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Kleine Geschichten über große Locations.

Bernd Lukasch gehört zu den Leuten, denen man glaubt, was sie sagen. Zwischen Dutzenden Flugmodellen antwortet er auf die Frage, ob er Flugzeuge mag: „Als Verkehrsmittel klar, aber ein aktiver Luftsportler bin ich nicht.“ Lukasch leitet das Museum, das sich den Flugversuchen jenes Anklamer Bürgers widmet, ohne dessen Pionierarbeit keine moderne Luftfahrt vorstellbar wäre: Otto Lilienthal (1848–1896), dem Flügelmann. „Er hat aus einem jahrhundertealten Wunder nüchterne Physik gemacht  – und auch gleich selbst den Beweis dafür erbracht, dass er recht hatte.“ Ein Jahrzehnt später führten die Brüder Wright seine Arbeit fort und flogen erstmals mit Motoren.

Ab 1891 schwebte Lilienthal mit seinen Eigenbaugleitfliegern zunächst 25 Meter, später schon 250 Meter weit. 1896 geriet er in eine Aufwindböe und stürzte ab. So starb der erste Flieger, der das Prinzip „schwerer als Luft“ beherrschte. „Strömungsabriss durch Überziehen“, kommentiert Lukasch, „auch heute eine häufige Unfallursache.“ Und er kann gleich das unglaubliche TV-Interview (ARD, 1964) mit Paul Beylich abspielen, Augenzeuge des Absturzes und erster Flugzeugmechaniker der Weltgeschichte, der seinen Chef um mehr als 60 Jahre überlebt hat.

Vom „Normsegelapparat“, dem ersten Flugzeug in Serienproduktion (neun Stück), hängt in der Lilienthal-Sammlung ein Modell aus den Zwanzigerjahren. „Es wurde einmal als ein Original verkauft“, lächelt Lukasch und verweist auf das weltweit „originalste“ Lilienthal-Modell im Technischen Museum von Wien: „Das einzige Flugzeug unter Glas!“

Neben der Rekonstruktion der Fluggeräte und der historischen Fotosammlung findet man in Anklam auch das Einzelstück einer Dampfmaschine, wie sie Otto und Gustav Lilienthal in ihrer Firma hergestellt haben. Die scheinbar paradoxen physikalischen Gesetze, die sich Otto zunutze gemacht hat, sind an Modellen nachspielbar: zum Beispiel mit zwei Bällen, die sich zusammenziehen, wenn man zwischen ihnen durchbläst. „Das liegt daran, dass wir in einer trägen, zähen Luft leben“, erklärt Lukasch, „von der wir fast nichts merken.“

Privat galten die Lilienthals als „Freiländer“, Anhänger des Wiener Romanciers Theodor Hertzka. So beteiligten sie schon im 19. Jahrhundert ihre Arbeiter am Unternehmensgewinn. „Lilienthal galt als sympathischer Zeitgenosse“, resümiert Lukasch mit dem ihm eigenen Understatement, „aber Überhöhungen braucht er keine.“

Ort

Tipp

Flugpionier. Der Autor reiste auf Einladung von www.abenteuer-flusslandschaft.de und besuchte das Otto-Lilienthal-Museum, www.lilienthal-museum.de, Ellbogenstraße 1, Anklam, Deutschland.

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