Pelz: Eine haarige Sache

Fell, nicht Pelz. Nur mit Lammfell arbeitet der Wiener Designer Petar Petrov.
Fell, nicht Pelz. Nur mit Lammfell arbeitet der Wiener Designer Petar Petrov.Beigestellt
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Darf man Lammfell guten Gewissens tragen, oder recycelten Nerz? Und wie steht es um den Pelz von Wildtieren? Pelz polarisiert wie kaum ein anderes Modethema und macht differenzierte Betrachtungsweisen nötig.

Zur Feier der 40-jährigen Zusammenarbeit mit Karl Lagerfeld lud das Maison Fendi im vergangenen Juli zu seiner ersten Haute-Fourrure-Modeschau in Paris. Der Schauplatz wurde von der Presseabteilung so lang wie möglich geheim gehalten, denn man wollte verhindern, dass es zu Protesten vor dem Veranstaltungsort kommen würde. Und doch verbreitete sich unter Tierschützern die Kunde dann schnell genug, um eine Sperrung der Avenue Montaigne vor dem Théâtre des Champs-Élysées durch die Polizei notwendig zu machen. Solche Störaktionen durch Anti-Pelz-Aktivisten gab und gibt es immer wieder, auch wenn sich prominente Befürworter, allen voran „US Vogue“-Chefredakteurin Anna Wintour, davon zumeist wenig beeindrucken ließen. Und selbst wenn Pelz weiterhin polarisiert wie kaum ein anderes Modethema, ist in den Winterkollektionen der Luxusmarken davon so viel zu finden wie seit Langem nicht.

Orientierungshilfe. Ist die Empörung über schockierende Bilder aus Pelzfarmen, die in den Achtzigerjahren erstmals aufgetaucht sind und das ausgelöst haben, was manche Kürschner salopp als den Pelzcrash bezeichnen, also mittlerweile abgeklungen? Konsumieren Endverbraucher gar besseren Gewissens Pelz, seit es in diesem Bereich Qualitätszertifikate gibt und Farmen in Europa oder Nordamerika offizielle Standards einhalten? „Es ist unser Eindruck, und auch mit Zahlen belegbar, dass der Absatz von Pelz in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat“, sagt Indra Kley, Leiterin des Österreich-Büros der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Sie ergänzt: „Die Verbreitungsform hat sich geändert. Vollpelz ist weniger wichtig; für reißenden Absatz in der Industrie sorgen vielmehr Accessoires und Zierelemente. Es gibt unglaublich viele Jacken mit Echtpelzkrägen oder -kapuzen, Bommel auf Beanies, Applikationen auf Schuhen. Pelz erreicht im Fashionsegment heute ein anderes Publikum als früher.“ Aus Perspektive der Tierschützer sei Pelz in all seinen Facetten abzulehnen, unterstreicht Kley, denn „es gibt keinen ethisch vertretbaren, mit hohen Tierschutzstandards produzierten Pelz“. Sie gibt sich, konform mit der Linie ihrer und anderer vergleichbarer Organisationen, zudem skeptisch, was die Zertifizierung von Pelzfarmen, etwa durch die skandinavische Züchtervereinigung Saga Furs, betrifft.

Nerz, nicht neu. Zu Green Fur zählt für Marcel Jouja etwa Recycling-Nerz.
Nerz, nicht neu. Zu Green Fur zählt für Marcel Jouja etwa Recycling-Nerz.Beigestellt

Um Konsumenten die Orientierung zu erleichtern, unterstützt auch Vier Pfoten vielmehr die von der Fur Free Alliance herausgegebene Liste sogenannter Fur Free Retailer: Alle hier vertretenen Marken und Handelsketten verpflichten sich, keinen Pelz – in welcher Form auch immer – in ihrem Sortiment zu haben. „Eine solche Positivliste ist ein hilfreicher Ansatz für die Endverbraucher“, gibt sich Indra Kley überzeugt. Zu den bekanntesten vertretenen Marken zählt, neben Riesen wie H&M oder C&A, die deutsche Modefirma Marc O’Polo, deren COO, Andreas Baumgärtner, gegenüber dem „Schaufenster“ anmerkt: „Wir setzen schon seit Jahren keinen Pelz mehr ein, darum dürfte der Beitritt zum Fur-Free-Retailer-Programm für unsere Kunden keine große Überraschung gewesen sein.“ Auch er sieht dieses Verzeichnis als Orientierungshilfe sowie als „Garantie, dass etwa Kapuzenbesätze von unbedenklicher Herkunft sind“. Eine Selbstverpflichtung durch die Firma hat für Baumgärtner jedoch nicht nur als Signal an die Konsumenten Bedeutung: „Man kann Dinge tun, um den Kunden gerecht werden, doch man sollte als Unternehmen in erster Linie Entscheidungen treffen, die den eigenen Überzeugungen entsprechen. Wir lehnen es ab, dass Tiere, die keine Nutztiere sind, nur gezüchtet werden, um Kleidung zu verschönern.“

