der Vereinigung 47° liegt für Liepert auch darin, gemeinsam ganze Tiere zu kaufen und unter den Betrieben aufzuteilen. Er denkt dabei vor allem an das begehrte Zwergzebufleisch vom Remschnig­ger Hof von Hans und Christa Muster. Die kleinen Rinder mit dem charakteristischen Höcker leben genau an der steirisch-slowenischen Grenze. Ein bunt­felliger Haufen, der unter Obstbäumen auf hügeligen Weiden grast. Milchwirtschaft betreibt man keine, es geht um Lebendtiere (demnächst holt etwa Tom Riederer Jungtiere zu sich), Fleisch und Schinken sowie Landschaftspflege; die Tiere halten die Wiesen in Schuss. Besonders begehrt bei Köchen, privaten wie Profis, ist der Höcker der Zwergzebus, der ein völlig anderes Fleisch bietet als der Rest, fein marmoriert und geschmacksintensiv. Zwergzebus sind kommunikativ: Ruft ein Rind, weil es Hans Muster erblickt hat, antworten die anderen und drängen herbei. Normen gibt es bei diesem Wildrind keine, sagt Muster, „sie sind unterschiedlich groß, haben unterschiedlichen Hornwuchs“. Eine Schar aus lauter Individualisten. Wie es auch die 47°-Köche sind.

Tipp

47° Sommerfest am 25. Juni ab 14 Uhr, Schloss Ottersbach, 8452 Mantrach 20.
Tickets um 47 Euro exklusive Getränke unter hello@rarestyriancuisine.at
47° Rare Styrian Cuisine: www.rarestyriancuisine.at

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