„Fashion for Europe“: Europa auf dem Laufsteg

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Zum Auftakt des Song-Contest-Treibens baut ein Event auf dem Rathausplatz interkulturelle Modebrücken.

Das Bindeglied zwischen Life Ball und Song Contest, die demnächst im Staccato aufeinander folgen, ist naturgemäß Conchita Wurst. Die Vorjahressiegerin des europaweiten Gesangswettbewerbs ist inzwischen gewissermaßen zu Wiens Schutzpatronin avanciert, in Werbespots schwärmt sie von Wien als weltoffener, gay-friendly Donaumetropole, für die Life-Ball-Poster wurde sie von Ellen von Unwerth als bärtige Klimt-Muse Adele Bloch-Bauer porträtiert, und bei der Fernsehübertragung des Song Contests wird sie aus dem Backstagebereich berichten.

Zwei glitzer-glamouröse Großevents in Wien, das ist beachtlich: Nur wenige Stunden nachdem die letzten falschen Wimpern der Life-Ball-Feiergemeinde vom Rathausplatz gefegt sind, wird dort das Eurovision Village aufgebaut und die große Eröffnungszeremonie abgehalten. Ein Höhepunkt des Eröffnungsabends soll die Modenschau „Fashion for Europe“ werden, an der Labels aus 14 Song-Contest-Ländern teilnehmen. Ziel des Events namens „Building Bridges with Fashion“ ist laut Veranstalterin Liliana Klein, „den Nationen eine Chance zu bieten, sich mit ihrer Mode einem internationalen Publikum zu präsentieren“ und dem Publikum „die modische Vielfalt zu zeigen, die es in Europa auf den Straßen und auf den Catwalks zu sehen gibt“. Neben etablierten Namen wie Atelier Michalsky für Deutschland, Galia Lahav für Israel und Lena Hoschek für Österreich bietet das Format auch aufstrebenden Labels wie Julian Zigerli aus der Schweiz, Bernard Depoorter aus Belgien und Sanja Matijević aus Montenegro eine Plattform.

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Die Mode ist nicht ortlos. Eine Modenschau „mit nationalem Mascherl“ mutet auf den ersten Blick angesichts der global agierenden Modebranche ein wenig bizarr an: Design, Produktion, Marketing, Vertrieb und Konsum von Mode sind heute weitgehend von nationalen Strukturen entkoppelt. Die globale Expansion von Modemarken sorgt dafür, dass ein relativ uniformer Look für modeaffine Verbraucherkreise von Bangkok bis Bogotá gleichzeitig verfügbar ist. Trotzdem wecken bestimmte Länder und vor allem Städte noch immer starke Assoziationen mit Mode: Paris hat bei aller Globalisierung nichts von seiner modischen Strahlkraft eingebüßt, aber auch Städte wie Mailand, London und New York bürgen für die Glaubwürdigkeit der dort gezeigten, fotografierten oder verkauften Mode. Der Eiffelturm, der Mailänder Dom oder die Hochhausschluchten von Manhattan unterstreichen das Prestige von Werbekunden, Fotostrecken oder Instagram-Feeds. Zugleich schöpfen viele Modehäuser aus dem Reservoir nationaler Zuschreibungen und absolvieren eine Gratwanderung zwischen künstlerischer Inspiration und kitschiger Vereinnahmung ästhetischer Motiven aus ihrer Heimat – man denke nur an den Sakralkitsch von Dolce & Gabbana oder die bretonischen Streifen bei Gaultier.

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Welchen Stellenwert hat ihre Nationalität aber als Inspirationsquelle für die Designer, die bei der „Fashion for Europe“-Modenschau präsentieren? Für Lena Hoschek ist etwa die Frage naheliegend, ist sie doch unter anderem für ihre zahlreichen Dirndl-Interpretationen bekannt geworden. „Traditionen sowie der Erhalt von Handwerkskunst sind mir wichtig“, erzählt die Grazerin, „darum führe ich auch meine Zweitlinie Lena Hoschek Tradition. Dadurch kann ich meine Leidenschaft zur Handwerkskunst leben. Meine Heimat erdet mich und in der Natur kann ich neue Kraft schöpfen.“

Farbenfrohe Folklore. Für Sanja Matijević war das kulturelle Erbe Mazedoniens immer schon ein selbstverständlicher kreativer Impuls. Sie ist fasziniert von den vielfältigen historischen Einflüssen auf die kleinteiligen Ornamente mazedonischer Trachten und möchte in ihrer Arbeit traditionelle Kleidungsstücke auf eine moderne Art und Weise neu auflegen. Ihre Arbeit wie auch jene Hoscheks beweist jeglichem nüchternen Minimalismus zum Trotz, dass farbliche Vielfalt und üppige Details heute noch genauso relevant sind wie in der Verarbeitung von nationalen oder regionalen Trachten. Dies gilt neuerdings auch für Männermode, wie der Schweizer Julian Zigerli mit seinen farbenfrohen Digitaldrucken zeigt. Auf die Frage, wie ihn seine schweizerische Nationalität als Modedesigner beeinflusst, entgegnet Zigerli, die Inspiration „liegt im Blut und in der Art und Weise, wie man groß geworden ist. Die Schweiz war schon immer meine Heimat, aber durch das Glück, einen Piloten als Vater und eine italienische Mutter zu haben, ist die Internationalität genauso wichtig geworden und fest verankert.“

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Abgesehen von der Modenschau bei der heurigen Eröffnungsfeier ist der Song Contest in modischer Hinsicht ja in erster Linie wegen der geballten Ladung an kitschigen Outfits interessant: In sexy Folklorekleidchen, funkelnden Abendroben, glänzenden Sakkos oder engen Glitzertops wird um die Wette gesungen, begleitet von Trampolinspringern, Eiskunstläuferinnen oder tanzendem Gebüsch. Lena Hoschek entpuppt sich als eingefleischter Song-Contest-Fan: Nach ihrer Präferenz für die hypothetische Gestaltung eines nationalen Bühnen-Outfits gefragt, erklärt sie, dass sie am liebsten ausgefallene Außenseiter wie die finnische Heavy-Metal-Truppe Lordi (ESC 2006) oder die russischen Omis Buranowskije Babuschki (ESC 2012) einkleiden würde. Sanja Matijević gibt zu, dass es manche Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit ihren Outfits etwas übertreiben und sie die Kostüme „natürlich am liebsten für Montenegro“ designen würde. Auch Julian Zigerli äußert eine klare Präferenz: „Unbedingt England. Das Land der Popkultur. Da sind den Freiheiten keine Grenzen gesetzt.“ Es bleibt also nur zu hoffen, dass die Modenschau „Fashion for Europe“ ein gutes Omen für den Song Contest wird.

Tipp

„Fashion for Europe“. Am 18. Mai findet die Modeschau auf dem Rathausplatz statt, siehe www.fashionforeurope.com.

Das „Schaufenster“ verlost zwei Eintrittskarten auf Schaufenster.DiePresse.com/win

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