Die Kopftuch-Kontroverse in der Mode

Noch ungewohnt. Halima Aden steht mit Hijab vor der Kamera.
Noch ungewohnt. Halima Aden steht mit Hijab vor der Kamera.(c) REUTERS
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Während in Österreich das Verhüllungsverbot anläuft, liebäugelt die Modewelt bisher noch halbherzig mit der kaufkräftigen muslimischen Zielgruppe.

Als Halima Aden Anfang des Jahres zuerst bei Kanye Wests Yeezy-Show und danach bei der Mailänder Modewoche für Max Mara und Alberta Ferretti über den Laufsteg lief, war der (mediale) Aufschrei groß. Der Grund: Die Somali-Amerikanerin trug Kopftuch. Dies wurde als Schritt, die Stigmatisierung muslimischer Frauen zu brechen und sie ins Rampenlicht zu stellen, bejubelt. Mittlerweile ist die 20-Jährige bei der renommierten Modelagentur IMG unter Vertrag und scheint, das verrät ein Blick auf ihren Instagram-Account, mit Werbekampagnen und Magazinshootings schwer beschäftigt zu sein.

Verhüllt. Gigi Hadid mit Schleier auf der „Vogue Arabia“.
Verhüllt. Gigi Hadid mit Schleier auf der „Vogue Arabia“. (c) Beigestellt

Lebenslanges Statement. Zumindest auf den Laufstegen scheint sie jedoch nur eines der vielen kurzlebigen „Models of the Moment“ gewesen zu sein. Bei den Schauen im Herbst wenige Monate später fehlte Aden nämlich komplett. Hat sich die Neuheit, ein Model mit Hijab zu engagieren, abgenutzt? Oder hat Aden lukrativere Aufträge? Über die Gründe kann man natürlich nur spekulieren, jedenfalls scheint es, als würden sich Modeunternehmen weniger darum kümmern, muslimische Frauen mehr miteinzubeziehen – schließlich hätte sich wohl auch ein anderes Hijab-Model gefunden – als die muslimische Käuferschicht zu erreichen. „Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem. Im Moment ist es eine Neuheit, und meine Aufgabe ist es, dass muslimische Frauen nicht nur engagiert werden, weil es im Trend liegt“, erklärt Mariah Idrissi, die als erstes Hijab-Model der Welt gilt, seit sie 2015 in einer Videokampagne der Textilkette H&M mit Kopfbedeckung zu sehen war. „Für eine Frau, die sich dafür entschieden hat, Hijab zu tragen, ist das nicht nur ein temporäres Statement, sondern ein lebenslanges“, erklärt die Britin mit pakistanischen und marokkanischen Wurzeln weiter.
Der Markt ist noch kaum beackert (seit März 2017 gibt es eine arabische Ausgabe der „Vogue“), wächst aber unermüdlich. Bis 2019 soll der Markt 480 Milliarden US-Dollar einspielen, wenn man den Prognosen von Thomson Reuters glaubt. Das wurde in der Vergangenheit zwar immer wieder, jedoch meist nur punktuell versucht. Bereits seit 2014 gibt es eine Ramadan-Kollektion von DKNY, 2015 folgten Tommy Hilfiger und Óscar de la Renta. Im Vorjahr war das Medieninteresse an einer für muslimische Frauen designten Kollektion von Dolce & Gabbana groß.

Luxuriös. Dolce & Gabbana richtet sich an die arabische Welt.
Luxuriös. Dolce & Gabbana richtet sich an die arabische Welt. (c) Beigestellt

Bei den Ramadan-Kollektionen handelt es sich meist jedoch nur um Limited Editions, Taschen- oder Kapselkollektionen, die nur in Ländern wie Kuwait, Katar, Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten erhältlich sind. „In einer Zeit, in der so viele Menschen tief verwurzelte Vorurteile gegen Muslime haben, ist dieser Akt der Inklusion ein willkommener Beitrag. Es war ein Meilenstein an sich, dass der muslimische Markt von der Modecommunity Aufmerksamkeit erhielt“, schreibt Zahra Aljabri auf Refinery29. Wirklich tragbar sind viele Designs für gläubige Musliminnen allerdings nicht, zudem sind sie oft nur zeitlich begrenzt erhältlich. „Jetzt, wo die Neuheit sich abgenutzt hat, müssen die Marken daran arbeiten, Kollektionen zu entwerfen, die die Werte und Bedürfnisse muslimischer Frauen einbeziehen“, schreibt sie weiter. Dem hat sich Nike mit dem „Pro Hijab“ für Athletinnen verschrieben, der im Frühjahr 2018 lanciert werden soll.

Aufholbedarf. Leichter gesagt als getan, denn das Stückchen Stoff polarisiert und spaltet die Meinungen, nicht nur auf dem Catwalk. Für die einen als Zeichen der Selbstbestimmung, für die anderen als Symbol der Unterdrückung der Frau. Auf den Laufstegen sind zwar alle möglichen Kopftücher und Varianten zu sehen – bei Gucci und Moschino wird etwa das Seidentuch unter dem Kinn verknotet – religiöse Gesten stehen dahinter jedoch nicht. Einer der wenigen, die öffentlich starke Kritik übten, war Pierre Bergé, der mittlerweile verstorbene Lebenspartner und Geschäftsführer von Yves Saint Laurent. Er sagte 2016 in einem Radiointerview: „Designer sind dazu da, Frauen schöner zu machen und ihnen Freiheit zu geben. Nicht, um mit dieser Diktatur zu kollaborieren, die ihnen dieses unsägliche Ding auferlegt, das sie bedeckt und zwingt, ein verstecktes Leben zu führen.“ Womöglich ist ein Grund für das nur zaghafte Verhalten der Modemarken, dass das Thema Kopftuch die Meinungen stärker spaltet als Themen wie Feminismus, der gerade sehr en vogue ist, oder „Diversity“, wenn es um das Modelcasting geht. Dunkelhäutige Models, Plus Size, Models 50 plus und Co. stoßen zumindest nicht auf fundamental unterschiedliche Weltsichten. „Es gibt noch viel Aufholbedarf. Viele Marken wissen nicht, wie sie mit Models, die Hijab tragen, umgehen sollen. Meine Message: Arbeitet mit uns wie mit allen anderen auch. Wir haben nur einen anderen Dresscode und eine andere Haltung, die natürlich respektiert werden soll“, so Mariah Idrissi.

Der „Pro Hijab“ von Nike kommt im ­Frühjahr 2018.
Der „Pro Hijab“ von Nike kommt im ­Frühjahr 2018. (c) Beigestellt

Gesellschaftliche Probleme lassen sich vom (Luxus-)Laufsteg aus wohl nicht lösen, die meist im wahrsten Sinne des Wortes plakativen Mittel werden das interkulturelle Verständnis nur bedingt fördern. Idrissi arbeitet deshalb nicht nur als Model, sondern auch als Rednerin: „Ich will die Zukunft mitgestalten, und ich glaube, unsere Stimmen sind wirksamer als unsere Gesichter allein.“

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