Amanshausers Welt: 393 Burma

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Kleine Geschichten über große Locations.

Völlig irr. Wäre man ausschließlich zu Thingyang in Burma, könnte man den Eindruck erhalten, dass die Burmesen total verrückt geworden sind. Das burmesische Neujahr verwandelt das Land vier Tage lang in ein gigantisches Wasserbomben- und Gartenschlauchfest. Es ist erlaubt, alle Menschen, denen man begegnet (außer Uniformierte, Schwangere und Mönche), mit jeder beliebigen Wassermenge zu überschütten. Die unbeliebte Militärjunta setzt für diese Tage sogar das Versammlungsverbot außer Kraft. Die Burmesen taumeln durch ihren kollektiven Wahnsinn, be-gießen, durchnässen und grölen, als gä- be es kein Morgen. Alkohol spielt ebenfalls eine Rolle. Die Spritzerei hat reinigenden und kühlenden Hintergrund, die Temperatur in Burma erreicht im April 40 Grad. Am Rand der Straßen sind Tribünen als Schießstände aufgebaut, damit keiner der Passierenden dem frischen Bombardement entgeht. Das Paradox besteht darin, dass die in offenen Pickups vorbeiparadierenden Massen sich vordringlich begießen lassen wollen, sich dafür sogar mehrfach von Neuem anstellen, was das ohnehin herrschende Verkehrschaos beträchtlich verschärft.

Vor dem Shangri-La-Hotel weiche ich einer Bande aus, die zwei Gartenschläuche betreibt. Ich renne um mein Leben, sie johlen, es (oder ich) muss ja auch wirklich lustig aussehen. Ein Zehnjähriger verfehlt mich mit einer Wasserbombe. Vor der Sule-Pagode erwischen sie mich dann. Der Junge von fünf Jahren, den ich übersehen habe, schüttet mir einen halben Eimer Wasser auf den Bauch. Von hinten kommt sein Freund, circa sieben, mit einem Schlauch, bis ich pitschnass bin. Eine Viertelstunde Flucht mit einigen Ausweichmanövern trocknet mich halbwegs. Bis sich vor der Shwedagon-Pagode, dort, wo ich es am wenigsten erwarte, ein Kerl aus der Menschenmenge schält und mir – nur mir allein – lachend ein Krügel Wasser über den Kopf leert.

In der Shwedagon beteilige ich mich an einem anderen Ritual. Da ich freitags geboren bin, beschütte ich am (nicht nur an Thingyan dafür vorgesehenen) Freitagsbrunnen einen Buddha und einen Brahma und einen Pfosten und eine kniehohe Katze (oder ist es ein Schwein?) in dieser Reihenfolge mit je drei Schalen Wasser. Ein Umstehender spricht mich an: Ich dürfe hier ruhig weniger energisch schütten, „less aggressive“. Okay, ich mache es sanfter. Man darf sich dabei etwas wünschen. Erzähl ich nicht, sonst erlischt noch der Wunsch.

Ort

Wasserbombe. Der Autor war eingeladen von Singapore Airlines und Ananda Sanctuary (Luxus-Schifffahrten am Irrawaddy); Thingyang-Fest, Shwedagon Pagode, Dagon, Yangon, Burma.

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