Anna Wintour im kessen Wet-Look, Suzy Menkes patschnass unter der Dusche: Nie waren die Mode-Mächtigen so nahbar wie in diesem Sommer.
Dass der diesjährige Sommer mit nicht besonders tollem Wetter aufwarten konnte, dürfte sich herumgesprochen haben. Umso willkommener waren den regenbedingt das Heim Hütenden also wahrscheinlich virale Internet-Phänomene wie die sich zuletzt über das Netz ergießende Ice-Bucket-Challenge.
Mittlerweile ist der Spuk ja am Abklingen (immerhin beklagen sich Umweltaktivisten schon über die Wasserverschwendung, außerdem gibt es bei der nutznießenden Organisation irgendwelche Probleme mit Tierversuchen), davor haben aber die Oberen Zehntausend, It-Boys und -Girls sowie Myriaden von Nachahmern noch eifrig ihr Köpfchen unter das kalte Eimerchen gehalten.
Der Modewelt bescherte die Challenge (vielleicht ist ein andermal Gelegenheit, sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass heutzutage alles als "Challenge" daherkommen muss, um mit der nötigen Aufmerksamkeit bzw. dem nötigen Durchhaltevermögen geehrt zu werden) freilich die schöne Gelegenheit, US-Vogue-Doyenne Anna Wintour einmal ohne ihren perfekt frisierten Bob zu sehen.
Das Video, in dem sich la Wintour Ende letzter Woche der eiswasserwütigen Öffentlichkeit präsentierte, zeigt sie in einer perfekten Gartenidylle - ohne allzu viele Details, dafür mit einer erstaunlichen Anzahl von Kindern, die offenbar aus der betuchten Hamptons-Nachbarschaft rekrutiert wurden. Fast schon sympathisch könnte sie einem da werden, die gestrenge Condé-Nast-Chefmagazinmacherin.
Noch sympathischer ist freilich die fast schon arglose Herangehensweise von Suzy Menkes, der wohl einflussreichsten, oder zumindest meistgelesenen Modekritikerin der Welt. Frau Menkes nämlich, die vor wenigen Monaten ihren Job wechselte und nicht mehr für die International New York Times, sondern als International Editor für alle Online-Versionen der "Vogue" zuständig ist, stellte sich, wie auf ihrem Instagram-Profil zu sehen ist, unter die Dusche, goss sich mit einer Hand einen Putzkübel über den Kopf und hielt in der anderen das wackelige Smartphone.
Suzy Menkes, zwar weiterhin gestrenge, immerhin aber so weit mit Alters- (oder Online-?)Milde gesegnet, dass sie letztens ein verheerendes Urteil über Jeremy Scotts erste Kollektion für Moschino nachträglich zurücknahm, kann sich solche Ausreißer aus dem perfekten Work-Look ja mittlerweile leisten, ohne Autoritätsverlust befürchten zu müssen. Ohnehin zeigt sie sich mit ihrem neuen Online-Ich von der geradezu zuckersüßen Seite.
Anna Wintour freilich, die wohlweislich sofort nach Begossenwerden das Blickfeld der Kamera verließ, wird man vielleicht nie wieder als Inkarnation der professionellen Frontrow-Strenge ohne Makel wahrnehmen können. Aber wer weiß, vielleicht kam der Wintour die Ice-Bucket-Challenge ja gerade recht, um mit einem allzu starren Image nachhaltig aufzuräumen.
Daniel Kalt ist "Schaufenster"-Chefredakteur und auch auf Twitter und Instagram zu finden.