Zegna: Heimkehrer Alessandro Sartori

Er kennt die Firma wie seine Westentasche: Als heimgekehrter Kreativdirektor von Ermenegildo Zegna weiß Alessandro Sartori genau, was Männermode heute zu können hat.

Nach einem langen Businesstag mit endlosen Meetings nach Hause kommen, den Anzug gegen etwas Bequemeres tauschen und danach in die Waschmaschine stopfen. Nanu? Wer sich mit so Nützlichem wie der (Mit-)Betreuung des eigenen Haushalts beschäftigt (also hoffentlich jeder), dem wird das etwas merkwürdig vorkommen. Genau dies ist aber das erfrischend unkomplizierte Procedere, das dank des neu entwickelten "Techmerino Wash & Go"-Materials möglich werden soll. Verarbeitet wurde die patentierte Faser in dieser Weise erstmals in der aktuellen Sommerkollektion von ZZegna, der Zweitlinie von Ermenegildo Zegna, und entwickelt in den hauseigenen Labors der Marke. "Wir überlegen uns sehr genau, welche Funktionalität wir anbieten möchten und was dafür notwendig ist. In all diese Schritte bin ich persönlich involviert", erzählt Zegna-Kreativdirektor Alessandro Sartori.

Als Absolvent des Istituto Marangoni in Mailand trat Sartori, aus der Textilhochburg Biella gebürtig, Ende der 1990er-Jahre in die Gruppo Zegna ein und machte dort stetig Karriere. Den (vorläufigen) Höhepunkt stellte 2003 die Lancierung von ZZegna unter seiner Leitung dar. Das Konzept einer entspannteren Zweitlinie des Herrenanbieters war so erfolgreich, dass Sartori 2011 von der Arnault-Familie abgeworben wurde, um der von LVMH übernommenen Marke Berluti eine neue Identität zu verpassen. Auch darin reüssierte Sartori, der sich als privaten Luxus das Sammeln von Oldtimern leistet und mit einem Geschäftspartner in Mailand die "Milanogarage" eine Unterstellmöglichkeit für Sammlerautos betreibt.

»Wir müssen die Erwartungen unserer Kunden vorwegnehmen.«

Alessandro Sartori

Couture für Herren

Gegenüber seinem Vorgänger, Stefano Pilati, hat Sartori einen Vorteil, der zugleich Teil seiner Jobbeschreibung ist: Als Kreativdirektor soll er sämtliche Kollektionen der Zegna-Gruppe übersehen, außerdem die Shoparchitektur und den gesamten Markenauftritt gestalten. "Die nächste Herausforderung für ihn wird sein, dass er die Marken mit neuer Energie auflädt und sie an eine jüngere Zielgruppe heranführt", zitierte das "Wall Street Journal" den Präsidenten der Gruppe und Enkel des Gründers, Gildo Zegna, nach Sartoris Rückkehr in die Firma 2016.

Im selben Jahr fragte die "Financial Times" in einem Artikel, der Sartoris neuer Aufgabe gewidmet war: "Can this man save the suit?", und tatsächlich fasst die Frage wenngleich etwas dramatisch formuliert die Aufgabe, der sich Alessandro Sartori stellt, ziemlich gut zusammen. Kaum eine andere Marke im Bereich der gehobenen Herrenmode hat nämlich wie Ermenegildo Zegna die Möglichkeit, von der Faserentwicklung über die Materialgestaltung bis hin zur Produktion des fertigen Kleidungsstücks alle Schritte selbst zu bestimmen. "Manche unserer Verarbeitungstechniken funktionieren nur, wenn sie von Hand ausgeführt werden. Zum einen schreiben wir uns also ein in das Mix and Match der Herrenmode und bieten alle ästhetischen Codes an, die neu entstehen. Wir tun das aber auf einem Level, besonders mit der Ermenegildo-Zegna-Couture-Kollektion, das in der Herren- und auch der Damenmode fast unerreicht ist", schwärmt Alessandro Sartori.

Sein großer Vorteil ist, dass er die Firma mit all dem hier geborgenen Potenzial kennt, weil er in ihr groß geworden ist. So weiß Alessandro Sartori, wie er neuen Entwicklungen in der Männermode mit seinen Entwürfen und zugleich der Vorwegnahme innovativer Funktionalitäten entsprechen kann. Die einst klar gezogenen Grenzen zwischen formeller Bekleidung für den Businesskontext und Freizeitmode verschwimmen auch bei Männern längst. Betont lässige Bekleidungsgepflogenheiten, wie man sie von Tech-Milliardären des Silicon Valley kennt, sind in abgeschwächter Form längst auch in der City von London akzeptiert.

Ein Stichwort, das Alessandro Sartori gern gebraucht, um die rezenten Entwicklungen zu beschreiben, ist die "Sportification" des Businesslooks. Sieht er umgekehrt eine Formalisierung der Sportmode? "Business- und Casualwear, auch Outdoor- und Indoormode heben sich immer weniger voneinander ab. In vielen Berufen ist es absolut kein Problem mehr, einmal in einem Sweater, zum Sakko getragen, im Büro aufzutauchen. Umgekehrt ziehen sich manche lieber einen Wollblazer als eine Windjacke an, wenn sie auf Reisen gehen. Dieser Wandel der Einstellungen zieht sich durch alle Ebenen und stellt uns Designer vor neue Aufgaben", fasst Sartori die von ihm beobachteten Entwicklungen zusammen.

Zukunftsmusik

In Sartoris Wahrnehmung entstehen neue hybride Formen nicht mehr in erster Linie durch das Vermischen von Codes aus Casual- und Businesswear für Herren, sondern vermehrt durch Einflüsse aus der sogenannten Technical Sportswear: "Unsere Kunden erwarten sich heute ganz andere Dinge von Mode als noch vor ein paar Jahren. Es ist an uns, diese Erwartungen zum Teil vorwegzunehmen", ist er sich sicher. Mit dem ebenfalls zuletzt gern verwendeten Begriff der "Smart Fashion" hat Sartori, wie viele seiner Kollegen, nur dann Freude, wenn er nicht artifiziell aufgepfropfte Funktionen beschreibt. Einen Anzug aus feinem Wollstoff ohne Bedenken in die Waschmaschine geben zu können, kann aber gewiss als Ausprägung einer bedarfsorientierten Smartness gesehen werden. Davon hat am Ende auch jeder mehr, als wenn ein Sakkoärmel bei einem auf dem Handy eingehenden Anruf blinkt: Die Zukunft hat schon begonnen.

Compliance: Eine Reise des Autors nach Florenz wurde von Ermenegildo Zegna unterstützt.

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