Susanne Bartsch: Königin der Wimpern

Schillernd. Susanne Bartschs Sammlung passt längst nicht mehr in ein Appartement.
Schillernd. Susanne Bartschs Sammlung passt längst nicht mehr in ein Appartement.(c) Steven Menendez
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Susanne Bartsch, die Partyikone der Achtziger- und Neunzigerjahre, zeigt im New Yorker Fashion Institute of Technology erstmals große Teile ihrer erstaunlichen Kleiderkollektion.

Frauen und sicher auch so mancher Mann wollen mit Susanne Bartsch meist nur über das Eine reden: ihre Wimpern. Wie bleiben diese dort, wo sie hingehören? Wie lang dauert das Montieren dieser kleinen Kunstwerke? Und wieso legt sie sich nicht gleich permanente falsche Wimpern zu? Susanne Bartsch bleibt bei diesen Fragen stets freundlich und antwortet mit sanfter, rauchiger Stimme: „Ich möchte nicht jeden Tag dasselbe tragen.“ Die Wimpern, sie gehören bei Bartsch zum Outfit wie die ondulierten, manchmal zu beeindruckenden Türmen drapierten Haare, die opulente Ringparade an ihren zehn Fingern und die verspielten Taschen. Am Eröffnungstag ihrer ersten eigenen Ausstellung im New Yorker Fashion Institute for Technology trug sie eine schwarze Clutch in Form einer Pistole, die ihr ein Fan zukommen ließ. Ein ironisches Statement zur amerikanischen Waffenpolitik? Alles an ihrem Äußeren ist sorgfältig komponiert, nichts dem Zufall überlassen. Seit drei Jahrzehnten gehört die zierliche gebürtige Schweizerin mit ihren extravagant-verrückten Kleidern und ihren legendären Partys zur New Yorker Underground-Szene. Wegen der Liebe zu Künstler Patrick Hughes zog sie 1981 nach einem guten Jahrzehnt in London nach New York, eröffnete ihre erste Boutique in Soho und importierte als Erste Kleider von Vivienne Westwood und anderen britischen Designern. Weil sie deren Mode in den USA vermisste. Mitte der Achtzigerjahre hat sie begonnen, zusätzlich Partys zu veranstalten, bis heute lädt sie zu verschiedensten Veran-staltungsreihen. Etwa zu On Top auf das Dach des New Yorker Hotels The Standard im Meatpacking District.

Nightlife Queen. Das Geheimnis ihrer Ausdauer bei vier bis fünf wöchentlichen Partynächten und im, wie sie sagt, sechsten (vermutlich aber eher siebenten) Lebensjahrzehnt, kommt in fast jedem Porträt über sie zur Sprache: Sie raucht und trinkt nicht („Maximal ein Glas Champagner“), nimmt keine Drogen und
keinen Zucker zu sich und geht dreimal die Woche ins Fitnesscenter. Die „Nightlife Queen“, wie sie auch genannt wird, ist clean. Ihr Love Ball, den sie Anfang der Neunzigerjahre viermal veranstaltete und bei dem sie 2,5 Millionen Dollar für die Bekämpfung von Aids sammelte, inspirierte Gery Keszler ein paar Jahre später, den Life Ball in Wien zu organisieren. Bartsch und einige ihrer engsten New Yorker Freunde sind bis heute Stammgäste der Wiener Aids-Charity im Wiener Rathaus.

Ihr perfektes Englisch hat immer noch einen deutlichen Schweizer Einschlag. Die Schweiz besucht Susanne Bartsch aber nur mehr ein- bis zweimal pro Jahr. Wobei sie sagt, sie möge und schätze das Land und sei sich ihrer europäischen Wurzeln bewusst. Aber sie lebt und liebt eben New York mit Leib und Seele. In ihrem 35. Jahr am Hudson River gibt ihr die Stadt ein bisschen etwas von dieser Liebe zurück. Im Fashion Institute of Technology (FIT) ist seit September erstmals ein Teil von Bartschs Kleiderkollektion in der Schau „Fashion Underground“ zu sehen. Passend zum Titel wird der Besucher in das Untergeschoß des Museums gelotst, das an die gleichnamige Mode- und Technikuniversität angeschlossen ist.

