Amanshausers Welt: 349 Tschechien

Nach dem Vorfall. Der Himmel über Königgrätz.
Nach dem Vorfall. Der Himmel über Königgrätz.(c) Beigestellt
  • Drucken

Kleine Geschichten über große Locations.

Ort

Tipp

Einmal im Jahr muss der Fiat Panda, Baujahr 1988, den ich in Berlin-Mitte betreibe, für ein paar Tage ins Burgenland fahren, um sein Pickerl abzuholen. Meist nimmt er dafür den Autoreisezug über Hamburg. Diesmal wollte ich sehen, ob er die Distanz aus eigener Kraft schafft. Der alte Panda hat zum Glück kaum Elektronik, daher fallen weniger und simplere Defekte an als bei zeitgenössischen Autos. Sein Nachteil: Er stammt aus einer Zeit, in der man unter dem Begriff Airbag chinesische Übersiedlungstaschen verstand. Sein Material kommt Pappe sehr nahe – man sollte ihn keinen übermäßigen Kräften aussetzen –  ich denke manchmal an zwei Lkw, die ihn in die Zange nehmen. Also fuhr ich allein und setzte die Reisedauer auf drei Tage an.

Von Berlin führte ich den Panda – oder er mich – über Frankfurt an der Oder auf die polnische Autobahn bis Legnica, wo wir nach Tschechien abbogen. Ich war bereits knapp sieben Stunden unterwegs – und ermüdete zusehends. In einem bizarren Sekundenhalbschlaf hörte ich, wie eine Stimme zu mir sagte: „Das Glück ist bei demjenigen, der Glück haben will – vielleicht ein Glüh-Händler.“ Ich bin solche Stimmen beim Einschlafen gewohnt, sie sagen absurde Dinge. Aber jetzt wunderte mich das! Diese spezifische Stimme empfand ich als arges Warnsignal. Ich stoppte, vertrat mir die Füße und notierte als braver Autor den außergewöhnlichen Satz, den ich gehört hatte. Nach einer Minute fuhr ich weiter, was ein Fehler war.

Knapp vor Königgrätz erwachte ich durch einen Riesenkrach und Holterdipolter. Als ich die Augen öffnete, trudelte der Panda mit guten 60 km/h über das Bankett in die hohen Gräser. Zum Glück reagiert der Instinkt besser, als man es selbst täte. Ohne viel zu denken, lenkte ich gegen und gab stoßweise Gas. So schlingerte ich auf die Straße zurück, leider bis tief in die Gegenfahrbahn. Niemand kam mir entgegen. Und letztlich ließ sich der Panda wieder beherrschen.

Mein Herz hämmerte. Ich fuhr nun hellwach dahin und betrachtete die Straßenränder. Harte Bäume, tiefe Gräben. Eigentlich kam keine einzige Stelle mehr, die sich so zum Ausritt eignete wie die, die mein Sekundenschlaf gewählt hatte. Ich lachte hysterisch auf. Überlebt! Endlich einmal positive Nachrichten aus Königgrätz! 27 Kilometer später fuhr ich in das Städtchen ein, wo ich ein Hotel bezog und auf dem Hauptplatz eine Krautsuppe aß. Sie schmeckte unglaublich gut.

Unfallstelle. Auf der Bundesstraße ab Kamienna Gora, Polen, 27 Kilometer vor Hladec Králové (Königgrätz), Tschechien.



www.amanshauser.at

Weitere Kolumnen auf: Schaufenster.DiePresse.com/Amanshauser

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.