Bally: Frischer Wind für die Luxusmarke

Graeme Fidler und Michael Herz bringen Innovation und Tradition unter einen Hut.

Nach unterschiedlichen Werdegängen in Häusern wie Ralph Lauren, Iceberg und Guy Laroche trafen die beiden Briten Graeme Fidler und Michael Herz vor sieben Jahren als Herren- und Damenmodendesigner bei Aquascutum in London aufeinander. Dort verwuchsen sie zu einem offenbar unzertrennlichen Duo, denn den Weg zum Schweizer Traditionshaus Bally, das unlängst von der österreichischen Labelux-Gruppe übernommen worden ist, treten sie nun gemeinsam an. Dem „Schaufenster“ verraten sie beim Wien-Besuch, was sie mit der Marke vorhaben, wieso es manchmal ein bisschen
Respektlosigkeit braucht – und was die Schweiz außer gebirgig sein noch so kann.

Wie läuft Ihre Zusammenarbeit als Kreativdirektoren-Duo? Erstellen Sie gemeinsam ein Thema und arbeiten dann getrennt an den Kollektionen für Damen und Herren?


Herz: Bis zu einem bestimmten Punkt arbeiten wir natürlich sehr eng zusammen. Dann ziehe ich mich aus der Männerkollektion zurück, bin aber für Graeme da, sobald er Unterstützung, Rat, Kritik oder was immer braucht. Umgekehrt läuft das genau so.

Fidler: Außerdem wurden wir ja beide als Kreativdirektoren für die gesamte Brand engagiert. Letzten Endes geht es darum, ein stimmiges Markenimage zu kreieren. Da gibt es zum einen viel zu tun, zum anderen aber unheimlich viel, auf das wir zurückgreifen können. Die Verkaufsstruktur, die Manufakturen in Italien, ein Office in Mailand, unser Kreativbüro in London – auf all das können wir bauen, um unsere Vision zu definieren.

Aquascutum und Bally sind sehr traditionsreiche Häuser: Wie vereinen Sie Tradition und Innovation?

Herz: In erster Linie geht es darum, auf welchem Level man arbeiten will. Uns beide hat immer schon das
Luxussegment interessiert, bei dem es in erster Linie solche Traditionsbetriebe gibt. Luxus, Geschichte und Tradition – das gehört eng zusammen. Wie wir damit umgehen – nun, mit großem Respekt und einer kleinen Dosis Respektlosigkeit. Man sollte nicht allzu ehrfürchtig sein, nicht davor zurückschrecken, sich zu fragen, wie man das Traditionelle, so großartig und fantastisch es auch sein mag, modernisiert und für die Gegenwart relevant macht. Wenn man zum Beispiel ein Paar Damenschuhe im Archiv findet, so wäre die eine Möglichkeit, sie einfach zu kopieren. Die andere besteht darin, sich von ihnen für einen neuen Entwurf inspirieren zu lassen. Kopieren allein führt zu einer Art Kostümierung. Die Vergangenheit funktioniert im Heute nicht.

Ist aus diesem Blickwinkel der sanften Erneuerung die Arbeit an Damen- und Herrenkollektionen gleich schwierig?


Herz: Damenmode ist einfacher, glaube ich, weil dieser Bereich einfach schneller funktioniert und stärker auf Veränderung ausgerichtet ist. Die Kundinnen erwarten sich Brüche und Beschleunigung. Bei den Herren ist es anders – hier gibt es einen langjährigen Kunden, und da muss viel eher mit Subtilitäten, kleinen Details, minimalen Drehs gearbeitet werden. Ja, Tradition ist in der Mode männlich besetzt.

Wie viel haben Sie von den Fachleuten in Ballys Produktionsstätten gelernt?

Fidler: Unheimlich viel – und das wird definitiv so weitergehen. Diese direkte Auseinandersetzung mit den Fachleuten ist uns sehr wichtig, da sind wir sehr direkt.

Herz: Manchmal ist es übrigens gut, nicht zu viel zu wissen – man könnte versucht sein, sich selbst einzuschränken, weil man glaubt, dass etwas nicht funktionieren wird. Es gibt definitiv Bereiche, denen wir uns aus einer rein ästhetischen Perspektive annähern, was aber auch sein Gutes hat.

Örtliche Identitäten werden als Kontrapunkt
zur fortschreitenden Globalisierung wieder wichtiger – haben Sie vor, den Schweizer Charakter der Marke in Zukunft stärker zu betonen?


Herz: Selbstverständlich. Es ist ja eines der zentralen und charakteristischen Merkmale der Maison, dass ihre Ursprünge in der Schweiz liegen. Lederverarbeitung der höchsten Qualitätsstufe ist zum Beispiel typisch schweizerisch. Außerdem sind wir gerade im Begriff, Ideen für die Beschreibung der Markenidentität zu sammeln: Wir sehen uns alle Geschäftsbereiche an und fragen uns, wodurch Bally zu Bally wird. Wo liegen unsere Stärken und wohin wollen wir uns entwickeln? Die Tatsache, dass das Haus 1851 in der Schweiz gegründet wurde, ist in diesem Zusammenhang unheimlich wichtig.  

Wie manifestiert sich das zum jetzigen Zeitpunkt?

Fidler: Auf jeden Fall wird dieser Aspekt künftig von zentraler Bedeutung auf jeder Ebene der Unternehmenskommunikation sein. In der konkreten Umsetzung wird das natürlich nicht so aussehen: Wir sind aus der Schweiz, wir zeigen Berge in unserer Werbekampagne.

Herz: Wir sehen die Schweiz im Herzen Europas, etwas erhöht, mit Zugang zum Besten aus allen Nachbarländern wie Italien, Frankreich und Deutschland. Keineswegs als ein isoliertes Land, und eher der nordeuro-
päischen Sphäre zugehörig als Südeuropa.
Fidler: In den letzten Monaten haben wir auch Archivmaterial wie Bilder und Videos gesammelt und möchten Bally auch mit bestimmten Personen assoziieren, die für uns relevant sind. Persönlichkeiten Schweizer Ursprungs wie Giacometti, Jean-Luc Godard oder Le Corbusier zum Beispiel. Solche Details liegen uns am Herzen – bei dieser Art von Wissen wollen wir einklinken, um uns von Mitbewerbern abzuheben.

Nun wurde Bally aber von der Labelux-Gruppe mit Sitz in Wien gekauft. Haben Sie deshalb für den hiesigen Bally-Shop eine limitierte Kollektion mit Sisi-Anleihe entworfen? Das kommt Ihnen bei Österreich als Erstes in den Sinn?

Herz: Als wir zu Bally kamen, stand bereits dieser Termin in Wien fest, und wir wollten einfach mit etwas Eigenem hier vertreten sein. Unsere erste Kollektion kommt ja erst nächstes Jahr in die Läden. Als wir dann herausgefunden haben, dass eine Stiefelette, die Prinzessin Elisabeth bei ihrer Hochzeit trug, im Besitz des Bally-Archivs ist, war das unser Ausgangspunkt. Dann haben wir uns gefragt, was eine Prinzessin heute anziehen würde, wenn sie sich tanzend die Nacht um die Ohren schlägt. Die Capsule Collection, die so entstanden ist, hat so viel Anklang gefunden, dass sich Zitate in unserer ersten Sommerkollektion fortsetzen werden. Ein bisschen Wien wird also auch da zu finden sein. 

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