Die Augen des François H.

Das Skandalpotenzial einer Präsidentenbrille und ein Seitenblick auf die österreichische Politik.

Ganz so schickalsschwere Visionen wie die von Mord und Totschlag heimgesuchte Modefotografin Laura Mars (großartig, Faye Dunaway in dem 1978 entstandenen Film) hat der französische Präsident François Hollande hoffentlich weiterhin nicht. Sein optischer Apparat inklusive sichtverbesserndem Modeaccessoire bescherte ihm aber trotzdem zuletzt einiges an Ungemach.

Die meisten werden davon gehört haben: Monsieur Hollande legte seine eher unscheinbare Brille Anfang Juli zugunsten eines prominenter im Gesicht sitzenden Modells ab. Diese Look-Veränderung empörte zum Einen jene Kommentatoren des politischen Treibens, die Hollandes Aussehen (Dreinschauen?) als nunmehr ungebührlich streng tadelten. Andere wieder warfen ihm vor, und das wog natürlich ungleich schwerer, die Außenwirtschaft Frankreichs boykottiert zu haben, da er, ein mögliches Role-Model für Brillenträger, sich nicht für eine französische, sondern akkurat eine dänische Marke entschieden hatte.

Von männlichen Politikern wird zwar selbst in Frankreich in puncto modisches Auftreten weniger erwartet als von ihren Kolleginnen. Und so ausgeklügelte Finesse bei der sogenannten "Fashion Diplomacy", wie sie etwa Michelle Obama und die Herzogin von Cambridge praktizieren (grob vereinfacht: man kombiniert bei wichtigen Auslandsreisen Marken des eigenen Landes mit jenen des Gastlandes), ist für gewöhnlich eher First Ladies (auch Gentlemen?) vorbehalten.

Dass es François Hollandes neue Brille und nicht etwa seine Krawatte (Hermès? Louis Vuitton?) oder seine Anzüge (Saint Laurent? Pierre Cardin? Dior?) nun aber in die Schlagzeilen geschafft hat, ist wohl in erster Linie ein Indiz für die katastrophal schlechten Popularitätswerte des französischen Präsidenten und die dauernde Suche nach neuen Schnitzern, die man ihm vorwerfen könnte.

Zugleich ist dieses Skandalon jedoch symptomatisch für den Stellenwert, den Erzeugnisse der gehobenen Lifestyle-Industrie in Frankreich im allgemeinen genießen. Denn weder eine Präsidentenbrille noch ein Ministerinnenhut oder ein Botschafterinnenschuh könnte sich hierzulande jemals Chancen auf ähnlich laut geäußerte Kritik ausrechnen.

Das wieder mag damit zu tun haben, dass in Österreich (wie auch in Deutschland) Luxusgüter dieser Art niemals wie in Frankreich und Italien zu ökonomisch relevanten Exportartikel avancierten. Oder natürlich mit dem weitgehenden Bedeutungsverlust, den die heimische Mode- und Textilindustrie in den letzten Jahren erleiden musste.

Selbst wenn gewählte Volksvertreter selbstverständlich alles andere zu sein haben als willfahrige Werbeträger österreichischer Marken, sind sie in dieser Hinsicht in den Augen der Öffentlichkeit gewiss jeglicher Verantwortung enthoben. Und das ist insofern schade, als eine mögliche Vorbildwirkung dieser Personen sogar in Modedingen nicht ganz auszuschließen ist.

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