Schwerthieb an der Rezeption

Mieten statt kaufen sollen Wien-Besucher bald die Mode der Stadt. Das ist zumindest die Idee hinter dem gehobenen Verleihservice Moiree.

Die Legende vom heiligen Martin kennt jedes Kind. Der Reiter, der das Schwert nahm und seinen Mantel in zwei Stücke schnitt, hat uns von klein auf beigebracht, dass Teilen eine gute Sache ist. Ein Gedanke, der in unserer Konsumgesellschaft schnell unter die Einkaufswagenräder kommen kann. Und gerade deshalb hat sich wohl das, was man als „Sharing Economy“ bezeichnet, neu formiert. Man kauft nicht mehr automatisch, man mietet, man tauscht, man teilt sich Wohnung, Auto oder Kleidung. Dafür benötigt man kein Schwert, sondern nur das Internet, wo vor Kurzem das Service Moiree online gegangen ist. Gründer Christoph Oberlechner hat diese Plattform geschaffen, auf der Wiens Hotelgäste Mode lokaler Designer mieten können. „Mir kam die Idee, wie toll es wäre, ohne Koffer zu verreisen und dann im Hotelzimmer Kleider vorzufinden, die man speziell für den Aufenthalt tragen kann“, beschreibt Christoph Oberlechner, der in den vergangenen Jahren als Vertriebs- und Marketingleiter des Wiener Modelabels Ute Ploier gearbeitet hat. Aus diesem Gedanken wurde dann ein ausgereiftes Konzept, das zum Ziel hat, die österreichische Modeszene zu fördern und für Außenstehende zugänglich zu machen. „Der Hotelgast wird vorab auf den Service von Moiree aufmerksam gemacht, er erhält einen Code, mit dem er sich auf unserer Webseite einloggen und dort Kleider und Accessoires bestellen kann. Die Stücke werden dann innerhalb von zwei Stunden ins Hotel geliefert und können für eine Gebühr von 15 Prozent des Kaufpreises pro Tag gemietet werden, eine Kaufoption besteht“, erklärt Oberlechner das Wunschszenario. Mit Moiree kooperieren derzeit natürlich nur Hotels, deren Gäste sich ein entsprechendes Service auch leisten können. Das Park Hyatt Vienna, The Guesthouse, DO & CO sowie das Hotel Altstadt Vienna sind dabei. Letzteres steht der Kreativbranche traditionell nah. Die Zimmer des Hotels wurden von heimischen Architekten und Designern ausgestattet, darunter auch Modedesignerin Lena Hoschek. „Unsere Gäste kommen oft aus dem Kreativbereich, sind selbst Künstler, Architekten, Musiker oder Schauspieler“, weiß Saskia Wiesenthal, die für Kunstmanagement und Marketing zuständig ist. Ihr Vater, Gründer des Altstadt Vienna und Kunstsammler, fördert schon lange einheimische Künstler. „Wir kooperieren mit Boutiquen und Stylisten, bieten unseren Gästen Insidertipps zu Kunst, Kultur und Shopping.“ Derlei Unterstützung für die Kreativszene der Stadt entspreche der Philosophie des Hotels, so Saskia Wiesenthal. Doch die Geschäftsfrau sieht das Projekt realistisch, „ich denke, es wird eine Zeit dauern, bis Moiree richtig anläuft, es entspricht zwar dem Nachhaltigkeitsprinzip, das momentan sehr gefragt ist, aber vor allem die Generation 50 plus tut sich eher schwer damit, Dinge zu teilen“. Andererseits hat gerade diese Generation meist die entsprechenden Mittel, sich Designermode zu leisten.

