Kronthaler: „Kompromisslos, aber nicht ganz stur

(C) Christine Ebenthal/ Beigestellt
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Modedesigner Andreas Kronthaler im Gespräch über brennende Hüte, Baustellen in London und Handtaschen, die wie Kästen wirken.

Auch wenn Andreas Kronthaler das wahrscheinlich nicht unbedingt so geschrieben sehen muss, weil er – seiner imposanten Erscheinung zum Trotz – nicht wie ein auf das Schleudern von Superlativen versessener Mann wirkt: Der gebürtige Tiroler, Modedesigner und Gatte der Punk-Legende Vivienne Westwood ist derzeit mit Abstand der bekannteste Modemacher aus Österreich. Seit er Anfang der Neunzigerjahre mit Westwood, seiner 25 Jahre älteren Professorin an der Universität für Angewandte Kunst, nach London ging und für ihre Firma zu arbeiten begann, später ihr Ehemann wurde, ist er fixer Bestandteil des „Fashion Circuit“. In letzter Zeit mehren sich seine Auftritte in der Öffentlichkeit, was umso schöner ist, als Kronthaler auch einiges zu sagen hat. Das „Schaufenster“ traf ihn im Hotel Sacher bei einem Wien-Besuch.

Wofür sind Sie im Hause Westwood in erster Linie zuständig – für die Männerkollektion?
Nicht mehr in dem Ausmaß wie früher, leider, dafür ist nicht mehr genug Zeit. Im Einsatz bin ich bei allen Kollektionen, am meisten bei dem Gold Label. Das ist wie unsere Experimentierküche, da kann man am freiesten arbeiten, es gibt weniger Zeitdruck, die Timetables sind lockerer. Das hat etwas Gutes und etwas weniger Gutes. Manche Dinge geschehen erst, wenn der Hut brennt.


Bei so vielen Kollektionen, die parallel entstehen, brennt wahrscheinlich immer irgendein Hut.
Genau so ist es, und darum ist auch kein Tag wie der andere. Du gehst in die Arbeit und weißt nicht, was dich erwartet. Oft lässt sich eine konkrete Idee nicht umsetzen, wie man möchte. Man bekommt den einen Stoff nicht, etwas wird nicht rechtzeitig fertig, und dann muss man eben Lösungen finden.


Außerdem müssen unternehmerische Entscheidungen auf der einen Seite getroffen werden, kreative auf der anderen?
Ja, obwohl sich die beiden ja nicht voneinander trennen lassen. Wir versuchen gerade, das Unternehmen neu aufzustellen: Vor ungefähr einem Jahr haben wir zwei Gebäude gekauft, eines in Paris, eines in New York, und die werden jetzt umgebaut. Das wird wohl noch ein Jahr dauern, mindestens, vor allem mit den Franzosen ist das besonders kompliziert. Eine Folge ist, dass wir auch das Shopkonzept neu denken, uns genauer anschauen, was funktioniert, wie wir es haben wollen. Um Amerika zu erschließen, muss man in New York präsent sein. 


Gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung der Marke und auch der Person Vivienne Westwood zwischen Europa und den USA? Diesseits des Atlantiks gilt sie als fester Bestandteil der Populärkultur, ist das in Amerika auch so?
Teilweise schon. Vivienne ist zum ersten Mal in den Siebzigerjahren nach Amerika gegangen, hat an die New Yorker Punkszene angedockt. Aber wir haben dort schon ein anderes Standing, weniger Sichtbarkeit auch. Außerdem ist es wichtiger denn je, manche Aspekte der Mode an eine bestimmte Kundschaft anzupassen, auf ihre Bedürfnisse hin abzuändern. Oft ändert sich das von Shop zu Shop, weil jeder etwas Besonderes will. 


