Gucci Garden: Wo die Fantasie wuchern darf

Als einen "Gucci Garden" konzipierte Designer Alessandro Michele den Stammsitz in Florenz. Die Modeausstellung kuratierte Maria Luisa Frisa.

Über einen Mangel an visuellen Reizen kann sich der durchschnittlich an Kunst interessierte oder auch einfach brav Sehenswürdigkeiten abklappernde Florenz-Besucher fürwahr nicht beklagen. Bei einem Rundgang durch die Uffizien-Galerien prasselt etwa das Ergebnis des Kunstsammeleifers der mäzenatischen Medici auf den Betrachter ein, und wer die Augen zu den Deckenfresken hebt und sich ein bisschen mit Mode auskennt, wird vielleicht unweigerlich an die wundersamen Fantasiewelten denken, die Alessandro Michele seit drei Jahren als Gucci-Chefdesigner in seinen Kollektionen entstehen lässt.

Mode-Schau

Der Gucci Garden ist im Zentrum von Florenz zu finden, www.gucci.com. "Italiana" läuft noch bis 6. Mai, www.palazzo realemilano.it

Vielleicht muss der Fresko-Betrachter auch deshalb an Gucci und Michele denken, weil wenige Schritte von den Uffizien entfernt, schrägt hinter Ammannatis Neptunbrunnen an der Piazza della Signoria, das einstige Firmenmuseum der Luxusmarke ansässig ist. Ein Firmenmuseum ist es zwar auch heute noch; nach dem großen Umbau, dem es zuletzt unterzogen wurde, soll man den neu entstandenen "Gucci Garden" und die integrierte "Gucci Garden Galleria" nun aber bitte nicht mehr Museum nennen, sondern eben Galerie. Das soll eine kleine Dosis Größenwahn schwingt eventuell mit? wohl an die Galleria degli Uffizi erinnern. Und man schreckt hier, wie auch oft genug im eigentlichen Kunstkontext, wohl vor dem allzu spröde klingenden Museumsbegriff zurück: Dynamisch und vielgestaltig soll der Gucci Garden sein, veränderlich und faszinierend.

Ein früher Hit von Michele: das Schluppenhemd.
Ein früher Hit von Michele: das Schluppenhemd.Beigestellt

Mode-Gourmandisen

Jenseits aller Wortklauberei hat er das Potenzial dazu, schon allein, weil Gucci dank der kaum zu drosselnden Fantasie von Alessandro Michele derzeit als Branchenprimus einen Höhenflug erlebt wie schon lang nicht. Dies nicht allein wegen der Anerkennung durch Modekritiker für die ästhetisch anspruchsvollen, bisweilen fast überladen wirkenden Kollektionen, sondern auch wegen des großen kommerziellen Erfolgs der bestverkaufenden Luxusmarke 2017. Um diesen Rang zu untermauern und sich auch museal, Pardon: galeriehaft zu monumentalisieren, hat Alessandro Michele in seinem dritten Jahr als Kreativchef das einstige Museo Gucci angegriffen und nach seinen Vorstellungen in ein ungehemmt ausrankendes und wucherndes Universalkonstrukt umgemodelt.

Im Erdgeschoß ist eine Boutique untergebracht, die mit ihrer Aufmachung an einen Bazar erinnern soll und in der zum Teil nur an dieser Florentiner Adresse erhältliche Accessoires verkauft werden. Als Anlaufstelle für Gourmets ist wieder die hauseigene Osteria angelegt, die von Star-Chef Massimo Bottura (übrigens ein Schulkollege von Gucci-CEO Marco Bizzarri, der auch Michele an Bord holte) bespielt wird.

Manche Artikel sind nur im Gucci-Garden-Shop erhältlich.
Manche Artikel sind nur im Gucci-Garden-Shop erhältlich.Beigestellt

Freie Hand

Für die Neuaufstellung der Modeausstellung holte sich Alessandro Michele kundige Unterstützung von außen. Er beauftragte die italienische Modekritikerin und -kuratorin Maria Luisa Frisa mit der Konzeption der Schauräume und ließ ihr dabei völlige Gestaltungsfreiheit. "Zum einen ist es für mich bei derartigen Projekten eine Conditio sine qua non, über diese Art von Freiheit zu verfügen", vertraute Frisa in Florenz dem "Schaufenster" an. "Ehrlich gesagt hat es mich aber doch überrascht, bei diesem Projekt wirklich alle Vorstellungen umsetzen zu können. Das betraf nicht nur die inhaltliche Ebene, sondern zum Beispiel auch die gesamte Ausstellungsarchitektur."

