„Ich war auch als Bauer glücklich“

WIEN: GEBAeUDEKOMPLEX 'GOLDENES QUARTIER'
WIEN: GEBAeUDEKOMPLEX 'GOLDENES QUARTIER'(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Goldenes Quartier. Er gilt als „König des Kaschmir“, doch lieber als über Mode spricht Brunello Cucinelli über Marc Aurel und den Tod der italienischen Bar.

Es war eine der letzten in einer langen Reihe von luxuriösen Geschäftseröffnungen: Nun ist auch die Kaschmir-Boutique von Brunello Cucinelli im Goldenen Quartier offiziell eingeweiht. Gründer Cucinelli (61) aus Umbrien ist einer der reichsten Italiener – und spricht gern darüber, wie wenig ihm das bedeutet.

Die Presse: Es heißt, Sie sind gern in Wien.

Brunello Cucinelli: Zum ersten Mal war ich als Kind hier, bei einem Schulausflug. Ich war im Prater, da bin ich zum ersten Mal Achterbahn gefahren. Später bin ich oft gekommen, weil wir unsere Arbeit mit Deutschland, der Schweiz und Österreich begonnen haben. Ich trenne nicht in die einzelnen Länder, aber Nordeuropa war für mich persönlich wichtig: Für mich gehören Schopenhauer, Kant, Hegel und Friedrich der Große alle zur selben Region.

Wann haben Sie begonnen, sich für Philosophie zu interessieren?

Ganz jung, als ich 17, 18 Jahre alt war und das Leben der italienischen Bar gelebt habe, das Leben der Diskussion. Es war ein sehr schönes Leben. Es gab kein Fernsehen, man hat nur Karten gespielt, Witze gemacht und debattiert. Über Frauenpolitik, Theologie. Was ich heute vermisse, sind diese Debatten. Aber man muss auch ehrlich sein, wir waren nur Männer, so war die Kultur.

Was ist mit den Bars passiert?

Es gibt sie noch, aber sie haben diesen Geist nicht mehr. Wir saßen da von acht am Abend bis sieben Uhr morgens. Es war unsere Schuld, dass der Eigentümer, Gigino, nie geschlafen hat. Wir hatten auch kein Geld, manchmal hat man zehn Tage nicht bezahlt. Freunde von mir hatten da schon Philosophie studiert und haben von Kant erzählt. Über den habe ich Sokrates kennengelernt und mich in die griechische Kultur verliebt. Als Griechenland in die Krise gestürzt ist, habe ich gesagt, dass die anderen Länder den Griechen helfen müssen, allein weil sie uns diese Kultur weitergegeben haben. Ich glaube, dass für all das der richtige Moment ist. Jetzt ist unsere Zeit für eine Neugeburt, spirituell, wirtschaftlich und politisch.

Woran erkennen Sie das?

Es begann mit der Neugeburt der Spiritualität durch den neuen Papst. Er spricht nicht nur die Christen an, sondern die ganze Menschheit. Es sagt, dass man Hüter und Beschützer sein soll, von allem, was geschaffen wurde. Dass man nicht beurteilen soll. Er sagt uns allen, dass man der Armut nicht einfach die kalte Schulter zeigen darf. Von dieser Spiritualität kommt man zu einem neuen zivilen und moralischen Gewissen.

Die weltpolitische Lage schaut aber nicht sehr rosig aus.

Mein Großvater und mein Vater haben beide einen Krieg erlebt, sie haben gehungert, unter einer Diktatur gelebt. Wenn man sich die Welt anschaut, ist es normal, dass es kritische Punkte gibt.

Sie arbeiten ausgerechnet in der Luxusindustrie ...

Es gibt zwei Industrien. Den normalen, industriellen Luxus, und den wahren. Wahrer Luxus muss kreativ sein, es muss Handarbeit dahinterstecken, und eine gewisse Kunst. Epikur sagte, der Mensch braucht nur zwei Dinge: das Wohl des Geistes und ein gutes Verhältnis zu den Dingen. Wir müssen sie gut nutzen, aber nicht übernutzen.

Waren Sie immer glücklich in der Modebranche?

Ich war auch zufrieden, als ich Bauer war und mit meinem Vater die Feldarbeit erledigt habe. Jetzt bin ich reich, aber mein Leben hat sich nicht sehr geändert. Ich wohne wie vor 30 Jahren in meinem Dorf und mag es, mein Geld in Sanierungen zu stecken. Ich möchte ein Hüter eines kleinen Teils der Welt sein. Ich will meine Firma weiterhin leiten, ich glaube an Kapitalismus, aber es muss ein zeitgenössischer Kapitalismus sein, ein humanistischer. An erster Stelle muss der Respekt für die Menschen stehen.

Was ist Ihr Ziel?

Marc Aurel hat gesagt: Man muss leben, als ob es dein letzter Tag wäre, aber sich vorstellen, man würde ewig leben.

ZUR PERSON

Brunello Cucinelli wurde am 3.September 1953 nahe Perugia geboren und studierte Technik. 1978 begann er, bunte Kaschmirpullover zu verkaufen. Er zog nach Solomeo, in das Dorf seiner Frau, kaufte die dortige Burg aus dem 14.Jahrhundert und richtete im Ort Produktion, Firmensitz und ein Kunstforum ein. Nebenbei studierte er Philosophie. Für seinen auf menschlicher Würde basierenden Ansatz erhielt er zahlreiche Preise. Einen großen Teil seines Erlöses aus dem Börsengang steckte er in seine Stiftung, die „die Schönheit“ fördern will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2014)

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