Haute-Couture: Lebenszeichen

(c) Emil Maria Beindl
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Convivialité, créativité, légèreté: Die Haute-Couture-Häuser zeigten in Paris ihre Wertetrias als modischen Acte de résistance.

Die Mode stellt, in den Augen vieler, etwas suspekt Frivoles dar. Sie ist, zumal in ihren luxuriösesten Ausprägungen, das per se Unnotwendige, eine Inkarnation des Eitlen, die Eitelkeiten bedienend. Dasjenige, über das zu sprechen sich erübrigt, weil es stets wichtigere Themen zu erörtern gibt. Zumindest an Letzterem ist nicht zu rütteln, ebenso wenig aber an der Tatsache, dass auch Modemacher, nachgerade in einer Stadt wie Paris, wo la création so hoch angesehen ist wie nirgends sonst und als vollwertige Sparte des Kulturschaffens gilt, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einen Kommentar zum Status quo – der Welt, der Gesellschaft, ihres unmittelbaren Umfeldes – abgeben.

Die Anschläge des 13. November in Paris waren, das haben alle Bewohner, Besucher und Freunde der Stadt verspürt, nicht zuletzt gegen die Leichtlebigkeit, die Légèreté, gerichtet, und gegen die konviviale Unbeschwertheit des alltäglichen Lebens. Mit womöglich noch größerem Aufwand als seit Langem haben jene wenigen Maisons, die sich selbst – und ihren Kunden – den Luxus einer Haute-Couture-Kollektion erlauben, nun erstmals seit den Attentaten diese, siehe oben, frivolst mögliche Spielart der Mode auf die vielleicht einzig denkbare Weise vorgetragen: mit offen zur Schau getragener Selbstverständlichkeit und ungebrochener Schaffensfreude.

(c) Emil Maria Beindl

Die Convivialité der besten Pariser Gesellschaft im Umkreis der legendären Modeschöpferin Elsa Schiaparelli inspirierte etwa Bertrand Guyot, der eben seine zweite Saison für das von Diego della Valle wiederbelebte Luxusmaison desselben Namens absolvierte, zu einer surrealen, opulenten Kollektion mit zahlreichen Verweisen auf die so kurze wie reiche Geschichte des Hauses.

Gesellige Runde. Legendäre Abendesseneinladungen der Schiaparelli in eine improvisierte Trattoria im Keller ihres Pariser Stadthauses brachten Guyot auf die Idee, eine an Gourmandisen reiche Kollektion zu entwerfen. Witzige Trouvailles wie eine an Dalí erinnernde Hummer-Stickerei, Croissant-Porzellanknöpfe aus einem südfranzösischen Atelier und eine Erntedank-Bikerjacke aus Raffiabast finden sich hier allerorts. Ebenfalls appetitlich: Angeblich beginnen auch die Verkaufszahlen in diesem Couture-Haus allmählich zu stimmen, eine Revitalisierung der legendären Parfums scheint ebenfalls absehbar.

Von unglaublich heiterem Charakter war auch die, aller Trübnis zum Trotz, als Ode an einen legendären Pariser Nachtklub aus den Achtzigerjahren angelegte Haute Couture von Jean Paul Gaultier. Kein Designer spielt heute unbeschwerter auf, keiner ist plus parisien als er, der mit seinem Modeschaffen jene eingangs erwähnte Frivolität gezielt aufgreift und in ihr Gegenteil dreht – vom Makel zum bewussten Statement macht. Das urpariserische Publikum, eine treue Schar langjähriger Wegbegleiter von Gaultier, weiß dieses spielerische Engagement zu schätzen und natürlich auch Gaultiers gutes Händchen für ausladende Partyklamotten. Das Finale dieser Show, an der mit Iris Strubegger und Oliver Stummvoll auch zwei österreichische Models beteiligt waren, geriet gleichsam zum Acte de résistance gegen Regungen des Verzichts auf Feste und Frohsinn.

