Amanshausers Welt: 391 Italien

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Kleine Geschichten über große Locations.

D avid Lardschneider ist gescheit und eloquent, aber plötzlich stockt er beim Unterfangen, uns, einer Gruppe Journalisten in der kleinsten Hütte Grödens, der Fienile Monte, auf 2260 Metern Seehöhe, den ladinischen Humor zu erklären. Dabei weiß der Sprachwissenschaftler und Redakteur der Wochenzeitung, „La Usc di Ladins“ so ziemlich alles. Usc heißt übrigens Stimme. „Es ist ein derber und direkter Humor. Du wirst ihn im Lauf des Abends kennenlernen.“ Es ist der Humor einer gefährdeten Minderheit von 35.000 Sprechern. Von denen kaufen immerhin 4500 die Zeitung. Draußen tobt ein Schneesturm. Trotzdem ist alles bereit dafür, dass wir demnächst ins Freie gehen, uns zwischen den Zacken der Dolomiten, die im Schwarz liegen, die Skier anschnallen und uns, ausgerüstet mit einem dünnen Stirnlicht, die Tiefschneepiste hinunterstürzen.

Ladinisch ist jene Sprache, die es schafft, bei deutschsprachigen Menschen wie Italienisch und bei Italienern wie Deutsch zu klingen. „Wenn wir reden, denkt ihr oft, dass wir streiten“, erklärt David. „Dabei sind wir doch lieb.“ Stimmt schon – den Satz „ich liebe dich“ kann man allerdings auf Ladinisch nicht sagen. Man „hat einander gern“, das erlaubt die Sprache. Ihre Geschichte ist die einer mehrfach zwischen den Kulturen zerriebenen Volksgruppe. Im besten Sinne: Ein fünfjähriges Kind versteht bereits drei Sprachen: Ladinisch, Deutsch und Italienisch. Und „Tirol“ ist ein ladinisches Wort.

„Es sah wirklich schlecht aus für uns, und nüchtern betrachtet ist es fünf nach zwölf“, sagt David. Würde es so weitergehen wie bisher, „sind wir in fünfzig Jahren keine Ladiner mehr, sondern Süddeutsche und Norditaliener. Mit dem Idiom ginge ein Gefühl verloren, eine emotionale Intelligenz. Und wohl auch die Möglichkeit, in dieser Region ausgleichend einzugreifen.“ Er schenkt den klaren Schnaps der Fienile Monte aus. „Noch interessanter als wir sind nur die Kärntner, weil da das Slawische dazukommt.“ Für Europa mit seiner Sprachenverwirrung seien solche Sprachgrenzregionen – die Ladiner sind sozusagen eine Minderheit in der deutschsprachigen Minderheit – produktiv. „Wer spricht denn schon eine zweite Sprache in Europa? Maximal ein Deutscher. Ein Franzose oder Brite bestimmt nicht.“ David schenkt weiter Schnaps aus und lacht: „Vorsicht! Am Schluss hamma dann zwei tote Journalisten im Bach liegen“, und jetzt haben wir ihn, da ist er ja, der ladinische Humor.

Ort

Ladinisch. Der Autor war eingeladen vom Val-Gardena-Gröden-Marketing. Fienile Monte, kleinste Hütte Grödens, Italien.

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