Amanshausers Welt: 367 Kambodscha

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Kleine Geschichten über große Locations.

Ich kaufe mir oft Schuhe, aber es gibt ein Paar, das ich mehrfach besitze: den schwarzen Schlüpfschuh von Cityline. Er ist seit einigen Jahren auf dem Markt, kostet bei Schuhdiskontern um die ­30 Euro und hält bei normalem Gebrauch meist ein gutes Jahr. Von den ausgetretenen oder aufgerissenen Paaren kann ich mich oft nicht sofort trennen, sie stehen eine Zeit lang in der Wohnung herum und stören.

Das wurde mir jüngst zum Verhängnis, als ich in Phnom Penh bemerkte, dass ich nicht das aktuelle Paar Citylines dabei hatte, sondern eines der ausrangierten. Vor allem der linke war ein trauriges Stück Schuh, das Vorderteil der Sohle hatte sich gelöst. Er klappte bei jedem Schritt mit wie ein Krokodilsmaul. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich irgendwo einfädelte. (Ich fragte mich, ob die Kambodschaner den Begriff und das Konzept des Einfädelns verstanden.) Daher hielt ich in Phnom Penh Ausschau nach einem Schuster. An der Ecke 168 und 31 war es so weit: Hier hatte ein ambulanter Schuhreparateur sein Ständchen.

Nun weiß ich, wie der durchschnittliche Schuster in Wien meinen Cityline in einem solchen Fall behandelt. 1) Er sagt: „Da kann man nichts mehr machen, wegschmeißen“ oder 2) er haut viel starken Kleber in die Öffnung, „aber ohne Gewähr“. Der Phnom Penher Schuster interpretierte meine Fragestellung („You glue?“) anders. Er wedelte mit der Hand, zeichnete eine Schlangenlinie in die Luft. Ich nickte vorsichtig und fragte, um ganz unten anzufangen: „One Dollar?“ Er sagte: „Two Dollar.“ Ich gab mich einverstanden, er deutete, ich solle Platz nehmen auf einem Plastikschemel neben ihm, der kaum höher als ein Nachttopf war.

Mit der Schlangenlinie hatte er gemeint, dass er zu nähen gedachte. Der Schuster durchstieß den Schuh an der Naht rundum mit einer dicken, spitzen Nadel, ungefähr vierzig Mal, und zog einen dicken Faden nach. Am Ende verbrannte er die überstehenden Enden mit einem Feuerzeug. Auch der Kleber durfte nicht fehlen. Es war die perfekte Lebensverlängerung für meinen Cityline.
Zum Glück war ich geistesgegenwärtig genug, ihm auch den zweiten Schuh unterzujubeln. Dieser war zwar nur leicht beschädigt, eine Verstärkung würde ihm jedoch guttun. Ich schob ihn dem Schuster hin. „Four Dollar“, sagte er sicherheitshalber, nicht, dass ich glaubte, der zweite Schuh sei irgendwie im Preis des ersten inkludiert. „Four Dollar“, bestätigte ich. 

Ort

Der Autor war eingeladen von Haberl Tours, www.haberltours.com
Schuster Ecke: Street 154 und Street 13,

Phnom Penh, Kambodscha.

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