Rucksäcke: Der Ruf der Wildnis

Ein idealer Wegbegleiter auf sämtlichen Erkundungstouren: Der Rucksack erlebt eine Renaissance.

Die Sehnsucht nach der Wildnis oder zumindest nach Inszenierungen, die selbst in der Großstadt ein Stück Landleben aufblitzen lassen, ist in den vergangenen Jahren nicht nur in der Modewelt fast schon zum Fetisch geworden. Je schlechter die Zeiten, desto ausgeprägter scheint auf jeden Fall der Wunsch nach Qualität und Nachhaltigkeit zu werden: Man sehnt sich nach Dingen, die wirken, als wären sie für die Ewigkeit gemacht; als könnte sie nichts aus der Ruhe bringen – keine Wirtschaftskrise, kein Börsencrash und keine Banken, die in Konkurs gehen. Als passendes Modeaccessoire zum Traum vom freigeistigen Abenteurertum erfreut sich der Rucksack wachsender Beliebtheit – ob im Retrolook oder als avantgardistisches Gadget.

Trapper und Tramper. Das kleine holländische Label Atelier de L’Armée, das auf seiner Homepage einen hippen Vollbartträger in die Natur schickt, führt nicht nur optisch zurück in die Vergangenheit. Die in minutiöser Handarbeit gefertigten Taschen und Rucksäcke der Marke werden aus historischem Militärmaterial, japanischem Jeansstoff oder gebrauchtem Leder hergestellt. „Wir lieben alte Materialien, Sachen, die schon getragen wurden, die eine Patina haben“, sagen Joost Doeswijk und Elza Wandler, die vor einem Jahr ihr Label in Amsterdam gegründet haben und seitdem konsequent auf Recycling von Vintage-Materialien durch Handwerksprozesse setzen: „Diese Militärstoffe wurden ja entwickelt, um möglichst lange zu halten; sie altern einfach wunderschön.“ Sieben bis acht Stunden dauert es, bis einer ihrer Rucksäcke fertig ist, jeder ist ein nummeriertes Unikat. „Am Anfang ist es Joost sehr schwergefallen, unsere Taschen überhaupt zu verkaufen. Wir hängen einfach sehr an ihnen“, erzählt Elza, der es außerdem wichtig ist, dass möglichst wenig Abfall produziert wird. Mit ihrem eigenen Unternehmen haben sich Joost und Elza auch privat den Traum der Selbstbestimmung erfüllt: Die beiden wollten nämlich möglichst viel Zeit gemeinsam verbringen.


So hat also der gute, alte Rucksack in den vergangenen Jahren ein erstaunliches Comeback hingelegt. Kaum ein Popstar oder Hollywood-Schauspieler war nicht irgendwann mit einem Backpack, locker um die Schulter gehängt, zu sehen. Und kaum ein Label, das diese Variante eines urbanen It-Bag nicht in seiner Kollektion hatte: Die Palette reicht von Kris Van Assche, der mit Eastpak kollaborierte, über Damir Doma und Raf Simons bis zu Nobelmarken wie Louis Vuitton und Gucci. Sowie natürlich Prada, wo man bereits in den Achtzigerjahren mit dem schwarzen Nylon-Stadtrucksack namens Prada Bag maßgeblich einen rückenschonenden Siegeszug antrat. In den Eighties stand der Rucksack noch für Urbanität und Mobilität: Er war ideal zum Fahrradfahren, Shoppen oder Tanzen in der Disco und wirkte zeitgemäß unisex.

Die neuen Rucksäcke aber wollen mehr: Sie machen aus ihren Trägern urbane Trapper, wagemutige Wilderer in der Zivilisation, Überlebenskämpfer im Großstadtdschungel.
Brian SS Jensen, Designer für das dänische Label Wood Wood, findet die Begeisterung für diesen „Heritage-Look“ fast schon wieder ein bisschen übertrieben. Trotzdem meint er: „Die Qualität und Funktionalität von Militär- und Outdoorkleidung sind einfach faszinierend.“ Für seine Taschen- und Rucksackkollektion, die Wood Wood gemeinsam mit Eastpak auf den Markt gebracht hat, diente ein Ausflug in die kalifornische Wüste als Inspiration: Helle Brauntöne und Leder, das wie gebraucht wirkt, zeichnen diese Umhängtaschen aus. Für Desertion, so der Name der Kollektion, war das Motto: „Lass die Zivilisation hinter dir und erforsche die Natur.“ Jensen sieht das durchaus kritisch: „In einer Welt, in der alles zum Wegwerfprodukt wird, brauchen wir wieder Gegenstände, die lange halten und schön altern.“ 

Natur mit Patina.
Besonders amerikanische Rucksackmarken berufen sich ohnehin gern auf ihre Native-Wurzeln. Der kanadische Hersteller Herschel, der mittlerweile auch hierzulande leichter erhältlich ist als noch vor einigen Jahren, setzt auf innovativen Retro-Look. Klassische Outdoor-Rucksäcke werden mit farbenfroher Innenfutterausstattung großstadttauglich gemacht. Exklusiver sind US-Labels wie Yuketen, die Rucksäcke aus robusten Hudson-Bay-Decken herstellen, oder Duluth Pack, die sich an Pfadfinderrucksäcken orientieren. Beide Labels legen großen Wert auf Handarbeit. Aber auch der schwedische Klassiker Fjäll Räven hat in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes Revival erlebt. Gerade in Künstlerkreisen gehört der Kinderrucksack „Kanken“ längst zum Standard-Outfit eines urbanen Hipsters. Ah ja, und eine Sache kann man mit einem Rucksack natürlich auch machen: auf Reisen gehen. Auch wenn das Füllvermögen enden wollend ist. Es muss ja nicht gleich für den ganzen Restwinter sein.

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