Best-of-Prinzip: Das System Baukasten

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Chic durch Reduktion und Individualismus statt Schnelllebigkeit: Das versprechen Kollektionen, die nach dem Best-of-Prinzip funktionieren.

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Als Donna Karan Mitte der 1980er-Jahre ihre „Seven Easy Pieces“ präsentierte, brachte ihr das den Durchbruch als Designerin. Die sieben Basic-Teile, aus angenehmen Materialien und vornehmlich in Schwarz gehalten, ergänzten sich untereinander und funktionierten als Grundbausteine im Kleiderschrank. Auch waren die sieben „Easies“ – ein Body, eine Bluse, ein Blazer, ein Mantel, ein Rock, eine Hose und etwas Schickes für den Abend – eine Antwort auf die männliche Arbeitsmontur des Geschäftsanzugs. Durch ihre Kombinierbarkeit ergaben sich vielfältige Variationen als verlässliche Begleitung zwischen Büromeeting und Abendevent. Ähnlich einem Baukasten ergab sich so ein System, das viel Spielraum an Möglichkeiten barg und dennoch eine klare Linie erkennen ließ. Karans Kollektion fand Gefallen bei den New Yorker Business-Ladys auf dem Wellenkamm des Powerdressings und schrieb sich in die Modegeschichte ein, weil sie die Bedürfnisse einer Generation von Frauen widerspiegelte und Ausdruck einer getragenen Haltung wurde.
Die Designerin gab damit aber auch eine Linie vor: ein sich zeitgeistig wiederholendes Prinzip, das von Modehäusern gern zitiert wird.

Die Mode der Zeitlosigkeit
. Es handelt sich um eine Art Best-of-System, bei dem Kollektionen aus wenigen ausgewählten Stücken bestehen, die oft durch ihren Minimalismus und ihre Funktion als Basics bestechen. So brachte Céline im Jahr 2010 „Five Perfect Trousers“ heraus – fünf Hosen, die für jede Passform und Situation gedacht sind und aufgrund ihrer unterschiedlichen Stofflichkeit auf saisonale Wettergegebenheiten eingehen.
Darunter findet sich von der Bügelfalte über die hohe Taille, vom schmal geschnittenen bis hin zum Schlaghosenbein eine Abhandlung klassischer Elemente.
Kreativchefin und Modeavantgardistin Phoebe Philo besann sich dafür auf die Kunst der Hosenschnitterstellung, um die Aura eines maßgeschneiderten Unikats ansatzweise zu replizieren. Mit ihrem Anspruch einer hohen Tragbarkeit liegt der Gedanke nahe, dass hier eine Positionierung als „zeitlos und außerhalb der Moden“ erreicht werden soll. Doch sogar diese Haltung ist Mode und dient vielen Labels als Konzept.

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Statt eine Kollektion mit der Beschränktheit eines sechsmonatigen Ablaufdatums zu gestalten, wird so gegen den Marktmechanismus designt und Einzelteile wahlweise auch längerfristig ins Verkaufssortiment übernommen. Die Auswahl aus einer schon bestehenden Selektion bedeutet jedoch auch eine striktere Vorgabe durch ein Modelabel gegenüber der geschmacklichen Prägung seiner Trägerschaft. Gleichzeitig wirkt dieser Kurationsprozesse der modischen Vielfalt (oder Austauschbarkeit) entgegen und regt zur Reduktion auf Wesentliches an.

Still statt schrill.
Während einerseits das Schrille, das Verfügbare und das Individuelle nach Aufmerksamkeit schreien, scheint auch das Verlangen nach Konzentration und Reduktion stärker zu werden – die Anti-Überflutung wird ihrerseits zum Trend. Vielleicht weil es auf Konsumentenseite Erschöpfung erzeugt, sich selbst ständig neu erfinden zu müssen, um damit der Forderung
des oktroyierten Individualismus gerecht zu werden. Es ist, vereinfacht gesagt, ein Leichteres, eine überschaubare Anzahl an Stücken zu besitzen.

So ist es sinnvoll, von Modelabels eine fertige Auswahl angeboten zu bekommen, die in ihrer Gesamtheit nach dem von Donna Karan vorgegebenen Prinzip durch Kombinierbarkeit funktioniert. Die „kuratierte Mode“ wird zum Hilfsmittel, um dem überstrapazierten Do-it-Yourself-Ansatz zu entkommen und die permanente Selbstökonomisierung auszuklammern.

Die Eleganz der Einfachheit impliziert zugleich eine Beständigkeit des Blicks, der auf das Detail abzielt. Denn mit Versprechen wie „chic and clean“ oder „klassisch-elegant“ und der Aura des Zeitlosen ist es nicht getan, auch der Minimalismus birgt eine Metaebene in sich, die dezent Verweise aufgibt und eine Übersetzung in das Jetztzeitige inkludiert. Nicht selten endet der Purismus in der Abwesenheit von Farben und gibt sich in Schwarz die Ehre – in sich historisch schwer aufgeladen.


Die Farbe der Avantgarde. Denn Schwarz trägt immer einen Hauch der Avantgardebewegungen in sich, die in ihrer exklusiven Voraussicht gegen herrschende ästhetische Normen vorgehen. Genau hier vermag sich ein Spannungsfeld zu öffnen, das zwischen Exklusivität und einer Wandlung in Richtung Uniformiertheit oszilliert. In der Tat scheint der Trend zu auf Klarheit und Substanz extrahierte Mode Gefahr zu laufen, durch ihre Schlichtheit eine Art von Normkleidung zu werden, die gleich einer Uniform, leicht tragbar als schablonisierte Körperhülle funktioniert. Am Ende bleibt eine Antimode, die den Anschein erweckt, modisch zu sein und statt zu glitzern vor sich hin flunkert.

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