Ethno-Mode: Modenomaden auf Schatzsuche

Gutes tun. Jeanne de Kroon lässt Kleider mit ­alten Ikat-Stoffen von einer indischen NGO fertigen. Zu ihren Kunden gehören auch Promis wie Heike Makatsch.
Gutes tun. Jeanne de Kroon lässt Kleider mit ­alten Ikat-Stoffen von einer indischen NGO fertigen. Zu ihren Kunden gehören auch Promis wie Heike Makatsch.(c) Stefan Dotter
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Ursprüngliche Ethno-Mode sieht nicht nur gut aus, sondern hilft auch den Menschen vor Ort.

Mit Luxuskleidung die Welt verändern, das hat sich die niederländische Neu-Unternehmerin Jeanne de Kroon zur Aufgabe gemacht. Dabei ist sie keine reiche Erbin, die mit der Organisation von Charity-Veranstaltungen ihre Tage füllen möchte. Vielmehr arbeitet sie mit einer indischen NGO zusammen, die die Situation von Frauen verbessern will. Diese nähen ihre farbenfrohen Kaftankleider, die sie in Deutschland sowie online vertreibt und die seit der Markteinführung im Mai dieses Jahres stark nachgefragt werden und meistens innerhalb von zwei Tagen ausverkauft sind. Was auch kein Wunder ist, denn von einer Massenproduktion ist man weit entfernt. „Die NGO ist sehr klein und das Nähen der Kleider auch nur ein Teil ihrer Arbeit. Jede Frau schafft im Monat ein oder zwei Stück. Aber damit hat sie ein Einkommen über der Armutsgrenze“, erzählt de Kroon, die Politik und Philosophie studiert hat und kurze Zeit als Model arbeitete. Der große Erfolg überrascht sie selbst, immerhin hat sie ohne Hintergrundwissen relativ naiv mit sieben Kleidern und 500 Euro begonnen, ihr Label Zazi Vintage zu gründen. Mittlerweile können 60 Kleider im Monat gefertigt werden.

Sammlerin. Silvia Gattin verfolgt seit 2010 das Motto „Where fashion meets travel“. Seit ­Kurzem auch mit einem eigenen Shop in Wien.
Sammlerin. Silvia Gattin verfolgt seit 2010 das Motto „Where fashion meets travel“. Seit ­Kurzem auch mit einem eigenen Shop in Wien. (c) Beigestellt

Vintage-Unikate. Die Nachproduktion ist eine Herausforderung. „Ich lasse keine weißen T-Shirts fertigen, von denen ich gleich 200 gleiche haben könnte, sondern bunte Kleider. Jedes ist ein Einzelstück und alle sind aus alten Stoffen gefertigt“, berichtet sie. Um hochwertige Vintage-Ikat-Stoffe aus Usbekistan, der Mongolei und Afghanistan zu finden, muss man erst ein Netzwerk aufbauen. „Manchmal gibt es auch politische Probleme und die Taliban versperren eine Straße. Dann kann der Stoff nicht geliefert werden“, erzählt sie von den Schwierigkeiten. Dazu kommen lokale Festivals – „die gibt es in Indien gefühlt alle zwei Tage“ – und dann liegt die Produktion für eine Woche auf Eis. Nähmaschinen haben in Indien zwar fast alle Frauen, da dies ein traditionelles Hochzeitsgeschenk ist, mitunter stammen diese jedoch noch aus den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. „Für den deutschen Markt ist das nicht ideal. Die Qualität muss stimmen“, weiß de Kroon. Weiterbildungen sind deshalb ein Muss. Auch wenn es um Dinge wie Reißverschlüsse geht. „Die Frauen wissen nicht, was sie da machen müssen. Also habe ich einen Schneider organisiert und es gab drei Wochen lang einen Reißverschluss-Workshop.“

Von Frau zu Frau. Trotzdem – das Konzept scheint zu funktionieren. Auch deutsche Stars sind Kunden von Zazi Vintage. „Heike Makatsch trug ein Kleid in Cannes, deshalb habe ich ihr ein Foto der Näherin geschickt. Ich will Macherinnen und Trägerinnen, die Frauen miteinander in Verbindung setzen“, erklärt sie. Dadurch werde das Thema faire Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit zugänglicher und man könne mehr Menschen erreichen, ist sie sich sicher. „Wenn man einen Star auf dem roten Teppich sieht, ist das besser als ein trauriges Bild von irgendeiner Fabrik in Bangladesch. Man kann schön aussehen und Gutes tun“, meint sie. Davon, dass man die Welt der Nachhaltigkeit mit der Welt der Luxusmode verbinden kann, ist sie fest überzeugt.

