Marco Zanini: Zurück aufs Podest

Marco Zanini
Marco Zanini(c) beigestellt
  • Drucken

Designer Marco Zanini erfindet gerade das alte Modehaus Rochas neu. Warum das Archiv dabei zur Falle werden kann, erzählt er im Interview.

Die Modewelt hat eines ihrer traditionsreichsten Häuser wieder. Einige mögen den Namen Rochas in erster Linie mit edlen Düften assoziieren, dabei wurde das Haus 1925 von Marcel Rochas doch als Modemaison im Zeichen von „Couture, Fourrure, Parfum & Frivolité“ gegründet. Einst ein Hort progressiver Moderne, startete die Marke nach einigen Turbulenzen unlängst neu durch. Die kreativen Geschicke leitet seit einem Jahr der italienische Designer Marco Zanini, der zuvor die Damenlinie bei Versace und den Hals­ton-Relaunch in New York verantwortete. Nach zwei Saisonen in Paris treffen wir ihn für eine Bestandsaufnahme.

Nach Ihrer ersten Kollektion, dominiert vom „chic parisien“, entführen Sie uns im Frühling 2010 nach Indochina. Weshalb dieser Schwenk in die weite Welt?

Bei der Arbeit für Rochas war mir ab der ersten ­Minute klar, dass ich es hier mit der Quintessenz einer französischen Maison zu tun habe, deren bloßer Name die große Modewelt heraufbeschwört. Dass meine Kollektionen mit einem starken französischen Akzent sprechen müssen, stand also fest. Für meine erste Saison ließ ich mich von den Filmen der Nouvelle Vague inspirieren, dem Paris der späten 50er-Jahre, Godards Muse Anna Karina. Mit der zweiten Kollektion konnte ich also nicht dasselbe machen, weil man schnell in Klischees verfällt – so à la malerische Postkarten­ansicht mit Eiffelturm. Zufällig las ich im Frühling Maguerite Duras’ „Liebhaber“ und wurde ­darauf aufmerksam, wie französisch auch diese ent­legene Welt sein kann: Indochina, der Orient, die ehemaligen Kolonien.

Sie haben die kreative Leitung bei Rochas letzten Herbst und damit zu einem nicht gerade günstigen Zeitpunkt übernommen. Ihrem Vorgänger Olivier Theyskens warf man vor, unerschwingliche Demi-Couture-Kollektionen zu entwerfen. Wie wollen Sie Rochas auf dem Markt positionieren?

Extravaganz soll nicht im Geringsten Teil unseres neuen Vokabulars sein. Die Kollektionen sollen schlicht sein, wobei für mich Schlichtheit eine Grundvoraussetzung für moderne Eleganz ist. Das betrifft auch die Preise, weil ich es lächerlich finde, dass ein Paar Jeans 1200 Euro kostet. Meine Kollektionen sollen auf keinen Fall Demi-Couture sein und auch nicht übermäßig trendy, sondern ihren fixen Platz in einer Garderobe finden. Am liebsten möchte ich aus Rochas eine Insel der Ruhe ­abseits unserer chaotischen Welt machen.

Immerhin haben Sie mehr oder weniger Carte blanche für das Neuerfinden der Rochas-Ästhetik. Ist das nicht eine große Herausforderung?

Natürlich. Ich bin froh über diese Möglichkeit, meine eigenen Vorstellungen ausdrücken zu können. Allerdings übernehme ich eine enorme Verantwortung, weil es nicht darum geht, mein eigenes Ding durchzuziehen und die Kollektion zum Zweck der Selbstverwirklichung anzulegen. Vielmehr soll Rochas zurück auf das Modepodest gestellt werden, wo es schließlich hingehört.

Mir scheint die Aufgabe, sich die Gene eines solchen Hauses anzueignen, eine spezielle zu sein. Gibt es ein firmeneigenes Archiv, mit dem Sie arbeiten können?

Ein Archiv in dem Sinne gibt es nicht, aber viele von Marcel Rochas entworfene Teile finden sich in den Sammlungen diverser Museen. Allerdings ist das mit dem ­Archiv so eine Sache: Einerseits stellt es den Schatz ­eines Modehauses dar und ist natürlich wichtiger Bestandteil seines Reichtums. Andererseits kann es auch schnell zu einer Falle für den Designer werden. Ich hatte ja das Glück, lange für Versace zu arbeiten, wo es ein geradezu unglaubliches Archiv gibt, das wirklich seinesgleichen sucht. Fantastisch natürlich, und doch hatten wir immer ein wenig Angst davor. Ich glaube, dass man ­respektvoll mit dem Spirit eines Hauses umgehen muss, ohne sich aber in ­einer allzu offensichtlichen ­Bezugnahme zu verheddern. Bei aller Inspiration kann das Archiv auch zur Gefahr für die Kreativität eines ­Designers werden.

Marcel Rochas gründete sein Unternehmen getragen von der Energie der Moderne und zeigte sich von den Errungenschaften seiner Zeit beeindruckt. Heute steht der Name des Hauses nicht mehr zwangsweise für eine so progressive Modernität.

Das stimmt, aber jede Epoche hat auch ihre eigene Vorstellung von Modernität. Für mich besteht das Modernsein in der Schlichtheit und guten Qualität. Wir leben in einer Zeit, in der man für dreißig Euro eine hübsche ­Bluse kaufen kann. Rochas muss etwas anderes darstellen – und für mich besteht unsere Modernität sogar in einer gewissen Nostalgie. Der neue Codex des Hauses will, dass wir stiller, weniger auffällig sind.

Das Rezept scheint aufzugehen: Ihre letzte Kollektion wurde von der Presse durchwegs positiv ­aufgenommen.

Darüber bin ich natürlich sehr froh – nämlich auch deshalb, weil wiederholt von einer tragbaren Kollek­tion ­gesprochen wurde. Während man bei anderen Häusern Kollektionen sieht, die sicherlich in Zeitschriften­editorials ihre Wirkung wunderbar entfalten, ist es mir ja ­da­rum gegangen, im echten Leben und nicht so sehr in den ­Modestrecken einen Platz für Rochas zu finden.

Sie haben lange für Versace in Mailand gearbeitet, danach eine Saison für Halston in New York – nun sind Sie in Paris angekommen, wo Sie das dritte Modesystem von innen erleben. Laufen die Dinge überall anders?

Ja, die Systeme unterscheiden sich sehr. Allerdings muss ich sagen, dass das ­Gefühl, für ein Haus in Paris zu entwerfen, etwas Besonderes ist. Selbst wenn es ein bisschen klischeehaft klingen mag – wenn man in Paris ist, dann fühlt man das Herz stärker in der Brust schlagen als anderswo. Die Stadt hat ­eine ­eigene Energie. Und für ein Haus wie Rochas zu arbeiten, macht es noch einmal besonders: die Essenz der französischen Erfahrung.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.