Amanshausers Welt: 340 Gambia

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Kleine Geschichten über große Locations.

Banjul hat wenig von einer Hauptstadt. Durch Mangrovensümpfe und die Denton Bridge ist die Halbinsel vom Festland getrennt. Durch Banjuls Straßen, denen man die Kolonialzeit kaum mehr ansieht, was sie nicht schöner macht, weht scharfer, feiner Sand. Bis in die letzten Ritzen dringt er vor. Natürlich läuft gleich ein Bumster auf mich zu.

„Hello, my friend! I work at your hotel! Remember me?” Ich bin so verblüfft über seinen Aufrissschmäh, dass ich kurz lache. Ich wohne in keinem Hotel, ich schlafe auf dem Schiff. „I have no hotel“, sage ich ihm, „I live on ship“. Er lacht mich mit vielen Zähnen an: „Okay − I am the harbour security. Remember me?“ Ich sage auf Deutsch: „Das meinst du jetzt nicht ernst.“ Er lacht unentwegt: „Speak English. French?“ Jetzt gehe ich weiter, und aus irgendeinem Grund gibt er auf.

Das Bumster-Unwesen ist verbreitet. Auf dem Albert Market, dem ökonomischen Zentrum der Stadt, rennen noch dazu ein paar Keiler herum, doch auch sie sind abschüttelbar. Die Handicraft-Abteilung scheint ihren Stellenwert zu kennen, die Händler insistieren kaum. Hier geht es eher um Lebensmittel. Verkäuferinnen verscheuchen die Millionen oder Billiarden Fliegen von ihrem getrockneten Fisch, dem Nahrungsmittel Nummer eins. Das Gemüse ist winzig wie in einem ausgesuchten Bioladen.

Überfluss ist in Gambia ein Fremdwort, sieht man vom Personenkult für den chronisch autoritären Präsidenten Yahya Jammeh ab. „Happy birthday, Mister President!”, rufen einem vielfache Aufschriften entgegen. Das massige Gesicht des 1965 geborenen, aber um Jahrzehnte älter wirkenden Alleinherrschers, der Wahlen ohne Wahlbeobachter liebt, prägt Straßen, Wände und Seelen. Er ist nicht nur ein toller Präsident, er kann laut eigenen Angaben auch Krankheiten heilen, unter anderem Aids. (Er behandle es aber nur, wenn die Patienten ihre herkömmliche Therapie absetzen.)

Der beeindruckende Triumphbogen Arch 22 feiert seinen Militärputsch des 22. Juni 1994. Dieses gelbweiße Ding der Architekturrichtung Kinderbauklotz würde niemand an dieser Stelle erwarten − und auch an keiner anderen. Die Jubeltribünen zerbröckeln inzwischen. Der letzte verbliebene Torwächter grüßt freundlich. Plötzlich steht ein Mann mit einem Megafon neben mir, nein, es ist kein Bumster, er ruft: „I am a traditional communicator! I am a traditional communicator! God bless President Jammeh, may he be elected twenty times!“

Ort

Tipp

Diktatoren und Bumster. Der Autor war auf Einladung von Marco-Polo-Reisen (www.marco-polo-reisen.com) unterwegs – rund um den Albert Market, Liberation Avenue, Banjul, Gambia.



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