Dieser Personalisierungstrend lässt das Ready-to-Wear fast wieder in die Nähe der Haute Couture rücken.
Es geht in diese Richtung, ja. Vielleicht ist das auch eine Reaktion auf die vielen Laufstegbilder und diese Label-Manie, überall Logos und Markenzeichen – auch bei den Accessoires. Mit Schmuck habe ich kein Problem, mit Schuhen auch nicht, von denen kann man nicht genug haben. Aber Taschen finde ich schwierig, für mich ist es oft so, als ob die Tasche die Frau tragen würde, nicht umgekehrt. Manchmal schaut das so aus, als würden die mit einem Kasten daherkommen, das finde ich gar nicht gut. Ich sehe in London so oft Frauen, die eine große Luxustasche tragen und dazu eine Jogginghose. Was soll denn das für ein Look sein? Wer Taschen tragen kann, wer das wirklich beherrscht, das ist meiner Meinung nach nur die Pariserin. Die kleine Tasche, die irgendwo herunterhängt, zu denen passt das. Wenn möglich, dann soll einem aber sowieso jemand anders die Tasche tragen.

Wie ist denn das Leben in London? Ist die Stadt nicht längst zu teuer geworden, um noch kreativen Nachwuchs anzuziehen?
Es wird auf jeden Fall schwieriger, fast schon absurd. Das wird immer mehr zum Widerspruch. Noch vor zehn, 15 Jahren war das anders. Es ist gar nicht absehbar, wie sich London weiterentwickeln soll. Ich fahre ja viel mit dem Fahrrad und kenne die Stadt sehr gut. Man kann sich gar nicht vorstellen, was derzeit in London abgeht. Nicht Hunderte, sondern Tausende von Baustellen, überall, und es fühlt sich an, als würde alles Geld der Welt in die Stadt hineinfließen.


Apropos Geld: Klopfen bei Vivienne Westwood Investoren an, gibt es Übernahmeangebote?
Ach, vielleicht ab und zu einmal. Wir haben seit Jahren für einige unserer Kollektionen eine erfolgreiche Partnerschaft mit Staff International in Italien für Produktion und Vertrieb, und Staff International gehört wieder zu Renzo Rossos Firmengruppe. In jedem Fall müssen wir ganz anders haushalten als die großen Konzerne. Andere Marken können das Fünffache für eine Show ausgeben, bei uns ist das anders, und ich habe auch einen anderen Bezug dazu, weil es ja unser Geld ist, das wir da ausgeben. Manchmal habe ich ein Set-Design für ein Defilee im Kopf, und dann verwerfen wir es wieder, weil es Unsummen kosten würde und wir es danach sowieso nur wegschmeißen könnten, vereinfacht gesagt.


Vivienne Westwood macht mit Red Label, den Männern und Gold Label sechs Shows pro Jahr, in London, Mailand und Paris – gehört das dazu?
Ich mache das alles ja gern. Zwischendurch hat es vielleicht Phasen gegeben, in denen ich gezweifelt habe und nicht mehr so überzeugt vom Format der Modeschau war, aber das hat sich wieder gelegt, und ich kümmere mich auch um alles, was ansteht: das Casting, die Location, den Aufbau. Auch da und gerade bei der Auswahl der Models müssen wir immer unsere Möglichkeiten im Auge behalten. Früher einmal sind die ganz bekannten Mädchen zu uns gekommen und sind für wenig Geld oder ganz umsonst für uns gelaufen, aus Sympathie. Mittlerweile haben sich die Agenturen in den Vordergrund gedrängt und sind beinhart, kontrollieren alles. Auch da ist die Mode mehr „corporate“ geworden, wie in so vielen anderen Hinsichten auch. Ich selbst befinde mich da ein bisschen im Widerstreit mit mir selbst, auch mit der Branche, und versuche immer wieder, die Gratwanderung zu schaffen: Qualität anstelle von Quantität zu zeigen, ein Produkt zu machen, auf das man stolz ist, möglichst kompromisslos arbeiten und doch nicht ganz stur seinen Weg beschreiten.

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