Amanshausers Welt: 361 Jordanien

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Kleine Geschichten über große Locations.

Mustafa hatte ein Problem mit Frauen. Er liebte sie. Er sagte das auch, und meistens sagte er es direkt, damit es zu keinem Missverständnis kam. Keine der Frauen in unserer Gruppe war wirklich glücklich darüber. Er sagte es ja nicht nur, er legte dabei auch seine Hand auf ihre Schultern. Sie schoben die Hand weg, standen auf, Mustafa lachte. Er liebte eben Frauen! Am liebsten prüfte er sie ab, denn er brachte seinen Gästen – Mustafa war
Reiseführer – auf den Busfahrten arabische Wörter bei. Irgendwann erzwang er Sitzgelegenheit auf dem Nebenplatz und prüfte die jeweilige Frau. Er war entsetzt, wie wenig sich die jeweilige gemerkt hatte. Er würde
wiederkommen, sagte er zu ihr.Mustafa redete gern, und er hatte sich im Lauf der Karriere eine Menge Informationen angeeignet. Er schimpfte auf Deutsch, „du Schweinehund!“. Es gab zum Thema Jordanien keine Frage, die er nicht beantworten konnte. Und auch der Rest war ihm geläufig. Man müsse nur fragen, er antworte auf alles, sagte er tausendfach. Nur fragen. Auf alles
antworten.

Manchmal sagte Mustafa seltsame Dinge. Kamele gab es seiner Ansicht nach nur in China. Frauen durften keine Milch trinken, wenn sie stillten. Die Juden seien ein besonders aggressives Volk, und man habe sie getötet, weil sie Semiten waren. Und er vertrat die
Meinung, dass es in Jordanien keinen Schwulen gab, keinen einzigen. Nur fragen. Auf alles antworten. Nur fragen. Nächste Frage!

„Du, Mustafa, wieso soll es gerade in Jordanien keine Schwulen geben?“ Mustafa antwortete, dass Schwulsein nicht zu den jordanischen Wesenszügen gehöre. Er schwor hoch und heilig, dass Schwule eben nicht existierten. Es sei schon möglich, dass diverse Jordanier im Ausland zu solchen Gelüsten überredet worden seien und der eine oder andere daran Geschmack gefunden habe. Einheimische würden die Praktiken jedoch überhaupt nicht kennen, wie sollten sie sie dann . . . ?

„Jetzt erzähl’ kein Märchen, Mustafa!“ Wir redeten auf ihn ein. Schließlich gestand er ein, dass es in Jordanien den einen oder anderen Schwulen gab, ganz wenige. Es verhielt sich jedoch laut Mustafa so: In Jordanien waren nur diejenigen schwul, die passiv agierten. Der aktive, männliche Part war nicht schwul. Mustafa blickte verzweifelt in die Runde. Das müsse man ihm schon glauben! Der aktive Part bei zwei Männern war in Jordanien nicht schwul!

Ort

Arabische Geheimnisse –Rundreise durch Jordanien.

Neu: Martin Amanshauser, „Falsch Reisen, Alle machen es, 100 Geschichten“, Picus Verlag 2014.

Tipp

www.amanshauser.at

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