Amanshausers Welt: 330 Cabo Verde

(c) Martin Amanshauser
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Kleine Geschichten über große Locations.

Cassiano fährt seit 17 Jahren mit seinem recht einsamen Taxi. Passagiere hat er schon drin. Aber die Straße ist immer die gleiche, schnurgerade, hin und her. Es gibt keine andere. Bei den Hotels die Kurve. Beim Flughafen der Kreisverkehr. „Ein beschaulicher Job“, erklärt er, „dabei kann ich nicht einmal behaupten, dass ich die Strecke kenne. Vor allem nicht in der Nacht. Sie ist an jeder Stelle gleich. Sie hat ja keine wirklichen Kurven.“

Wie fast alle Bewohner
von Sal kommt Cassiano von einer anderen Insel. Er verzehrt sich aber nicht nach der Heimat São Nicolau. „Ich hab dort Familie. Fliege einmal im Jahr hinüber. Wenn das Geld knapp ist, nehme ich das Schiff. Dauert dann aber acht oder neun Stunden. Ich mag das Meer nicht. Ein Flugzeug ist schon etwas anderes. Allein der Flughafen, der hat was. Sie müssen sich unbedingt die Wandgemälde ansehen. Man kann sich so richtig vorstellen, wie die Hängebahn früher das Salz aus den Salinen nach draußen gefahren hat. Salz, Salz, Unmengen Salz – damals bedeutete Salz noch Reichtum.“ Er zögert, bevor er hinzufügt, dass er noch nie in einem anderen Land war. „Ich kenne vier unserer neun Inseln. Die Flüge sind teuer. Für die meisten Leute hier gibt es die Chance nicht, ins Ausland zu reisen.“

Cassiano ist von São Nicolau nach Sal gekommen, weil er hier als Taxifahrer im Vergleich zur Heimatinsel das doppelte verdient, 300 Euro im Monat anstatt 150 Euro. „Es gibt dort einfach keinen Tourismus, keine großen Hotels. Manchmal ein paar Urlauber, meistens zu zweit, Paare. Die Art von Leuten, die sich für die Kultur interessieren, die gern über die Berge spazieren. Solche, die wirklich etwas kennenlernen wollen.“ Er blickt unruhig zu mir nach hinten, vielleicht, weil er fürchtet, dass ich jetzt glaube, dass er meint, ich würde zu jenen gehören, die nicht auf São Nicolau, sondern auf Sal Urlaub machen und daher nicht wirklich etwas kennenlernen wollen. Ich nicke freundlich, um ihn zu beruhigen.

„Ist auch hier wunderschön“, sagt er mit wenig Überzeugung, „die Strände, der Wassersport . . . ich selbst bin schon alt. Nächstes Jahr gehe ich in Pension.“ Mir entschlüpft ein leicht fragendes „Mh?“, und er lächelt. „Nein, war ein Witz, es gibt auf Cabo Verde keine Pension. Du arbeitest, bis du stirbst. Oder andersrum: Wenn du nicht mehr arbeitest, stirbst du.“ Wir sind jetzt am Kreisverkehr des Flughafens. Irgendwie auch am Ende unseres Gesprächs. „Vergessen Sie dieses Wandgemälde am Flughafen nicht!“, sagt Cassiano leise.

Ort

Der Autor war unterwegs auf Einladung von Gruber Reisen, www.gruberreisen.at. Fahrt zwischen Hotel Vila do Farol, Santa Maria und Flughafen Amílcar Cabral, Ilha do Sal, Cabo Verde.

Tipp

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