Amanshausers Welt: 392 Portugal

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Kleine Geschichten über große Locations.

Ich kann mich nicht unterordnen. Ich weiß das und vermeide Situationen, in denen jemand mein Chef sein kann (siehe Berufswahl). Auf Schiffen habe ich ein gespaltenes Verhältnis zu Kapitänen – deshalb schreibe ich so gerne über sie. Dieser war Flusskapitän, befuhr den Douro, hieß Alfredo, war wie ich Jahrgang 68, trug eine Glatze, neigte zur Gewichtszunahme, trat fast nur in Zivil auf und sprach fast ausschließlich mit Frauen.

Wenn ich Alfredo etwas fragte, nickte er und sah während seiner Antwort eine Frau an. Er richtete sein Leben an Bord so ein, dass immer eine Frau dabei war. Da ich mir aus genannten Gründen schwer mit ihm tat, sprach ich ihn nicht mehr an. Ich konversierte dafür mit den beiden alten Matrosen und dem Zahlmeister. Ich erkundigte mich jedoch bei den Frauen, was denn der Kapitän so sagte. Sie meinten, er weiche Fragen über seinen Familienstand aus, be­­schreibe sein tolles Kapitänsleben und seine erfolgreiche Polygamie, deren Basis er in Discos legte. Die Chancen, das Verhältnis zu ihm privater zu machen, stünden auffallend hoch.

Kapitäne bereiten gerne Überraschungen, und dieser überraschte uns am letzten Tag damit, dass wir den Douro verließen und eine kleine Runde im Atlantik drehten. Wenn wir uns beeilten, würde die Nachmittagssonne direkt vor uns im Meer untergehen. Wir durchquerten – oder unterquerten, in unserer Sprache fehlt das Wort – Portos sechs berühmte Brücken. Eine einzelne Wolke flog auf uns zu. Sie hing nicht einige hundert Meter über der Stadt, wie Wolken das normalerweise tun, sondern sie überfiel uns aus dem Nichts. Sie war so unglaublich. Sie brachte eisigen Wind. Als wir die ersten Wellen der Mündung durchstießen, war ringsum nichts mehr als kalter weißer Nebel.

Erstmals begriff ich, wie die raue Atlantikküste funktionierte, und dass man auf See rasch verloren war. Mich schauderte. Kapitän Alfredo hatte wohl ein ähnliches Gefühl, er wendete unser meeresuntaugliches Schiff mit einigem Geschick und auch, falls ich es richtig fühlte, mit ziemlicher Hast. Douroaufwärts entkamen wir der Wolke.
Der Spuk hatte sich bald in Nichts aufgelöst – ein klarer Abend brach an. Ich fragte den Zahlmeister, ob er solche Wolken kenne. Nein, nie gesehen. Die beiden alten Matrosen kannten so etwas auch nicht. Nur der Kapitän erklärte drei Frauen, dass ihm Wetterlagen wie diese regelmäßig, „alle fünfzehn Jahre“, unterkamen.

Ort

Dourofahrt. Der Autor wurde eingeladen von GTA-SKY-WAYS. Atlantikmündung, Porto, Portugal.

Tipp

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