An die 100 Ensembles aus über drei Jahrzehnten werden hier ausgestellt. Noch einmal so viele habe sie zu Hause, erzählt Bartsch. Ihr Sohn, heute 20, habe sich als Achtjähriger gern lustig gemacht über die Outfits seiner Mutter und sie „einen Freak“ genannt. Den Großteil der Kleider hat sie selbst getragen, die Designer kennt sie jedenfalls alle persönlich. Von John Galliano und Jean Paul Gaultier über Patricia Field bis zu Zaldy Goco, ihrem aktuellen Lieblingsdesigner. Sein pastellfarbenes, knappes Paillettenspitzenkleid trug sie am Eröffnungsabend der Ausstellung  – zu lavendelfarbenen, löchrigen Strümpfen, goldenen Plateauschuhen und farblich abgestimmten Schmetterlingswimpern. Mit Patricia Field will sie noch heuer eine eigene Linie für extralange falsche Wimpern herausbringen. Ihre Kleidersammlung passt längst nicht mehr in ihr Appartement – obwohl eines ihrer Badezimmer zum Lagerraum wurde. „Dort, wo die Vivienne-Westwood-Schuhe lagern, war früher eine Toilette.“

Verschiedene Kulissen. In der Ausstellung stehen die
kostümierten Schaufensterpuppen Schulter an Schulter. Kuratorin und FIT-Direktorin Valerie Steele hat sie in unterschiedliche Kulissen gesetzt: Einmal sollen sie den früheren Shop in Soho nachempfinden, einmal das Appartement im Chelsea-Hotel, der größte Raum ist wie ein Club mit runden Tanzpodesten angelegt. In den New Yorker Nachtclubs hatten die meisten der gezeigten Entwürfe aus Papier, Latex oder mit Pailletten, oft mit Hut, Schleier oder Maske ihre großen Auftritte. Auch ihr Hochzeitskleid, ein rosafarbener Catsuit aus Leder unter einem gigantischen, ei-förmigen Schleier, entworfen von Thierry Mugler, ist in der Clubsektion ausgestellt. Geheiratet hat Bartsch 1995 den um zwei Köpfe kleineren Fitnesstempel-Gründer David Barton. Er ist vermutlich bis heute verantwortlich für ihre Disziplin beim Trainieren. Das Paar hat sich vor einigen Jahren getrennt, ist aber noch befreundet. Bei der Ausstellungseröffnung war Barton ebenso anwesend wie Designer Calvin Klein, Transgender-Star Amanda Lepore und Bill Cunningham, der bekannte Fashionfotograf der „New York Times“.

Die Kleider in „Fashion Underground“ sind erstaunlich zeitlos – viele der ausgefallenen Entwürfe könnten als Bühnenoutfits von Stars wie Lady Gaga durchgehen. Die erstmals ausgestellte Sammlung zeigt einen Querschnitt von Bartschs Schaffen. Ihr Metier ist nicht das Modeentwerfen, sondern das Modearrangieren und -inszenieren. Da steckt viel vom Geist der Punkbewegung aus den 1970er- und 1980er-Jahren in den Ensembles, die auf den ersten Blick alles andere als alltagstauglich aussehen. Für Valerie Steele vom FIT ist die Ausstellung das Gegenstück zur homogenen Modewelt der Gegenwart. „Der Exzess aus früheren Jahrzehnten ist verschwunden. Bartsch erinnert uns daran, dass das Freakige, Exzentrische, Bunte auch ein Aspekt der Mode sein kann.“

Die Kreateurin der fantasievollen Kleiderkompositionen klingt etwas bescheidener. So sagt Bartsch, sie habe nie darüber nachgedacht, dass das, was sie gern tut, ein Beruf sein könnte. Das sei einfach passiert. Schon mit acht war sie sehr darauf bedacht, was sie wie tragen konnte. „Zur Verwunderung meiner Eltern wollte ich unbedingt in einem Secondhandgeschäft einkaufen. Das galt damals aber noch als Zeichen für Armut.“ Irgendwann habe sie bemerkt, dass das Kleiden und Sichver-kleiden eine Kunstform ist wie das Entwerfen von Mode.

Spielräume. Zuerst war da die Mode, erst dann das Organisieren von Partys. Bartsch schuf für sich und ihre Club-Kids Spielräume, in denen sie ihre Lust am Verkleiden ausleben konnten. Deshalb lässt sie den Vergleich mit dem legendären New Yorker Club Studio 54 nicht gelten. Dort sei es zwar ebenso ums Sehen und Gesehenwerden gegangen, doch die Kleidung sei dabei nebensächlich gewesen, sagt sie. Bei ihren Partys aber stehe die Mode, das Inszenieren im Vordergrund. Vom Gesehenwerden kann die Künstlerin auch in der digitalen Welt nicht genug bekommen. Ihr Instagram-Profil Bartschland befüllt sie täglich mehrmals. Und am Eingang zu ihrem „Fashion Underground“ im New Yorker Museum heißt es auf einem großen Schild ausdrücklich: „Fotografieren erlaubt!“

Tipp

„Fashion Underground: The World of Susanne Bartsch“. Bis 5. Dezember 2015 im FIT – Fashion Institute of Technology, Manhattan, 7th Avenue/ 27 Street. Di bis Fr 12–20  Uhr, Sa 10–17 Uhr.
Eintritt frei.
www.fitnyc.edu/

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