„Wir wollen Wien zum Silicon Valley der Mode machen“

Datenbank. 12.000 Models, 6500 Marken und 3500 Magazine.
Datenbank. 12.000 Models, 6500 Marken und 3500 Magazine.(c) Beigestellt
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Mit Big Data und künstlicher Intelligenz kann das Wiener Start-up IFDAQ
den Wert von Marken, Models und Co. errechnen und damit auch österreichischen Jungdesignern unter die Arme greifen.

Model, Mode, Location. Pose, Gesichtsausdruck, Make-up und Frisur. Beim Durchblättern einer Modestrecke in einem Magazin achtet man als Leser auf eines oder mehrere dieser Dinge. Vielleicht möchte man auch noch wissen, von welchem Designer ein bestimmtes Kleidungsstück stammt, möglicherweise interessiert man sich auch für den Fotografen. Nur wer selbst in der Modeindustrie arbeitet, wird wissen wollen, wer und was sonst noch den Mikrokosmos, den man für ein Shooting braucht, ausmacht. Das Wiener Start-up-Unternehmen IFDAQ (International Fashion Digital Automated Quantification) sieht jedenfalls genauer hin. Viel genauer: Jedes Bild der Modeshootings in den über 3500 internationalen Magazinen, die sich in der Datenbank befinden, wird mithilfe von Algorithmen und künstlicher Intelligenz analysiert, kategorisiert und in Tabellen eingeordnet. Bis hin zum Haarreifen, den das Model trägt.

Macht messen. 2008 entstand IFDAQ als Forschungsprojekt aus einer Zusammenarbeit mit der Modedatenbank FMD (Fashion Model Directory), 2016 wurde daraus ein Start-up, im Herbst will man damit nun auch Geld verdienen. Schon jetzt arbeiten 100 Unternehmen, etwa die Luxus-Onlineshop-Gruppe Yoox-Net-a-Porter, der Verlag Condé Nast, der Versandhandel Otto oder das Label Diesel mit IFDAQ zusammen. „Wir stellen Analysen und Einsichten zur Verfügung, die normalerweise vier bis fünf Leute intern in einem großen Unternehmen stunden, wochen- oder sogar monatelang erforschen. Wir haben ein automatisiertes System, das die Arbeit übernimmt“, ist Gründer Daryl de Jori stolz.

Untersuchung. Bilder werden bei  IFDAQ zu Datenpunkten.
Untersuchung. Bilder werden bei IFDAQ zu Datenpunkten. (c) Beigestellt

Das System schafft Transparenz, indem Einfluss und Macht der einzelnen Teilnehmer der Modeindustrie – vom globalen Modekonzern bis zum Model – bewertet werden. Dafür werden neben Modestrecken auch andere Leistungen wie Runway-Shows, Kataloge, Werbekampagnen und Magazincover herangezogen. Daraus ergeben sich die vielen Anwendungsbereiche und Werte, die bisher nicht messbar waren. Wie etwa das Prestige einer Marke oder auch, welche Labels in Zukunft besonders gefragt sein werden. „Die Gruppe Yoox-Net-a-Porter hat 16.000 Marken im Portfolio. Mit IFDAQ kann man analysieren, welche nicht mehr ganz so trendy sind, und das Portfolio überarbeiten“, erklärt Iva Mirbach, Modedatenwissenschaftlerin und Chefredakteurin der Datenbank FMD.

Start-up hilft Start-up. Nicht nur große Marken, sondern auch Start-ups sollen davon profitieren. „Man kann das Risiko als junges Unternehmen minimieren, indem man früher erkennt, was nötig ist, damit man nicht vom Markt verschwindet“, so de Jori. Denn aus den Daten lasse sich auch die eine oder andere Erfolgsstrategie herauslesen. Schon die Auswahl des richtigen Models kann ausschlaggebend sein, dann nämlich, wenn ein Spill-over-Effekt entsteht, der den Influencer-Wert eines Models auf das Magazin oder das Unternehmen misst. Wien eigne sich für Experimente dieser Art besonders gut, da IFDAQ direkt an der lokalen Wirtschaft ausprobiert werden kann. Denn man hat ambitionierte Ziele: „Die Mode- bzw. die Kreativwirtschaft hat noch ein riesiges Potenzial. Wir wollen Wien zum Silicon Valley der Mode machen.“

Know-how. Das  IFDAQ-Team hat große Ziele. V. l. n. r.: Raimund Homann, Markus Übeleis, Iva Mirbach, Daryl de Jori, Fréderic ­Godart.  www.ifdaq.com
Know-how. Das IFDAQ-Team hat große Ziele. V. l. n. r.: Raimund Homann, Markus Übeleis, Iva Mirbach, Daryl de Jori, Fréderic ­Godart. www.ifdaq.com(c) Beigestellt

Dafür will das Start-up mit internationalen Partnern das Modeforschungsin­stitut Fashion Forward auf die Beine stellen und auch die WU und Jungdesigner mit ins Boot holen. „Hier bietet sich ein völlig neues Forschungsfeld, das es bisher noch nicht gegeben hat“, weiß der IFDAQ-Gründer. Während die Wirtschaftsuniversität schon Interesse angemeldet hat, muss man bei den Wiener Modelabels noch Überzeugungsarbeit leisten. „Wenn es um Daten geht, sind alle sehr empfindlich. Aber im Endeffekt nutzen alle Google Maps oder Skyscanner, um einen günstigen Flug zu finden“, so Mirbach.

Der Plafond ist auch für IFDAQ noch nicht erreicht. Das System wird laufend – auch nach dem Feedback der Testkunden – weiterentwickelt. Der bisherige Erfolg gibt den Betreibern recht: Unter 1000 Bewerbern der Start-up-Initiative Intesa Sanpaolo kam IFDAQ ins Finale und beim Accenture Global Fashion Hub wurde das Wiener Unternehmen als Most Innovative Fashion Start-up ausgezeichnet. Noch – und so hofft das zwölfköpfige Team –, noch länger hat das Projekt viele Alleinstellungsmerkmale. Und auch wenn sich momentan alles um Datenanalyse dreht, so Iva Mirbach: „Big Data ist nicht gleich Big Data. Es nutzt nichts, Chanel mit H&M zu vergleichen.“

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