Stoffe: Reste, edel verwertet

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Ein Hamburger Label nutzt die Stoffe, die Luxusmarken nicht mehr verwenden, für seine eigenen Taschen und Accessoires. Und für ein soziales Anliegen.

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Manchmal nimmt auch die Karriere von Stoffen ganz unerwartete Abzweigungen. „Die Stoffe, die wir nutzen, sind oftmals Überreste von Premium-Labels“, erklärt Annika Busse. Gemeinsam mit Andrea Noelle hat sie im Herbst 2012 ein Label für Taschen und Accessoires gegründet, das Beliya heißt. Andere Produkte aus denselben Stoffen, die auch Busse und Noelle verarbeiten, hätten freilich sehr bekannte Namen tragen können: „Escada, Burberry oder Gucci“, zählt die 35-jährige Busse auf. Ein Hamburger Stoffhändler brachte sie und ihre Geschäftspartnerin auf die Idee für ihr Label.

„Er erzählte uns von Retouren und Überschüssen großer Designerhäuser, die es auf dem Markt zu kaufen gibt“, erinnert sich Busse heute. Wenn Premium-Labels nämlich zu viel Stoff für ihre Produktion kaufen oder ein Faden einmal nicht richtig läuft, schicken sie das überschüssige beziehungsweise mangelhafte Material wieder an die Hersteller zurück, die es an andere Abnehmer zu verkaufen versuchen. „Wir können dadurch hochwertige Stoffe in kleinen Mengen kaufen“, sagt Busse. Dies sei von Vorteil, da sie viele unterschiedliche Stoffe für verschiedene Taschenlooks brauche und keine Lagerkapazitäten für kilometerlange Stoffbahnen habe. So fanden Busse und Noelle dann auch schnell ihren ersten brauchbaren Luxusstoff. „Das war ein Baumwollseidengemisch des italienischen Labels Valentino in der Farbe Fuchsia“, erinnert sich Busse. Der leichte Schimmer, die Farbe, ganz besonders aber dessen Festigkeit gefielen ihr. Schließlich brauche ein taschentauglicher Stoff auch eine gewisse Stabilität und Widerstandsfähigkeit.

Strapazierfähig. „Viele der Materialien, die Premium-
Labels nutzen, kommen für uns nicht infrage. Die Designer arbeiten viel mit edlen und unheimlich dünnen Stoffen, die schnell reißen können“, erklärt die 36-jährige Noelle, die bei Beliya für das Design zuständig ist. Aus diesem Grund verarbeiten Noelle und Busse nicht nur Stoffreste aus dem Modeuniversum, sondern etwa auch teure und strapazierfähige Leder aus dem Möbelkosmos. Von einem Hersteller aus dem deutschen Taufkirchen in der Nähe von München. „Wir kaufen von dem Möbelhersteller ausrangierte Sofas auf, legen diese auseinander und nutzen das Leder für die Ecken und Böden unserer Taschen“, sagt Designerin Noelle.

Die Preise der Beliya-Accessoires liegen deutlich unter jenen der Erzeugnisse, die, mit dem richtigen Markennamen versehen, aus denselben Stoffen sonst entstehen. Doch Konkurrenz für die großen Luxuslabels könnten sie gar nicht sein, meint Busse: „Wir erhalten den Großteil der Stoffe schließlich erst, wenn die Kollektionen der Premium-Labels über den Catwalk der internationalen Fashion Weeks gelaufen sind und auch die Produktion abgeschlossen ist.“
Bis schließlich eine neue Tasche von Noelle designt und aus dem Stoff gefertigt wurde, können nochmals mehrere Monate, wenn nicht sogar ein ganzes Jahr vergehen. „Außerdem werben wir auch nicht damit, dass diese Tasche aus Armani-Stoff, jene aus Saint-Laurent-Stoff sei“, ergänzt Noelle.

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Anonyme Herkunft. Die Kundinnen wissen daher nur, dass sie eine Tasche aus Designerstoffen kaufen, nicht aber, an welche Luxusmarke sie denken könnte. Und wofür die Premium-Marken die Stoffe dann letztendlich selbst genutzt haben, wüssten oftmals weder die Kundinnen noch die beiden Modeunternehmerinnen. „Uns wird dies natürlich nicht kommuniziert“, sagt Andrea Noelle. Manchmal kämen aber Kollegen aus der Branche, etwa Stylisten, auf sie zu und verrieten, dass sie den einen oder anderen Stoff, den Busse und Noelle für ihre Taschen nutzen, auch einst auf dem Laufsteg gesehen hätten.

„Das eigentliche Anliegen unseres Labels ist, Bildung in Afrika zu finanzieren“, erklärt Noelle. Nach ihrem Studium der Betriebswissenschaften promovierten die Unternehmerinnen zum Thema Mikrokredite. Dabei stellten beide fest, dass Kinder, die in Afrika lebten und aufgrund der Kredite zur Schule gingen, wiederum ihre eigenen Kinder zur Schule schickten, sodass sich diese Menschen über Generationen hinweg ein besseres Leben aufbauen konnten. Aus diesem Grund unterstützen sie mit dem Verkauf ihrer Taschen Stiftungen, die sich in Tansania, Namibia oder Burundi für die Schulbildung der einheimischen Kinder starkmachen.

Bislang sei bereits das ganze kommende Jahr von rund 500 Kindern finanziert, erzählt Busse. Zu einem Schuljahr gehört dabei nicht nur das Schulgeld, sondern auch Mahlzeiten, die Anfahrt sowie Schulprojekte. Über einen kleinen Anhänger an der Tasche erhalten die Kundinnen Informationen über die Art ihrer Unterstützung und das geförderte Kind. Auch wegen dieses Hintergrunds ist den beiden die Herkunft ihrer Materialien wichtig. „Wir können doch nicht ein soziales Produkt schaffen, dafür aber auf konventionelle, unter unsozialen Bedingungen hergestellte Materialien zurückgreifen“, gibt Busse zu bedenken.

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