Frisa, die eng mit der britischen Mode-Ausstellungsmacherin Judith Clark (zuletzt von ihr in Wien zu sehen: "Vulgär" im Belvedere) befreundet ist, erachtet Display-Modalitäten als einen der Kernpunkte ihrer Arbeit: "Judith und ich unterhalten uns oft über dieses Thema und sind uns darin einig, dass es für eine gelungene Schau nicht ausreicht, die größtmögliche Anzahl an Schneiderpuppen nebeneinander aufzustellen."

Für den Palazzo della Signoria ließ Frisa darum auf zwei Stockwerken neue Böden verlegen, entwarf gläserne Schaukästen und Vitrinen mit dunklen Holzrahmen und geschwungenen Füßen. Was die Liebe zum Detail betrifft, steht die Modeexpertin also dem Designer, der sie als Kuratorin an Bord holte, in nichts nach. Am Anfang ihrer Arbeit stand Frisas Bestandsaufnahme der Designgeschichte im Hause Gucci. "Besonders die Kontinuität der Arbeit von Alessandro und Tom Ford hat mich rückblickend überrascht", sagt Frisa.

Gourmetgarten. Das Restaurant betreibt Star-Chef Massimo Bottura.
Gourmetgarten. Das Restaurant betreibt Star-Chef Massimo Bottura.Beigestellt

Zentrale Motive

Da sie sich nicht im engeren Sinne als Modehistorikerin versteht, gilt Frisas Interesse primär der Möglichkeit transversaler Lesarten des Firmenarchivs und thematisch ausgerichteten Arrangements. Auf diese Weise sind für die erste Ausstellung der Galleria weitere sollen folgen fünf Themenwelten entstanden, die auch einem Publikum mit wenig Vorwissen Einblick in die Firmengeschichte geben sollen.

Ein erster Raum ist etwa dem Thema der "Guccification" gewidmet: "Logos sind heute in der Mode präsenter denn je. Darum wollte ich zeigen, wie sich auch das Logo von Gucci im Lauf der Zeit verändert hat und wie Alessandro, zum Beispiel durch seine Kooperation mit Künstlern, für besondere Dynamik in diesem Bereich sorgt", so Maria Luisa Frisa. Weitere Schwerpunkte setzte die Kuratorin auf Bezüge der Marke zur Welt des Kinos (in einem Projektionsraum zeigt man experimentelle Kurzfilme), auf "Cosmorama" und die Anfänge der Marke mit Guccio Guccis Fokus auf edle Reiseartikel, ein Kapitel namens "Ephemera" mit begleitenden Dokumenten aus fast 100 Jahren Firmengeschichte, und, dies ist der umfangreichste Part, "De Rerum Natura".

Während auch Entwürfe von Tom Ford und Frida Giannini gezeigt werden, liegt hier der Fokus auf den vielfältigen Inspirationsquellen, die Alessandro Michele in der Natur findet. Nicht umsonst kam schließlich der Vorschlag vom aktuellen Chefdesigner, das (Nicht-)Museum als einen Garten zu bezeichnen. Ähnlich wie die Kreationen der Natur dürfen nämlich auch Micheles Fantasiegestalten in alle Richtungen ihre Wurzeln schlagen.

"Moda italiana" aus 30 Jahren

Gemeinsam mit dem Chefredakteur des "W"-Magazins, Stefano Tonchi, kuratierte Maria Luisa Frisa auch die große Ausstellung "Italiana", die während der Mailänder Modewoche im Palazzo Reale am Domplatz eröffnet wurde. Hier liegt der Fokus auf 30 Jahren italienischen Modeschaffens, zwischen 1971 und 2001. In dieser Zeit wurde etwa erst deutlich, dass sich Mailand als Modehauptstadt des Landes herauskristallisieren würde.

Mitverantwortlich für die zunehmende Bedeutung der Branche wegen des wirtschaftlichen Erfolgs und der kreativen Impulse waren in diesen drei Jahrzehnten viele der Designer, die noch immer zu den wichtigsten zählen: Giorgio Armani, Miuccia Prada, die Versaces, Dolce & Gabbana. Andere Namen sind heute weniger bekannt, etwa Walter Albini oder die mit futuristischen Ansätzen spielende Cinzia Ruggeri. Auch hier erschließt sich ein weitläufiges Panorama in einer thematisch angelegten Ausstellung. Bemerkenswert ist zudem die Gegenüberstellung von Mode und Kunst.

Der Autor reiste auf Einladung von Gucci nach Florenz.

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