Lässigkeit als Programm

Die französische Modemarke Zadig & Voltaire gilt als Inkarnation des zeitgemäßen „Look parisien“. Auch ihre erste globale Parfumlancierung soll das unterstreichen.

So gut man sich auch verstehen mag auf das Erraten konsumistisch wertvoller Fingerzeige: Nicht jeder Markenname lässt einwandfreie Rückschlüsse auf die Art der erzeugten Produkte zu. Man denke nur an Zadig & Voltaire: Da könnte ein einigermaßen gebildeter Mensch schon einmal auf die Idee kommen, es handle sich um einen Nischenverlag. Oder auch, warum nicht, eine Buchhandlung, in der von Nischenverlagen herausgegebene Bücher verkauft werden, angesiedelt irgendwo am linken Seineufer unweit der Hauptschlagader des Boulevard Saint Michel zum Beispiel.

Abgesehen von der Pariser Verortung mit Rive-Gauche-Allüren läge man da aber ziemlich falsch. Es handelt sich nämlich, Fashion-Freaks und Lifestyle-Reisende werden das gewusst haben, bei Zadig & Voltaire um eine jener im gehobenen Mittelsegment positionierten „Easy Luxury“-Marken, die in den vergangenen Jahren von Frankreich ausgehend weltweit zu Erfolg gelangten. Ins Leben gerufen wurde Zadig, wie man zu Platzsparzwecken die Marke abkürzen möchte, ohne dabei dem Titelhelden in Voltaires „Zadig ou la destinée“ Unrecht zu tun, vor gerade einmal zwanzig Jahren von Thierry Gillier, der dabei an sein Lieblingsbuch und dessen Autor dachte. Der Enkel von einem der Lacoste-Gründer, André Gillier, hatte aber nicht nur eine literarisch-philosophische Ader, sondern auch etwas von der Textilindustrie-DNA seines Großvaters mitbekommen und startete bald mit seiner Vision einer zeitgemäßen Fashion-Brand durch. Kunstaffin, mit einer speziellen Sensibilität für intellektuelle Themen ausgestattet (le nom oblige . . .) sollte sie sein, und dabei die Essenz eines Pariser Chic destillieren.

Le chic parisien

Wie kaum ein anderes, und sei es idealisiert-abstraktes Phänomen, wirkt das Klischee der stilbewussten und trendsicheren Pariserin in der Modewelt Wunder. Nicht als das Bild einer gesetzten Dame aus dem 16. Arrondissement im Bouclé-Zweiteiler freilich, sondern eher als Abbild jener (ewig) jungen Frauen mit nonchalanter Allure, die rauchend oder neuerdings auch „vapend“ vor Bürogebäuden stehen oder mit unter den Arm geklemmten Motorradhelmen bei Besprechungen, Cocktails, Fashion-Week-Events auftauchen. „Nonchalance ist die Hauptingredienz von ,le look parisien‘, der vielen vorschwebt“, bekräftigt Zadig-Chefdesignerin Cecilia Bön­ström. Sie kümmert sich heute an der Seite von Markengründer Gillier um die Ästhetik der Mode – nicht umsonst trägt sie auf einem der offiziellen Pressebilder ein T-Shirt mit der Aufschrift „Rock & Roll“. „Die Unbekümmertheit und Ungezwungenheit, für die Pariserinnen stehen, kommen aber nicht von ungefähr, sondern wollen erarbeitet werden. Diese Frauen wissen, was es braucht, um ,nonchalantes‘ zu sein: In Paris kann man zum Beispiel nicht einfach nur ein weißes T-Shirt anziehen, und das ist es dann. Nein, es braucht immer eine persönliche Note, einen speziellen Touch, eine klitzekleine Veränderung.“

Bönström, gebürtige Schwedin und ehemaliges Mannequin, bewarb sich bei Zadig & Voltaire, als sie zwar in der Modebranche bleiben wollte, aber eine neue Aufgabe suchte. „Zadig war die einzige Marke, die mich damals interessierte.“ Mit ihrem nordisch-zurückhaltenden Verständnis von Mode und Formgebung brachte Bön­ström genau das richtige Quäntchen an Nicht-Parisertum ein, um der Marke, die sich ohnehin schon großer Beliebtheit erfreute, nochmals zu neuem Aufschwung zu verhelfen. „Die rockige Identität von Zadig & Voltaire steht dafür, dass wir uns nichts vorschreiben lassen und alles tun, was uns in den Sinn kommt. Zum Glück ist Thierry Gillier verrückt genug gewesen, um mir bei meinen Ideen für die Marke freie Hand zu lassen“, so Bönström.

Neue Reichweite

Diesen Herbst bringt die Marke in Kooperation mit der auf Designerdüfte spezialisierten Shiseido-Tochter Beauté Prestige International (BPI) ihren ersten weltweit vertriebenen Duft heraus, – „ein Meilenstein“ für die in einigen Märkten bereits gut etablierte Brand: „Wir hatten das Glück, in den Meetings mit dem Team von BPI von Anfang an auf Verständnis zu stoßen“, erinnert sich Bönström. Sowohl die leicht disruptiven Duftkompositionen (Vanille und Sandelholz in „This is Her!“, eine zusätzliche Note Weihrauch in „This is Him!“) als auch die Flakons im Industrial-Look und eine Kooperation mit dem Indie-Rocker The Avener im Zuge der Lancierung sollen den Esprit der Marke einfangen und auch in Ländern bekannt machen, in denen die Mode nicht so bekannt ist wie etwa in Frankreich.

„Unsere Lancierungsstrategie beruht auf drei Pfeilern und hängt vom Bekanntheitsgrad der Marke in den einzelnen Märkten ab“, gibt Nathalie Helloin-Kamel, Chief Brands Officer für BPI und hauptverantwortlich für die Entwicklung neuer Lizenzen, Einblick in die kommerzielle Seite. In Frankreich etwa, wo Zadig & Voltaire an 140 Verkaufspunkten vertrieben wird, werde man eine Full-Speed-Lancierung betreiben. „Dann gibt es andere europäische Länder, in denen man die Fashion-Brand zwar kennt, aber nicht sehr gut. Da werden wir ein bisschen mehr an Aufbauarbeit leisten müssen“, sagt Helloin-Kamel. In anderen Ländern, etwa in fernöstlichen, werde man die zwei neuen Düfte gleichsam als Nischenparfums herausbringen. Vom Potenzial der Neulancierung ist Helloin-Kamel aber überzeugt, denn erstens kann sie sich für das Easy-Luxury-Segment begeistern. Und dann noch für etwas Zweites: „Bei Zadig & Voltaire denkt man Paris, Rock, Kunst. Und Paris funktioniert immer und überall. Auch in Frankreich gilt ,la fille Zadig‘ als Inkarnation der hippen Pariserin. Das birgt gewaltiges Potenzial.“

Der Autor reiste auf Einladung von Beauté Prestige International nach Paris.

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