Ein bekanntes Problem. Ajla Ayidan, deren nach ihr benanntes Label neben Femme Maison, Bradaric Ohmae, Gon, Florian Jewlery und Mühlbauer bisher für Moiree gewonnen werden konnte, gründete ihr Unternehmen vor erst einem Jahr. Die junge Designerin weiß um die Schwierigkeiten des Marktes: „Das Interesse an Mode und die finanzielle Realität der potenziellen Kundschaft sind oft nicht vereinbar“, weiß die Designerin, die gerade mit einigen Shops in Wien in Verhandlungen steht und plant, die nächste Winterkollektion in Paris zu zeigen. „Ich sehe die Kooperation mit Moiree als Chance, Menschen von außen zu begeistern. Den Versuch eine Brücke zwischen lokalem Design und kaufkräftigem Klientel zu schlagen, halte ich für ein spannendes Projekt.“

Moiree-Gründer Christoph Oberlechner
Moiree-Gründer Christoph OberlechnerAslan Kudrnofsky


Ein solcher Brückenbau erfordert jedoch ein durchdachtes Konzept, denn erstens ist Wien nicht gerade als Modestadt des großen Schlages bekannt, und zweitens gilt es die Markentreue der Konsumenten, die sich große Modehäuser über Jahrzehnte aufgebaut haben, zu durchbrechen und das Vertrauen in einheimisches Design zu wecken. Monique Dekker, Generaldirektorin des Park Hyatt Vienna verortet da bei ihren Gästen keine Berührungsängste. „Die meisten erwarten sich, dass wir ihnen Bereicherndes und Außergewöhnliches bieten, daher kooperieren wir mit lokalen Galerien, Restaurants und auch Designern. Die Hostessenuniform zum Beispiel wurde von zwei Wiener Designerinnen entworfen.“ Dieses Designerduo bietet auch ein Ballkleidservice an: Wenn der Kunde im Wiener Park Hyatt ankommt, hängt das exklusiv für ihn geschneiderte Kleid bereits im Zimmer.

Der Prinzessinnenmoment. Auch das Konzept von Moiree lebt von dieser „luxury experience“, wie Oberlechner bestätigt: „Das funktioniert aber anders als Dienste wie etwa ,Rent the Runway‘ aus den USA.“ Internetseiten wie Renttherunway.com oder Bags4rent.com setzen eher auf den Aschenputteleffekt und vermieten hauptsächlich Kleider und Accessoires von High-End-Marken und prestigeträchtigen Modehäusern wie Louis Vuitton, Hermès oder Gucci. Das lockt vor allem die an, die sich so ein Designerstück niemals leisten könnten, und lebt nur von der Anziehungskraft der großen Namen.
Moiree versucht nun genau das Gegenteil: Finanziell bestens situierte Touristen sollen Mode österreichischer Designer mieten. Ob Understatement in dieser Weise funktioniert? Die Generaldirektorin des Park Hyatt Vienna sagt ja, denn „die Mode, die Moiree anbietet, entspricht absolut dem Look unserer Gäste“. Viele kämen außerdem für Kongresse oder Veranstaltungen und würden gerne auf übermäßiges Gepäck verzichten. Hochwertige Stoffe und gute Verarbeitung seien die Voraussetzung dafür, dass luxusverwöhnte Modeliebhaber zugreifen, glaubt der Moireegründer Oberlechner, und darauf habe er bei der Wahl der Designer geachtet. Und für Ajla Ayidan wäre das „ultimative Ziel“, dass ihre Stücke schließlich gekauft werden. Einen zusätzlichen Gewinn würde das für das Label zwar nicht bringen, denn Oberlechner hat den Designern, außer Florian Jewlery und Klaus Mühlbauer, die Kollektionen im Vorfeld bereits abgekauft, aber so würden die Stücke mit ihren neuen Besitzern das Land verlassen und eventuell weitere Kunden im Ausland erreichen. Auch Monique Dekker vom Park Hyatt hält es für wahrscheinlich, dass die Kleider von Moiree am Ende eher gekauft als gemietet werden.
Der „Share-Charakter“ würde dadurch natürlich verloren gehen. Allen Beteiligten liegt aber vor allem die heimische Modebranche am Herzen, und vielleicht hat die junge Designerin recht, wenn sie sagt „man darf nie die Kraft eines Auslandsaufenthalts unterschätzen.“ Das Gute kann schließlich fern und nah gelegen sein.

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