„Transfashional“: Unbestimmtes Modemosaik

Zerstörung und Erinnerung. In „An invisible wardrobe“ und „Unmaking“ zeigt Lara Torres ihre Sicht auf die Modeindustrie.
Zerstörung und Erinnerung. In „An invisible wardrobe“ und „Unmaking“ zeigt Lara Torres ihre Sicht auf die Modeindustrie.(c) Bartosz Górka
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Das Ausstellungsformat „Transfashional“ bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Mode und Kunst – transdisziplinär und transnational.

Den Hals gereckt, die Arme angewinkelt und mit den Fingern vor dem Körper vom Bauch bis zum Hals in kleinen Bewegungen vorarbeiten. Nochmals die Schultern hochziehen und den Rücken straffen. Fertig. Zugegeben, vom Schreiben allein wird nicht ganz klar, was Lara Torres mit ihrem Film „Unmaking“ vorhat. Beim Blick auf das Bewegtbild sieht man jedoch gleich, dass es sich um das Zuknöpfen eines Hemdes handelt. Auch ohne Stoff und Knopfleiste.

„Unmaking“ ist eine der Arbeiten von Künstlern, die momentan im Ujazdowski Castle Centre for Contemporary Art in Warschau gezeigt werden. Neben Torres, die auf dem London College of Fashion studiert, sind auch Arbeiten von Absolventen der Angewandten in Wien und der Warschauer Kunstuniversität zu sehen. Initiiert wurde die Ausstellung „Transfashional“ vom Österreichischen Kulturforum Warschau in Zusammenarbeit mit Barbara Putz-Plecko, der Vizerektorin an der Angewandten, und der international tätigen Kuratorin Dobrila Denegri. „Ich wollte mich auf etwas konzentrieren, was sich nicht in vordefinierte Kategorien einordnen lässt und auch keine richtige Terminologie hat, denn das löst Nachdenken aus“, erklärt Denegri bei einer Ausstellungsbegehung in Warschau. Das Kunstwort „Transfashional“ wurde schlussendlich als Mischung von „trans“ im Sinne von „überwinden“ und „darüber hi­nausgehend“ sowie Fashion als Haltung entwickelt. Die Ausstellung soll eine Art Labor sein, in dem die Ergebnisse des kollektiven Nachdenkens präsentiert werden.

Performance und Färbetechnik. Christina Dörfler-Raab und Jasmin Schaitl haben für „Excuse my Dust Series – extended“ zusammengearbeitet.
Performance und Färbetechnik. Christina Dörfler-Raab und Jasmin Schaitl haben für „Excuse my Dust Series – extended“ zusammengearbeitet. (c) Bartosz Górka

Dem voraus ging ein Workshop an der Schnittstelle zwischen Mode und Kunst mit Hussein Chalayan, der die Modeklasse der Angewandten leitet, aber unter anderem auch mit Susanne Neuburger, Kuratorin des Mumok. Nach einer Ausstellung im Zuge der London Fashion Week und jetzt in Warschau wird „Transfashional“ im Dezember Station in Wien machen. Weiterentwicklungen, das Aufeinander-Bezug-Nehmen und das kollaborative Arbeiten können so noch stärker ins Zentrum gerückt werden. „Es ist transnational, transkulturell, transdisziplinär. Jeder geht an die Grenzen seiner eigenen Arbeitsroutine, und das ist sehr fruchtbar“, so Barbara Putz-Plecko, die an der Angewandten der Klasse Textil – Freie, angewandte und experimentelle künstlerische Gestaltung vorsteht.

