Nathalie Rykiel: Feminine Finesse

Mit Durchsetzungsvermögen und Esprit führt Nathalie Rykiel
das ­Unternehmen ihrer Mutter Sonia zum Erfolg.

Nathalie Rykiel steht an der Spitze des Hauses, das vor 40 Jahren von ihrer Mutter Sonia gegründet wurde. Was mit ein paar Strickpullovern und der Aura schöngeistigen Pariser Intellektuellen­tums in Saint-Germain-des-Prés seinen Ausgang nahm, avancierte zu einem der größten unabhängigen Luxushäuser Frankreichs. Im Büro der Kreativ­direktorin und Unternehmenspräsidentin laufen alle Fäden zusammen – das „Schaufenster“ traf auf ein nimmermüdes Energiebündel, um über Frauen, Männer, Töchter und die entschleunigende Wirkung der Literatur zu sprechen.

Das Maison Rykiel wurde vor 40 Jahren gegründet, und zwar von Ihrer Mutter. Macht diese familiäre Verbundenheit mit dem Haus Ihre Arbeit einfacher?


Wenn Sie so wollen, habe ich Rykiel im Blut. Am Anfang hatte ich es natürlich schwer, wie alle Kinder von Unternehmensgründern, weil ich mich über eine negative Erwartungshaltung hinwegsetzen musste. Aus heutiger Perspektive ist es aber ein immenser Pluspunkt, dass ich die Marke von Kindesbeinen an kenne. Ich weiß intuitiv, was für das Haus richtig ist. Meine Arbeit besteht darin, Ideen zu haben, die uns weiterbringen. Dabei ist es keineswegs das Schwierigste auf der Welt, Ideen zu haben – jeder hat Ideen. Die meinen müssen allerdings im Universum der Marke, die ich zeitlebens kenne, legitim sein und den Geschmack der Frau von heute treffen.

Das zentrale Bild einer „femme Rykiel“ gab es von ­Anfang an: Zunächst war es eng mit Ihrer Mutter ­verknüpft. Inkarnieren heute Sie diese Frau?

Natürlich. Da ich selbst eine Frau bin und im Heute lebe, liebe, Kinder habe, arbeite, reise, mir gern schöne Dinge kaufe, frage ich mich stets: Worauf hätte ich Lust, was würde ich anziehen oder mir in die Wohnung stellen. Dementsprechend hoch lege ich die Latte im Designprozess. Darüber hinaus arbeite ich mit vielen Frauen zusammen, bin von Frauen umgeben – meinen Töchtern, meinen Freundinnen; ich weiß, was ihnen gefällt und was sie mögen – das ist von unschätzba­rem Vorteil.

Ungeachtet der Zielgruppe ist das Modebusiness aber in den Chefetagen – unternehmerisch wie kreativ – von Männern dominiert. Wo sind da die Frauen?

Ich weiß es nicht – das ist die große Frage, nicht wahr? Und die Mode hat sich stark verändert, das macht es noch schwieriger: Große Unternehmensgruppen haben die meisten Modehäuser übernommen, und an der Spitze dieser Firmen stehen nun einmal zumeist Männer.

Wie schaut es bei Rykiel mit den Männern aus? Schwer vorzustellen, dass hier einmal einer ans Ruder käme.

Aber ich bitte Sie – es gibt viele Männer bei Rykiel, trotz dieses Rufs, der uns umgibt, dass es nur um Frauen geht und wir keine Männer zulassen oder gar mögen. Ganz im Gegenteil. Viele Männer arbeiten für mich, auf allen möglichen Ebenen. Übrigens mögen wir Männer schon deshalb, weil sie uns gefallen. Aber es stimmt schon, Rykiel ist eine sehr weibliche Marke.

Würden Sie sich wünschen, dass eine Ihrer Töchter Ihnen nachfolgt?


