Velázquez: Kleider einer Ausstellung

(c) Katsey
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Die Mode-Avantgarde und der Hofmaler: Fünf österreichische
Labels kreieren Outfits für einen Besuch bei Velázquez
im Kunsthistorischen Museum.

Velázquez, endlich! So überschreibt Sylvia Ferino-Pagden, die Direktorin der Gemäldegalerie des Wiener Kunsthistorischen Museums, ihr Vorwort zum Ausstellungskatalog, der die erste derart umfangreiche Velázquez-Retrospektive im deutschsprachigen Raum begleitet. Und aus diesem Ausruf – der Erleichterung? – lässt sich wohl deutlich ablesen, wie willkommen dieser krönende Abschluss einer Kunsthistorikerinnen-Karriere (Ferino-Pagden tritt mit Jahresende ihren Ruhestand an) am Ende eben auch ist.



Velázquez, wirklich?, lautete wohl eher die Reaktion, als sich das Kunsthistorische Museum mit einem einzigartigen Angebot beim „Schaufenster“ meldete: Man würde in den Räumen der Velázquez-Retrospektive fotografieren können und zwar, wenn niemand anderer zugegen sei, die auratisch aufgeladenen Museumshallen zauberhaft einsam daliegen würden. Um den Bogen in die Gegenwart zu spannen und so dem Charakter von Velázquez’ Arbeiten zu entsprechen, über den es ja heißt, er sei seiner Zeit um Jahrhunderte voraus gewesen, lud die Redaktion in der Folge fünf österreichische Modelabels ein, sich von Velázquez’ Werken inspirieren zu lassen und eigene Entwürfe für einen passend ausstaffierten Museumsbesuch zu entwerfen. Michèl Mayer, Hartmann Nordenholz, Demrave, Inga Nemirovskaia und Tiberius ließen sich nicht lange bitten und machten das Schnittzeichenpult zu ihrer Staffelei.

Schattenspiel. Um den formal-ästhetischen Zusammenhang der, wie zu erwarten war, stark divergierenden Entwürfe zu gewährleisten, wurden alle Designer eingeladen, sich nur mit Molino oder einer vergleichbaren Textilstruktur ans Werk zu machen: Molino, das ist ein unbehandeltes Rohgewebe in matt beigem Farbton, mit dem etwa Probemodelle an Puppen erstellt werden, ehe kostspieligere Materialien zum Einsatz kommen.

Michaela Mayer, Designerin des Labels Michèl Mayer, spricht etwa von dem starren, steifen Charakter des Molino-Textils und der „Herausforderung, es in eine weichere Linie zu bringen“. In erster Linie habe sich Mayer inspirieren lassen von der ausladenden Silhouette der Kleider von Infantin Margarita, „der barocken Kleiderform und den sehr glatten, verstärkten Materialien, die ein starres Gerüst widerspiegeln und keinen Spielraum für jegliche Art von Individualität lassen.“

Über die Form der Kleider hinaus dachte Inga Nemirovskaia, die in diesem Jahr für ihre opulenten Strick-Kreationen mit dem Modepreis des Bundeskanzleramtes ausgezeichnet wurde. „Ich habe mir vorgestellt, wie ein Schatten zur Silhouette dieser Kleider aussehen würde – also ein grober Umriss, unregelmäßig, verschoben und flach.“


Freiheitsbegriff. Die Kleidung, die den Körper in Form bringt – durch Korsagen und ausladende Unterrock-Konstrukte: Diesen Punkt heben mehrere der eingeladenen Modemacher hervor. Agnes Schorer, Designerin des Labels Hartmann Nordenholz, geht in ihrer Interpretation noch einen Schritt weiter: „Mir wurde die eigentliche Grausamkeit dieser Bilder bewusst, die von Inzucht und der Heiratspolitik der Habsburger erzählen.“ Ihr Entwurf möchte Elemente der Bilder aufnehmen: „Die monströse Weite von Margaritas Kleidern wirkt wie ein Käfig. Bei meinem Entwurf rutscht sie noch weiter nach oben und wird so fast zu Zwangsjacke.“ Die handschriftlich aufgetragene, in mädchenhaftem Rosa gehaltene Phrase „I am free“, die sich über das Kleid zieht, kann demzufolge nur als ihr Gegenteil gelesen werden.

Gemeinsamkeiten mit der Arbeit von Velázquez und ihrem eigenen Tun finden die beiden jungen Designer Emil Beindl und Markus Binder, die gemeinsam als Demrave firmieren: „Die Strenge und die Üppigkeit des Hofes werden durch kleine Details, Blicke und Gesten, gebrochen“, sagen die beiden über Velázquez‘ höfische Porträts. Das wiederum stelle einen Anknüpfungspunkt mit ihrer Arbeit dar: „Die Faszination an Geschichten, die das Leben schreibt, und solche speziellen, kleinen Momente inspirieren auch unsere Kollektionen.“

Von Kindesbeinen an, als er zum ersten Mal den Prado besuchte, ist Marcos Valenzuela-Abril, der Tiberius-Designer, sozusagen ein Velázquez-Jünger: „Schon da haben mich die Kleiderformen in seinen Porträts beeindruckt. Ich empfand damals wie heute Begehrlichkeit und Ironie in seiner Arbeit, und genau diese Züge wollte ich in meinen Entwürfen aufgreifen.“ Begehrenswert und einzigartig sind in der Tat auch die Entwürfe von Valenzuela-Abril, wie auch jene aller anderen Designer, geworden: Velázquez und Mode, endlich! 

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