Pitti Uomo: Ein Bild vom Mann

Stilvoll. Die Pitti ist Anlaufstelle für internationale Männermode-Buyer.
Stilvoll. Die Pitti ist Anlaufstelle für internationale Männermode-Buyer.(c) Vincenzo Grillo
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Die Modemesse Pitti Uomo in Florenz zelebriert zu Beginn des Jahres Facetten der Männlichkeit mit zahlreichen Schattierungen. Ein Nachbericht.

Als besonders übel angezogen gelten italienische Männer ja ohnehin nicht. Irgendetwas ist aber trotzdem auffällig anders in den ersten Jännertagen in Florenz. Das Aufgebot an Männern in klassischen Dreiteilern aus feinster Wolle mit schreienden Mustern, die Hosen oft in kühner Länge (Knöchel, sockenlos), oder in extra kreativen Streetwear-Ensembles ist exorbitant groß. Und alle zieht es durch die Straßen der Innenstadt wie magisch hin zur wuchtigen Fortezza da Basso unweit des Bahnhofs: Austragungsort des ersten großen Branchentreffs für Männermode im taufrischen Kalenderjahr, nämlich der Modemesse Pitti Uomo.

„Mittlerweile haben wir uns ja an das schräge Pitti-Volk gewöhnt“, sagt etwa der Wiener Unternehmer Klaus Mühlbauer. „Bei unserem ersten Messeauftritt vor zwei Jahren waren wir allerdings noch ziemlich baff. Damals waren aber noch ein paar mehr Vollblut-Dandys zugegen.“ Mühlbauer präsentiert in der toskanischen Hauptstadt seine Hutkollektion für den kommenden Winter. Beweggrund für den Schritt nach Florenz war ein erhoffter Ausbau des Männersegments: „Das ist uns zum Teil auch gelungen. Am Anfang des Jahres sind die Buyer außerdem noch entspannt“, erklärt Klaus Mühlbauer. Eine Order durch den Tokioter Departmentstore Isetan Men’s ist etwa auf der Pitti entstanden.

Neue Linie. Die neu ausgerichtete Herrenkollektion von Karl Lagerfeld wurde vorgestellt.
Neue Linie. Die neu ausgerichtete Herrenkollektion von Karl Lagerfeld wurde vorgestellt. (c) Pitti Uomo

Ein weiteres Modeunternehmen aus Österreich mit prominentem Stand auf der Pitti ist Ludwig Reiter: Firmenchef Till Reiter, flankiert von seinen Töchtern Anna und Magdalena – die fünfte für das Unternehmen tätige Generation  –, erzählt von der langjährigen Präsenz der Marke auf der Pitti Uomo: „Es hat immer wieder Unterbrechungen gegeben, unsere gemeinsame Geschichte ist von einem Auf und Ab gekennzeichnet. Die vergangenen Jahre waren aber sehr gut für uns, und das internationale Profil der Besucher ist beeindruckend.“

Alles neu bei Lagerfeld. Indem in den vergangenen Jahren immer mehr der großen Modehäuser die Präsentation ihrer Damen- und Herrenkollektionen zusammengelegt und in die Mailänder Damenmodewoche verlegt haben (etwa Gucci und Bottega Veneta), wurde die Bedeutung der Pitti Uomo zusehends gestärkt. Defilees von „Gastdesignern“ wie J. W. Anderson, Raf Simons oder Virgil Abloh mit seiner angesagten Brand Off-White heizten zusätzlich Diskussionen darüber an, ob die Pitti Uomo allmählich den Männermodetagen in Mailand (eher als um eine Fashion Week handelt es sich ohnehin um ein Fashion Weekend) den Rang ablaufe.

