Lady Dior: Im Sinne des Erfinders

Straßentauglich. In ihrer Kunst verarbeitet Betty Mariani Bezüge zur Street Art.
Straßentauglich. In ihrer Kunst verarbeitet Betty Mariani Bezüge zur Street Art.(c) Aldo Marian
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Ganz dem Esprit des kunstsinnigen Christian Dior entspricht das „Lady Dior Art“-Projekt. Ein Gespräch mit der Pariser Malerin Betty Mariani über ihren Beitrag.

In die Mode hat es immer wieder Menschen mit den unterschiedlichsten beruflichen Vorleben verschlagen. Man nehme nur den Fall des jungen Christian Dior: Spross einer Industriellenfamilie (man produziert unter anderem Wasch- und Bleichmittel), entschließt sich der Mittzwanziger dazu, das Angebot seines Freundes Jacques Bonjean anzunehmen und mit ihm eine Galerie in der Rue de la Boétie aufzumachen. Aus dieser beruflichen Mission ergeben sich völlig natürlich Diors gute Kontakte in die Kunstwelt, die er auch beibehält, als er 1932 der Galerie den Rücken kehrt und sich einen Namen in der Welt der Mode macht.

Nun sind in der Gegenwart die Bande zwischen dem Mode- und dem Kunstkosmos ohnehin besonders eng: Man richtet gemeinsam Ausstellungen aus, realisiert vielerlei Kooperationen, bewirbt sich gegenseitig. Für das Maison Dior, im LVMH-Konzern eine Schwestermarke von so kulturaffinen Brands wie Louis Vuitton oder Fendi, lag es aufgrund des Vorlebens von Firmengründer Christian Dior also gleich in mehrfacher Hinsicht auf der Hand, mit einem eigenen Projekt zu diesem Naheverhältnis beizutragen.

Poetische Street Art. Das erste Kapitel des „Lady Dior Art“-Projekts wurde im Dezember 2016 auf der Art Basel Miami vorgestellt: Das Maison Dior besann sich auf seine Wurzeln und lud Künstler aus den USA und Großbritannien ein, eines der bekanntesten Handtaschenmodelle der Marke – etwas kleinräumig zwar – mit Kunst zu bespielen. Als Leinwand-Ersatz fungierte die „Lady Dior“, die seit 1994 existiert, 1995 zu ihrem Namen fand (was ihrer begeisterten Aufnahme durch Lady Diana geschuldet war) und seit damals zu den Dauerbrennern in allen Accessoire-Kollektionen zählt.

Ehrenvoll. Dior lud Mariani zur Teilnahme am „Lady Dior Art“-Projekt ein.
Ehrenvoll. Dior lud Mariani zur Teilnahme am „Lady Dior Art“-Projekt ein. (c) Frederic Leclere

Aufgrund der positiven Reaktionen auf diesen Ausflug in die Kunstwelt wurde alsbald die Entscheidung getroffen, das Projekt fortzusetzen. Bereits im Frühling 2017 wurde am nächsten Kapitel getüftelt. „Zu jenem Zeitpunkt wurde auch ich von einer Agentur angesprochen, die Künstler an Partner aus anderen Bereichen vermittelt“, erinnert sich die Pariserin Betty Mariani. „Daraufhin habe ich eine Auswahl meiner Arbeiten übersandt und auf Antwort gewartet; zunächst wusste ich gar nicht, worum es gehen würde.“

An die Welt der Mode war die junge Frau zuvor noch nie angestreift, und es war ihr auch nicht in den Sinn gekommen. Selbst wenn man es etwa ihrer von Dior übernommenen Arbeit „Portraits 01“, die nur 40 mal 40 Zentimeter groß ist, nicht gleich ansehen mag: Wichtige Inspiration für Mariani sind neben der Kunstrichtung des abstrakten Expressionismus auch Positionen der Street Art: „Anfangs habe ich selbst mit Kunst im öffentlichen Raum experimentiert und später meine Malweise auf die Leinwand übertragen. Natürlich ist Public Art häufig mit einer politischen Message aufgeladen. Es gibt aber auch einen poetischen Part, der mir persönlich sehr wichtig ist“, hält Mariani gegenüber dem „Schaufenster“ fest.

Handlich. Die 1994 lancierte Tasche wurde zu Ehren von Lady Diana umbenannt.
Handlich. Die 1994 lancierte Tasche wurde zu Ehren von Lady Diana umbenannt.(c) DR

Oberfläche mit Struktur. An der Zusammenarbeit mit dem Maison Dior – „immerhin nur 20 Minuten mit der Métro von meinem Studio entfernt; das erleichtert natürlich die Kommunikation“ – lobt Mariani den reibungslosen Ablauf und die Geschwindigkeit. Beeindruckt zeigt sie sich nach wie vor von der großen Expertise der Ateliers: „Der erste Prototyp meiner Tasche war im Juli des vergangenen Jahres fertig, und ich muss sagen: Er war von Anfang an perfekt. Am wichtigsten war mir, dass die Oberfläche nicht glatt sein sollte, sondern strukturiert, weil das meiner Technik des Farbauftrags in den ,Tableaux-texture‘ entspricht“, lobt Mariani das Fingerspitzen- und ästhetische Feingefühl der Kunsthandwerker.

(c) Ivan Vandel

Wenngleich sie, ungeachtet der Inspirationen aus der Street Art, mit ihrer Arbeit nicht unbedingt politische Messages verbreiten möchte, fühlt sich Betty Mariani doch den Statements von Maria Grazia Chiuri in deren Dior-Kollektionen verbunden. In ihrer Sommerkollektion schickte diese ja ein T-Shirt mit der Aufschrift „Why have there been no great women artists?“ über den Laufsteg. Mariani gibt sich zuversichtlich: „Die Frage ist berechtigt, wenn man in der Kunstgeschichte weiter zurückblickt. In meiner Generation wird es aber deutlich einfacher für Frauen, sich Zugang zum Kunstmarkt zu verschaffen und sichtbar zu werden. Ich habe wirklich den Eindruck, dass sich gerade etwas zum Positiven verändert.“

Auch für Betty Mariani selbst übrigens, die seit Beginn der Zusammenarbeit deutlich die Auswirkungen ihres gesteigerten Bekanntheitsgrades spürt und etwa schon von einigen Pariser Galerien kontaktiert wurde. Ein internationales Kunstprojekt könnte ebenfalls als direkte Folge der Kooperation bald Gestalt annehmen. Und Mariani dürfte nicht die letzte Künstlerin sein, der das Kunstengagement von Dior zugutekommt: Eine Fortsetzung des „Lady Dior Art“-Projekts ist geplant.

Tasche einer Lady

Liebe auf den ersten Blick. Als die Tasche 1994 herausgebracht wurde, trug sie noch keinen offiziellen Namen (das war damals ohnehin weniger üblich als heute). Inoffiziell nannte man die kleine Handtasche „Chouchou“, also Liebling. Und zu einem Taschenliebling wurde das kleine Modell auch wirklich, als Bernadette Chirac es der Prinzessin von Wales bei einem Paris-Besuch als Präsent überreichte. Lady Diana verliebte sich in die Tasche, die ihr zu Ehren 1995 in „Lady Dior“ umbenannt wurde und weiterhin einer der Bestseller des Hauses ist.

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