Amanshausers Welt: 368 Griechenland

(C) Beigestellt
  • Drucken

Kleine Geschichten über große Locations.

Das echte Kreta, alte Weisheit, liegt an der Südküste. An der Nordküste, überschwemmt vom Massentourismus, in Malia, traf ich Gottfried aus dem Frankenland. Er saß in der Squeeze-Bar, dem einzigen Ort, der akzeptable Musik spielte (Oasis und Blur, nicht griechisches Schmalz und nicht Techno), und wischte hektisch über sein Smartphone. Bei jeder zweiten Bewegung blieb er mit dem All-inclusive-Bändchen seiner Hotelanlage irgendwo hängen. Es war Mittagszeit. Er stellte Fotos auf Facebook. Er trank sein zweites Bier.

Wir kamen ins Gespräch. Er erklärte mir, dass Urlaubsbilder weniger Likes erhielten als noch vor ein, zwei Jahren. Facebook, sagte er, behandle solche Posts nicht mehr prioritär. Inzwischen würden Links zu aktuellen Ereignissen topgereiht. Obwohl ich das bezweifelte, meinte ich zu ihm, dass ich es für möglich halte.

Nachhilfestunden. Gottfried meinte selbstkritisch, dass er im Tourismus noch viel zu lernen habe. In seiner Hotelanlage gelte er bereits nach zwei Tagen als schwieriger Gast, Klimaanlage und Kindergeschrei (es hatte für ihn „die gleiche Qualität wie eine gut gesungene Opernarie“), mehrere Zimmerwechsel. Die lokalen Tavernen seien zudem nicht echt, nicht wirklich griechisch, überall diese elenden TV-Bildschirme, auf Gottfried machten diese Orte „den Eindruck eines abgekarteten Spiels“. Aber nun sei er eben da, und er spiele mit. Er bezog sich auf das Folklorestraßenfest des Vorabends. Hier in Griechenland bedeute Folklore vor allem „Verzicht auf Hygiene“ bei der Speisezubereitung. Was ihm imponierte, war die Geschicklichkeit der griechischen Männer beim Tanz. Er mutmaßte, dass ein Volk, das gern tanze, wohl in praktisch-technischen Belangen Defizite aufweise.

Available women. Gestern habe er tatsächlich eine Frau kennengelernt, allerdings nur eine Engländerin, die an der Bar arbeitete. Seiner Ansicht nach war sie „available“ wie alle Britinnen. Er sei aber nicht zum Flirten hier. Über eine Russin, mit der er beim Buffet gesprochen hatte, äußerte er sich ebenfalls. Sie hatte bei den Ährenfischen lange gezögert und sie schließlich mit Ketchup garniert. Gottfried orderte ein drittes Bier und lud mich auf eines ein. Zwischendurch checkte er seine Fotos auf Facebook: Kaum neue Likes. Er sagte, er habe ein schmutziges Geheimnis. Jetzt flüsterte er. Die Begegnung mit dem Meer würde er noch einige Tage hinausschieben, einfach, um sich ein weiteres Fiasko zu ersparen.

Ort

Squeeze-Bar, www.squeezebar.co.uk

20 Malia Beach Road, Kreta 7007, Griechenland.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.