Konsumkritik. Torres’ Arbeit widmet sich der Dekon­struktion und dem Zerstören, greift damit metaphorisch die Produktionsbedingungen von Mode in der Wegwerfgesellschaft auf. „Es ist ein Kommentar dazu, wie wir heutzutage mit Mode umgehen. Etwa zu Fast Fashion, bei der die Stücke gleich wieder weggeschmissen werden und wir keine wirkliche Verbindung mehr zu ihnen haben“, erklärt die Künstlerin, die zuvor als Modedesignerin gearbeitet hat. Auf Ähnliches beruft sich auch Christina Dörfler-Raab, die die Textilklasse der Angewandten absolviert und sich auf experimentelle Färbetechniken spezialisiert hat. Auch sie stellt sich die Frage nach dem Wert von Mode. Der Überproduktion stellt sie eine Skulptur aus Stoff und Bleiche entgegen, mit einer Performance in Zusammenarbeit mit Jasmin Schaitl dekonstruiert sie die Produktionsbedingungen: Auf einem schwarzen Stoff, der mit Mehlpaste bestrichen ist, bewegt sich Schaitl ganz langsam, was die entschleunigte Arbeitsweise repräsentieren soll. Auf den Stoff, der durch den Körper bearbeitet wird, wird anschließend Chlorbleiche aufgetragen, wodurch in weiterer Folge ein Muster entsteht.

Identität in Schwarz und Weiß. Grafikdesigner Maximilian Mauracher hat in seinen Flaggen Bezug auf andere Arbeiten genommen.
Identität in Schwarz und Weiß. Grafikdesigner Maximilian Mauracher hat in seinen Flaggen Bezug auf andere Arbeiten genommen. (c) Bartosz Górka

Identitätsstiftend. Afra Kirchdorfer, ebenfalls Absolventin der Textilklasse der Angewandten und Schneidermeisterin, stellt sich die Frage nach der Körperlichkeit. Sie hat ein modulares System entwickelt, das das strenge Maßsystem in der Mode mit strikten Regeln – man denke etwa an Kleidergrößen und das Schnittzeichnen – radikal entkoppelt. Als Bausteine fungieren die modularen Teile, die sich jeder Körperform anpassen. „Die Möglichkeiten sind wirklich endlos. Mit etwa zehn Modulen, die leicht zu beschaffen sind, kann ich alles erschaffen“, erklärt Kirchdorfer.

Mode ist aber nicht nur untrennbar mit dem Körper, sondern oftmals auch mit Identität verbunden. Maximilian Mauracher, der an der Angewandten Grafikdesign studiert hat, stellt dieser Idee Flaggen gegenüber. „Nationalflaggen drücken ganz stark Identität aus, aber hier habe ich Referenzen an andere Arbeiten der Ausstellung in meine Sprache, meinen visuellen Stil übersetzt.“ Bezug nimmt er etwa auf die Arbeit von Manora Auersperg, ebenfalls Absolventin und Lehrende der Textilklasse der Angewandten, die die Raumpläne der verschiedenen Ausstellungen durch das Herausziehen einzelner Fäden, einer alten Technik, mit der man eigentlich Spitze erstellt, auf eine textile Oberfläche bringt. In einem zweiten Teil ihrer Arbeit hat sie alle Künstler interviewt und schreibt die Antworten fragmentiert in der jeweiligen Landessprache auf.

Fadenspiele. Manora Auersperg macht die Ausstellungsräumlichkeiten und Kunstpositionen selbst zum Objekt künstlerischer Analyse.
Fadenspiele. Manora Auersperg macht die Ausstellungsräumlichkeiten und Kunstpositionen selbst zum Objekt künstlerischer Analyse.(c) Bartosz Górka

Ob das Projekt wie ursprünglich angedacht im Dezember in Wien sein Ende finden wird, ist unterdessen noch nicht klar. Anfragen von Museen und Kunstuniversitäten sprechen eher dafür, dass das Projekt in verschiedene Richtungen erweitert wird. Länder wie Schweden, Spanien und sogar China haben bereits ihr Interesse signalisiert, berichtet Putz-Plecko: „Hier sieht man ganz gut, dass, wenn jeder ein Stück aus seinem gewohnten Handeln herausgeht – eben nicht nur ein Thema, eine Ausstellung, ein bestimmtes Spielfeld –, sich dann ein Schneeballeffekt entwickeln kann.“

Die Autorin reiste auf Einladung des Österreichischen Kulturforum Warschau nach Warschau.

Tipp

Die Ausstellung „Transfashional“ ist noch bis 4. Juni im Centre of Contemporary Art Zamek Ujazdowki  in Warschau zu besichtigen. Anfang Dezember macht die Ausstellung dann in Wien Station. www.transfashional.com

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