Blumen für die gut betuchten Mädchen

Romantisch, weiblich und vor allem blumig – das trifft auf Osls Kleidungsstil genauso zu wie auf die Einrichtung ihrer Werkstatt.
Romantisch, weiblich und vor allem blumig – das trifft auf Osls Kleidungsstil genauso zu wie auf die Einrichtung ihrer Werkstatt. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit Vintage-Blumenkränzen traf Designerin Niki Osl den Zeitnerv moderner Großstadtromantiker. Popstar Lana del Rey machte ihre Gebinde berühmt.

Noch heute würden sich ihre Schwester und sie gegenseitig die Preisschilder in neu erstandenen Kleidungsstücken präsentieren. Einfach, um der anderen zu versichern: Es ist nicht Secondhand. Niki Osl nennt sich selbst ein Flohmarktkind. Ihre Mutter war Lehrerin. Vor allem aber ist sie eine passionierte Bastlerin, die ihre selbst genähten Puppen nebst den zwei kleinen Töchtern am Wochenende einpackte und auf die Kunsthandwerksmärkte der Umgebung mitnahm.

„Vintage ist jetzt ein Trend. Ich kenne es nicht anders“, sagt die 37-jährige Wiener Designerin rückblickend. Osl kokettiert gern mit dem Charme vergangener Zeiten. Ihr von schweren Holzmöbeln, goldgerahmten Spiegeln und vielen Seidenblumen erfülltes Atelier nahe der Mariahilfer Straße zeugt davon ebenso wie ihre selbst gewählte Berufsbezeichnung: Putzmacherin sei sie. Sprich Angehörige einer in Vergessenheit geratenen Zunft, die sich früher ausschließlich der Verzierung – eben dem Aufputzen – von Kopfschmuck widmete. Osl zieht hier eine dezidierte Trennlinie zum Beruf der Hutmacherin. Der Zunft ist sie nach mehrmaligen Bitten dennoch beigetreten.

Das war, nachdem sie mit ihrer Marke, Miss Lillys Hats, über Österreichs Grenzen hinaus berühmt geworden war. Nachdem US-Popstar Lana del Rey vor gut fünf Jahren erstmals Osls selbst designte Blumenkränze bei ihren Bühnenshows trug. Und nachdem das deutsche und in weiterer Folge viele weitere „Vogue“-Magazine über das Wiener Fräuleinwunder und seine Blumenkreationen berichtet hatten.

Zu del Rey, deren Selbstinszenierung irgendwo zwischen Beautyqueen aus dem Trailerpark und tragischer Heldin eines zerbrochenen amerikanischen Traums angesiedelt ist, passten die Blumenkronen perfekt. Die junge Wienerin hätte sich wohl keine bessere Markenbotschafterin aussuchen können. Dabei war der Weg bis zum Treffen mit del Reys Stylisten, der ihre Kreationen im Salon der befreundeten Designerin Lena Hoschek entdeckt hatte, alles andere als vorgezeichnet.

„Mein Rat an alle Eltern: Man sollte Kinder nicht zu früh aufgeben“, sagt Osl. Sie sei der lebendige Beweis. Aus der Modeschule Hegelgasse war sie geflogen, weil sie lieber Straßenmusik machte, als dem Unterricht zu folgen. Mit 16 Jahren zog sie von zu Hause aus, fing ein Kolleg für Grafikdesign an, wurde nach dem Abschluss von zwei Professoren von der Universität für angewandte Kunst umworben. „Ich musste mich selbst erhalten, hätte neben dem Studium aber nicht arbeiten können.“ Also ging es auf direktem Weg in ein Grafikbüro. Das wiederum verließ sie nach wenigen Monaten wieder für die Agentur eines Freundes. „Ich habe ein sehr unstetes Leben geführt“, sagt Osl rückblickend. Und nicht ganz ohne Stolz in der Stimme. So habe ihr lange Zeit der Ruf angehaftet, „nix durchzuhalten“. Man merkt der blonden Frau an, dass sie selbst über den Umstand amüsiert ist, nun so sesshaft mit zwei Katzen, Hund, Ehemann – und vor allem einem florierenden Atelier – in einer ruhigen Mariahilfer Seitengasse zu residieren.


Zurück zum Anfang. Schon als Kind begann Niki Osl, alte Hüte zu sammeln. Familiär vorbelastet war sie nicht nur aufgrund ihrer Mutter, die sich partout weigerte, den Töchtern neues Gewand zu kaufen. Auch ihr Onkel war dafür bekannt, mit feinem Blumendraht die schönsten Brautkränze der Gegend zu binden. „Irgendwie kommt man immer zurück“, sagt die Designerin. Sie habe für ihren Eigenbedarf Haarkränze gewollt, aber „keinen Faschingsschmuck auf dem Kopf“. So begann sie neben der Arbeit als Grafikerin unter mütterlicher Anleitung, sich die Arbeitsschritte beizubringen. Irgendwann nahm Freundin Lena Hoschek, damals schon eine Größe in der Modebranche, ihre Kreationen mit in ihr Münchner Geschäft.