Das wäre wunderbar, aber ich möchte auf keinen Fall Druck auf sie ausüben. Wenn sie wollen und können, umso besser. Eine meiner Töchter hat tatsächlich vor ungefähr einem halben Jahr für Rykiel zu arbeiten begonnen. Sie heißt Lola und ist jetzt 24 Jahre alt. Das ist vielleicht der Beginn der dritten Rykiel-Generation in diesem Haus.

Ist es schwierig, sich als unabhängiges Unternehmen zu behaupten?


Wie ich schon sagte, die Mode hat sich stark verändert. In dieser Landschaft ist Rykiel eine Marke, die herausstechen muss und kann: Unsere Geschichte muss in den Vordergrund gestellt werden. Daran arbeite ich.

Was hat diese Veränderungen, von denen Sie sprechen, bewirkt?

Zum Beispiel die Kooperationen von H&M mit Modedesignern. So musste die Luxusindustrie ihrerseits auf die Werkzeuge der Fast Fashion zurückgreifen: häufigere Zwischenkollektionen, kürzere Lieferzeiten. Die Kundinnen haben sich daran gewöhnt, dass es in den Geschäften ständig Neues gibt. Darauf ist der Luxus eigentlich nicht ausgerichtet.

Als H&M auf Sie zugekommen ist …

… habe ich sofort zugesagt; ich fand diese Option fantastisch. Übrigens war meine Mutter eine der ersten, die in den Siebzigerjahren für das Versandhaus 3Suisses entworfen und damit im Grunde Fast-Fashion-Kooperationen vorweggenommen hat.

Vor Kurzem haben Sie außerdem eine Home Collection lanciert – wie weit kann man bei solchen Kooperationen gehen, ohne dem eigenen Image zu schaden?

Dass ich den Rykiel-Kosmos auf den Wohnbereich ausweite, ist für mich eine völlig stimmige Weiterentwicklung. Unsere Kundin ist eine Frau auf Achse, die es sich auch daheim bequem macht. Und was die Grenzen betrifft, das ist sehr einfach: Wenn ich ein ­Lizenzgeschäft oder eine Kooperation eingehe, muss mein Partner in seinem Bereich erstklassig sein. Ein anderes Beispiel: Wir werden selbst nie Getränke herstellen, andererseits trinkt unsere Kundin Coca-Cola light. Die Option, eine limitierte Flaschenedition zu entwerfen, war also sehr willkommen. Das Gleiche galt für H&M und gilt auch für die Home Collection.

War es immer schon Ihr Traum, Mode zu machen – wie Ihre Mutter?

Überhaupt nicht. Ich hatte eigentlich vor, Filmregie zu studieren – aber als ich 20 Jahre alt war, hat meine Mutter mich gebeten, für Rykiel zu modeln. Das hat mir eine neue Pers­pektive eröffnet; ich habe Verbesserungsvorschläge für die Beleuchtung, die Musikauswahl und das Modelcasting ­gemacht. So ergab sich auf einer anderen Ebene die Möglichkeit, meine Leidenschaft für das Regiehandwerk auszu­leben. Später habe ich das Unternehmen „from the bottom up“ kennengelernt.

Anfang 2010 haben Sie Ihren ersten Roman veröffentlicht, „Tu seras une femme, ma fille“ (Calmann Lévy): die Literatur, ein Ausgleich zur Mode?

Wissen Sie, ich habe schon immer geschrieben, aber für die Schublade. An meinem autobiografischen Roman zu arbeiten fand ich wunderbar. Auch wenn ich lange gebraucht habe, ganze zwei Jahre.

Wann haben Sie geschrieben?

Nachts, immer nur nachts. Ich liebe die Nacht,
und tagsüber wäre das wegen meiner Arbeit auch gar nicht gegangen. Die Literatur funktioniert ­völlig konträr zur Mode – sie ist auch etwas Schöpferisches, doch sie entsteht in der Einsamkeit.
Die Mode ist Teamwork, hektisch und schnell, während der Rhythmus der Literatur ein völlig anderer ist. Wenn man schreibt, kann man nichts beschleunigen – das Tempo entsteht in einem selbst. 

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Sonia Rykiel

Paris. HW10/11


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.