Tatiana Santo Domingo, verheiratet mit Grimaldi-Spross ­Andrea Casiraghi, hat mit ihrer Freundin­ Dana Alikhani das Label ­Muzungu ­Sisters ­gegründet. Auch hier ­ist Ethno-Luxus gefragt.
Tatiana Santo Domingo, verheiratet mit Grimaldi-Spross ­Andrea Casiraghi, hat mit ihrer Freundin­ Dana Alikhani das Label ­Muzungu ­Sisters ­gegründet. Auch hier ­ist Ethno-Luxus gefragt. (c) imago stock&people)

Mit Zazi Vintage hat sie noch viel vor. Zur NGO in Indien sollen noch weitere in anderen Ländern hinzukommen. Schöne Stoffe aus dem Amazonas oder Stickereien aus Bolivien stehen ganz oben auf ihrer Liste. „Ich habe gerade erst angefangen und es ist noch viel zu tun. Momentan bügle ich die Kleider zu Hause noch auf einer Yogamatte.“

Von Wien in die Welt. Schon eingespielter geht es bei der Österreicherin Silvia Gattin zu. Sie betreibt seit 2010 ihren gleichnamigen Onlineshop unter dem Motto „Where fashion meets travel“. Vor Kurzem hat sie auch einen Shop in Wien in der Hollandstraße 9 im zweiten Bezirk eröffnet. Angefangen hat sie ebenfalls recht bescheiden. „Bei meinem ersten Indien-Urlaub habe ich mir ein Kleid aus Saristoffen in einem kleinen Dorf in Rajasthan nähen lassen. Meinen Onlineshop habe ich dann mit 40 dieser Kleider angefangen“, erinnert sie sich. Diese waren schnell ausverkauft, also ging die Reise weiter – und zwar nach Marrakesch. „Im Souk habe ich dann Kilimstiefel aus Teppichstoff gesehen und gefragt, ob man die nicht cooler mit einer anderen Leiste machen kann“, berichtet sie. Daraus wurde ihr Bestseller und auch die Idee, Mode und Interior (es gibt auch Kissen, Körbe und Keramikschüsseln) mit ihrer Reiselust zu verbinden. Neben Marokko und Indien hat sie auch schon in Thailand mit einem Bergvolk zusammengearbeitet oder eine Taschenkollektion in Mexiko entworfen. „Ich bin oft vor Ort und arbeite mit kleinen Familienbetrieben zusammen. Traditionelle Stoffe, Handarbeit und Handwerk sind besonders wichtig. Ich will keine Massenproduktion, es sind alles Einzelstücke“, ist sie stolz. Auch Nachhaltigkeit ist ein grundlegender Punkt, weshalb ebenfalls auf Vintage-Stoffe zurückgegriffen wird. „Alles, was wiederverwertbar ist, auch wiederzuverwerten ist wichtig“, meint Gattin.

Sofia Sanchez de Betak, Art-Direktorin, Model und Stilikone, gründete ihr Label Chufy ­ebenfalls, um die ­Modeschätze der Welt zu präsentieren. Die Espadrilles stammen aus ihrer Heimat ­Argentinien.
Sofia Sanchez de Betak, Art-Direktorin, Model und Stilikone, gründete ihr Label Chufy ­ebenfalls, um die ­Modeschätze der Welt zu präsentieren. Die Espadrilles stammen aus ihrer Heimat ­Argentinien. (c) imago/PanoramiC

Probleme mit der Produktion gab es bisher auch nur einmal – kurz vor Weihnachten war der Stiefelproduzent wie vom Erdboden verschwunden. „Ich bin ganz spontan nach Marokko gereist und habe zum Glück einen neuen Produzenten gefunden.“ Auch die Liebe zum Detail – Stichwort gerade Nähte – ist nicht immer so gegeben, wie es der europäische Markt verlangt.

Weniger weit weg hat sie ihre letzte Kollektion geführt. Gattin ließ sich von kroatischen Volkstrachten inspirieren und lässt auch im Land produzieren. Im Oktober geht es nach Nepal, natürlich, um neue Schätze zu entdecken. „Ich versuche, mich von meinem Bauch leiten zu lassen und nicht so viel Recherche zu betreiben. Ich will einfach in die Kultur eintauchen.“

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