Als dann alles Schlag auf Schlag ging und nach dem Auftrag für Lana del Rey immer mehr Kunden und Zeitschriften anklopften, stand Osl nicht nur vor dem Problem, keine Kollektion oder fertigen Muster präsentieren zu können. Ihr neuer Hauptberufszweig mit dem blühenden Haarschmuck hatte noch nicht einmal einen Namen. Dafür hatte sie gerade eine Katze aus einem slowakischen Tierheim bei sich aufgenommen. Lilly, die während Interviews mit Freude auf den Schreibblöcken der Journalisten und mit unverstelltem Blick auf das nächste Kameraobjektiv Platz nimmt, wurde flugs zur Namensgeberin. Heute schmückt Miss Lillys Gesicht Osls Werbeplakate und Preisschilder. Manchmal posiert die Gründerin auch gemeinsam mit ihrer Lieblingskatze – dann stets angetan mit Blumenschmuck und romantisch-verspielten Kleidern.

Alles Teil einer großen Inszenierung. Dessen ist sich Osl bewusst. Sie bezeichnet es als großen Vorteil, aus der Werbebranche zu kommen. Ideen wie die Verpackung in nostalgischen, schwarz-weißen Hutschachteln oder auch die Selbstvermarktung als modernes Blumenmädchen gingen so leichter von der Hand.


Restposten aus der DDR. 220 bis 1500 Euro – je nach Material, Aufwand und Größe – müssen moderne Blumenmädchen kalkulieren, die bei Osl einkaufen. Die alten Blumen aus Vintage-Papier, Samt, Seide und Leder bezieht sie großteils aus Restlagerbeständen in den USA. Dorthin hatten die sächsischen Kunstblumenwerke in den 1940er- und 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts fast ihre gesamte Produktion verschifft. In Sebnitz, der einstigen DDR-Metropole für falsche Blumen, ist heute beinahe die gesamte Industrie gestorben. Sie konnte der preiswerten asiatischen Konkurrenz nicht standhalten. Bei den zwei, drei verbliebenen Betrieben lässt Osl zwar heute noch fertigen. 90 Prozent der verwendeten Materialien sind jedoch „Vintage“, sprich bis zu 100 Jahre alt. „Alles, was ich hatte und Mamas Abfertigung“ – insgesamt 100.000 Euro – habe sie zu Beginn in die Materialbeschaffung gesteckt. So erklärt sich der Preis, den betuchte Hippie-Mädchen für Osls Kreationen zahlen.

Bis heute hat sie keine eigene Kollektion entwickelt. Ausnahmen sind ausgewählte Kooperationen wie mit dem Münchner Trachtenlabel Lodenfrey anlässlich des Oktoberfests, mit Freundin Lena Hoschek oder der Hutmanufaktur Mühlbauer. „Manches gibt es nur einmal. Da kann man nicht in die Massenproduktion gehen.“ An 17 Standorten wie dem Wiener Nobelkaufhaus Steffl sind dünne Kränze und Spangen aus dem Haus Osl zu kaufen. Für alles Größere, Aufwendigere müssen Kunden in ihrem Atelier in der Millergasse Nummer 40 vorstellig werden. Und sie sei gerade eher bemüht, Verkaufspartner abzubauen als dazuzugewinnen. Es verleiht dem Ganzen natürlich auch einen Hauch von Exklusivität, wenn die Kundschaft zur Audienz ins Atelier, das zugleich Privatwohnung ist, gebeten wird.

Termine vergibt Osl auch am Wochenende. Schließlich würden einige Kunden extra aus dem Ausland anreisen, sagt Osl. Sie selbst gönne sich eine Woche Urlaub pro Jahr. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die selbst titulierte Perfektionistin beinahe niemanden Hand an ihre Kränze legen lässt. Gerade einmal ihre Mutter hilft in einem eigenen Atelier bei der Produktion aus. Und seit Neuestem hat Osl eine junge Sommerpraktikantin. Sie sagt: „Du kannst in dem Geschäft nur Erfolg haben, wenn du mehr als 100 Prozent gibst.“

Als kleines Mädchen hat sie übrigens wahlweise Schriftstellerin, Bäuerin oder Burgschauspielerin werden wollen. Modernes Hippie-Mädchen ist aber wohl auch nicht schlecht. Selbst wenn damit ein voller Terminkalender einhergeht.

In Kürze

Entweder man kauft die Hippie-Haaraccessoires von Miss Lillys Hats bei einem von Niki Osls 17 Verkaufspartnern wie dem Wiener Kaufhaus Steffl oder Modedesignerin Lena Hoschek.

Oder man stattet ihr direkt in ihrer Werkstatt in der Millergasse 40 in Mariahilf einen Besuch ab. Bei Sonderanfertigungen und größeren Kreationen ist das sogar Pflicht.

Die handgeflochtenen Kränze aus Vintage-Blumen beginnen bei 220 Euro.

www.misslillyshats.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2016)

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