Echt jetzt? Marc O’Polo verzichtet als Fur Free Retailer auf Echtpelz.
Echt jetzt? Marc O’Polo verzichtet als Fur Free Retailer auf Echtpelz.Beigestellt

Faux oder Fell? Das Stichwort des Nutztiers ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, denn die Verarbeitung von Lammfell ist zum Beispiel kein Ausschlussgrund aus der Liste der Fur Free Retailer. Für Veganer oder Vegetarier ist das in dem Zusammenhang zwar wohl kein Milderungsgrund, doch wird die Zurichtung der Felle von Nutztieren gemeinhin weniger tabuisiert. Auch der Wiener Modedesigner Petar Petrov, in dessen Winterkollektion sich auffällige Felljacken und -mäntel in starken Farben finden, unterstreicht: „Es ist mir wichtig zu betonen, dass wir ausschließlich Lammfell verarbeiten. Das sind Nutztiere, die zu hundert Prozent aus Europa stammen. Ich möchte keinesfalls als pelzverarbeitender Designer in die Kritik geraten. Auch, weil ich völlig hinter den Aussagen von Tierschutzorganisationen stehe“, so Petrov. Mit der Anmutung von Pelz zu spielen, finde er hingegen faszinierend, denn „ich wollte etwas Spannendes, Modernes machen, ohne wirklich mit Pelz zu arbeiten“. Die Nachfrage nach diesen Lammfellmodellen habe in den vergangenen Saisonen kontinuierlich zugenommen, weshalb er sich auch ständig nach neuen Lieferanten des Materials umgesehen habe. „Für den kommenden Winter arbeiten wir wieder an etwas Neuem, diesmal soll es wieder mehr in Richtung Lammoptik gehen.“ Die auffällige Färbung der Felle habe in der Vergangenheit, so Petrov, immer wieder dazu geführt, „dass manche annahmen, die Kollektionsteile seien aus Faux Fur“. Auch die Ästhetik von Pelzmode kann für Verwirrung sorgen.

Nochmals neue Denkanstöße ergeben sich, wenn man der Argumentation des Wiener Kürschners Marcel Jouja folgt: Seit drei Generationen gehen die Joujas diesem Handwerk nach, Marcel Jouja, der mit seiner Geschäftspartnerin Nina Eiber gemeinsam das Label EnVie betreibt, möchte kommendes Jahr die Meisterprüfung ablegen. Sein Ansatz unterscheidet sich aber von jenem vorangehender Generationen: „Für mich war immer klar, dass ich einen eigenen Weg verfolgen möchte. Ich arbeite ausschließlich mit recyceltem Pelz, Wildtieren und Schädlingen – also definitiv keinem Tier, das wegen seines Pelzes gezüchtet und getötet wurde.“ Schon früh sei ihm klar geworden, dass Menschen einer jüngeren Generation sich nicht mehr zwingend einen Vollpelzmantel aus Nerz um mehrere tausend Euro als Statussymbol zulegen wollen. „Das ist eine Einstellungssache“, sagt er. Die Faszination für das Material wurde ihm aber quasi in die Wiege gelegt, und er suchte alternative Optionen: „Das Konzept des ökologischen Fußabdrucks ist mir wichtig, also auch ressourcenschonendes Arbeiten. Einen existierenden Pelzmantel umzuarbeiten oder ihn zum Futter eines Parkas oder einer Bomberjacke zu machen ist Teil dieses Ansatzes.“

Kuschelkurs. Viele Vollpelzlooks waren in  dieser Saison zu sehen, etwa von Fendi Haute Fourrure.
Kuschelkurs. Viele Vollpelzlooks waren in dieser Saison zu sehen, etwa von Fendi Haute Fourrure.Beigestellt

Wissen bewahren. Ähnlich verhalte es sich mit gejagten Wildtieren – auch Rotfüchsen. An die 70.000 davon würden allein in österreichischen Jagdrevieren zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts geschossen, wenngleich nur um die 200 von ihnen zu Zurichtern kämen. „Das Fell von einem wilden Rotfuchs ist zwar vielleicht weniger schön als jenes von Zuchttieren, dafür hat es aber eine ganz andere Energie.“ Jouja plädiert gerade in der Auseinandersetzung mit Pelz für eine differenzierte Sichtweise. „Unter meinen Kunden finden sich auch Vegetarier und Veganer, die meinen Ansatz nachvollziehen können.“ Bei Liska, einem der etabliertesten Wiener Kürschnerunternehmen, setzt man indessen auf Handwerk und Materialkenntnis: „Unsere Kunden wissen, dass sie sich auch lang nach dem Kauf auf uns verlassen können“, sagt Liska-Sprecherin Birgit Seiwald. „Wir bilden außerdem junge Kürschner aus und bemühen uns sehr darum, das traditionelle Wissen des Handwerks in der Kürschnermetropole, als die Wien gilt, so gut wie möglich zu bewahren.“

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