Film ab. Als Leitmotiv für die Pitti Uomo wählte man fiktive Filmtitel.
Film ab. Als Leitmotiv für die Pitti Uomo wählte man fiktive Filmtitel. (c) Pitti Uomo

Es steht jedenfalls außer Frage, dass ein Auftritt auf der Pitti Sichtbarkeit verschafft und sich für wichtige Ereignisse innerhalb des Herrenmodesegments anbietet. So etwa auch für die Modemarke Karl Lagerfeld, die in Florenz die Zusammenlegung der etwas gesetzteren Lagerfeld-Kollektion mit der jungen Karl-Lagerfeld-Linie mit einem prominenten Auftritt zelebrierte. „Durch die Zusammenlegung der beiden Kollektionen unter einem gemeinsamen Markenauftritt nähern wir einander formelle und informelle Elemente an. Es bot sich also an, diesen Schritt auf der Pitti Uomo zu kommunizieren, weil gerade diese Vermischung auch hier beobachtet werden kann“, unterstrich Karl-Lagerfeld-CEO Pier Paolo Righi gegenüber dem „Schaufenster“.

In der Tat ist es die harmonische Koexistenz von förmlicherer Businessmode und aus der Sports- und Activewear entlehnten Looks, die gerade die Herrenmode des 21. Jahrhunderts charakterisiert. Vorbei die Zeit, als im formellen Arbeitsalltag oder – wie alle Jahre während der Ballsaison hierzulande bestens zu beobachten – bei festlicheren Anlässen von Männern in erster Linie erwartet wurde, dass sie bestimmte Regeln kannten und mit einigem Stilgefühl einhielten. Die Mode reagiert auf das Leben der Menschen, die sie anziehen, und in einer Zeit, da Multimilliardäre aus der Start-up-Branche nicht einmal zu einem weit fortgeschrittenen Karrierezeitpunkt einen Business-Zweiteiler für ihre Keynote bei einer Aktionärsvollversammlung anziehen müssen, ist die Hybridisierung von einst als unvereinbar geltenden Strömungen als Manifestation des Zeitgeistes unvermeidlich.

Fließend. Im ­neuen Gucci ­Garden zu sehen: Alessandro Micheles Männerbild.
Fließend. Im ­neuen Gucci ­Garden zu sehen: Alessandro Micheles Männerbild.(c) Gucci

„Sportification“. „Unsere Vorstellung davon, wie ein Mann – auch förmlich – gekleidet zu sein hat, hat sich in den vergangenen zehn, 15 Jahren radikal verändert“, bestätigt auch Alessandro Sartori, Kreativdirektor aller Kollektionen der für die Qualität ihrer Produkte hoch angesehenen Zegna-Gruppe. Auf der Pitti ist Zegna mit der jüngeren Zweitlinie ZZegna vertreten, die hochpreisigere Kollektion Ermenegildo Zegna Couture wird dann in Mailand auf dem Laufsteg gezeigt. Sartoris Arbeit jedenfalls ist charakteristisch für das, was in diesem Modesegment letzthin vonstattengeht, nämlich ein Verwischen von Grenzen und das Überblenden von Codes, die Hardline-Verfechter von Dresscode-Regelwerken einst nicht einmal in einem Atemzug genannt hätten.

Einflussreich ist seit seinem Amtsantritt vor exakt drei Jahren weiterhin auch die Arbeit von Alessandro Michele für Gucci: Das rote Schluppenhemd aus seiner ersten Kollektion wurde symbolträchtig für die von ihm zele­brierte Gender-Fluidität. Es darf auch nicht fehlen in der ersten Ausstellung des neu eröffneten Firmenmuseums im Palazzo della Mercanzia, das nunmehr den Namen Gucci Garden trägt. Ein Blick auf die bunt zusammengewürfelten Outfits der Gäste genügte, um zu verstehen, dass ein neues Bild vom Mann in Florenz längst ausstellungsreif geworden ist. Und das nur ein paar Schritte von Michelangelos David entfernt, der bekanntermaßen das zeitloseste aller Kostüme trägt.

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