Als Ode an Paris und die Gärten der Stadt wollte Giambattista Valli seine zarte und leichte Kollektion sehen. Mit so viel floraler Verve brachte sich Valli, wurde in der Fachpresse gemutmaßt, vielleicht aber auch in Stellung als Anwärter auf die Regentschaft im Haus Dior. Dort hatte Raf Simons ja vor nicht allzu langer Zeit den Thron des Chefdesigners frei gemacht, seitdem fragt sich die Branche, wer einen der – zumindest theoretisch – begehrtesten Posten der Branche für sich reklamieren wird. Stellvertretend für das Designteam verbeugten sich nach dem Haute-Couture-Defilee Lucie Meier und Serge Ruffieux. Sie blieben der von Simons vorgegebenen Linie für Dior treu, die Looks waren zumeist reduziert, klar, modern.

Gesellig. Die Schiaparelli-Kollektion war Ausdruck französischer Konvivialität.
Gesellig. Die Schiaparelli-Kollektion war Ausdruck französischer Konvivialität.(c) Emil Maria Beindl

Die Kritiken waren eher freundlich gehalten, wenngleich ihnen stets auch die Bemühung eingeschrieben war, Meier und Ruffieux bei ihrem zweifellos als Zwischenspiel anzusehenden Auftritt nichts Übles nachzusagen. Die beiden werden wahrscheinlich bereits bei der nächsten Couture-Woche nicht mehr auf den Laufsteg treten.

Fragen nach einer möglichen Nach- oder Neubesetzung des Designerpostens stellen sich bei Chanel indessen nicht. Karl Lagerfeld sitzt als letzter Kaiser der Mode fest im Sattel und bespielt alle Register des Prêt-à-porter und der Haute Couture mit Leichtigkeit und Witz. Eine skandinavisch inspirierte Kollektion, in der Tat etwas unverschnörkelter, als man das in der Vergangenheit gesehen hatte, präsentierte er inmitten eines japanisch anmutenden Gartens. Die bodenlangen Bleistiftröcke waren zum Teil so schmal geschnitten, dass die Mannequins wie Geishas den Laufsteg abschritten.

Schnelleren Schrittes wurde hingegen die Edelmode von Donatella Versaces Atelier Versace vorgetragen, was nicht verwunderte, schließlich hatte die italienische Designerin für ihre Kollektion das Leitmotiv einer Sporty Couture ausgerufen. Die edle Verarbeitung der Kleider freilich erschloss sich erst bei näherer Beschau: Wer sich für ein Kleid, das, wie alle Couture-Roben, auch einmal an die 100.000 Euro kosten kann, interessiert, nimmt von einem Blindkauf aber wahrscheinlich ohnedies Abstand.
Besonders hohe Schleppendichte herrschte auch in der Garderobe der Besucherinnen – zur Mittagszeit – beim Defilee von Traumkleidprofi Elie Saab, der – wie Donatella Versace – nur als Gastmitglied der Fédération francaise de la haute couture firmiert.

Expedition de luxe. Seine Kollektion erzählte diesmal eine Geschichte, und zwar jene einer spätviktorianischen Entdeckerin im fernen Indien. Das bedingte einige Verjüngungsimpulse, offenbar sollte auch den Töchtern der klassischen Couture-Kundinnen etwas geboten werden. Must-have der Saison sind jedenfalls Saabs Wüstenstiefel für besonders luxuriöse Expeditionen.

Sandige Wellen und Dünenkämme haben in der Vergangenheit immer wieder auch Giorgio Armani inspiriert. Diesmal war dieser Einfluss zwar nicht ausgewiesen, das Ondulierte und sanft Wogende waren aber dennoch Teil des ästhetischen Repertoires. Einen Leitfaden stellte die dominante Farbe dar, denn der Italiener hatte für die Armani-Privé-Entwürfe diesmal Mauve als Nuance, feminin wie keine zweite, auserkoren. Die am Ende des Defilees das VIP-Publikum allmählich umhüllende Kunstnebelwolke, ein etwas überraschender Dramaturgieeffekt, färbte sich denn ebenfalls zartlila. Den einen gefiel’s, die anderen fächerten sich hüstelnd frische Luft zu – ein wenig Air de Paris also.

Info

Modezeichnung. Neuer Trend unter Fashion-Week-Beobachtern: mitskizzieren wie anno dazumal statt mitschreiben. Für das „Schaufenster“ illustrierte Emil Maria Beindl, Teil des Modeduos DMMJK und instagram.com/emil.maria

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