Amanshausers Welt: 394 Singapur

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Kleine Geschichten über große Locations.

Eine lokale „Hawker Area“ mitten in Chinatown, so nennt man die offenen Essensbereiche, einige Tische in der Mitte, rundherum Garküchen. Eine davon riecht ziemlich stark nach Mitteleuropa. Kein Koriander, kein Zitronengras. Unter der Aufschrift „Wuerstelstand – The Last Sausage Kiosk before the Equator“ liegen Käsekrainer, Bratwürste und Leberkäse. Der Duft nach frischem Schwarzbrot erfüllt die Luft. „Erich’s Backstube Singapore – original Muffins Austrian Style“: Hinter der Budel steht Erich Sollböck, ein hochgewachsener Mann, dem man ansieht, dass er zupacken kann. Einer, mit dem man leicht ins Gespräch kommt, schließlich ist das sein Job. Besonders gern bringt er das Gespräch auf seine Muffins.

„Muffins sind eine österreichische Erfindung, ist doch klar“, sagt Erich und erklärt mit dem Gesicht des Predigers: „Ist ja letztlich nichts anderes als ein Mohr im Hemd.“ Er hält die Predigt nicht das erste Mal. Nachdem wir kurz die Thematik erörtern, ob wir nun die Mohren im Hemd weiter als solche bezeichnen dürfen oder nicht – wir haben ähnliche Auffassungen –, muss ich zugeben, dass an seiner Muffintheorie einiges dran ist. Sie muss sich nur noch weltweit durchsetzen. Erich ist stilbewusst, aber vor allem ein absoluter Medienprofi. „Du willst ein Foto? Wart, da setz ich meine Kochmütze auf.“ Blitzschnell greift er nach der allzeit bereitstehenden weißen Mütze. Es ist keine Verkleidung: Erich ist gelernter Koch.

Seit 1983 ist der Niederösterreicher weg von daheim, dem Erlauftal (NÖ), er kochte fast überall in Asien, vor 18 Jahren blieb er in Singapur hängen. Es werden noch ein paar Jahre dazukommen, denn Erichs Bratwürste sind bei den Chinesen äußerst beliebt. Ursprünglich wollte er zwei Wochen bleiben, um bei deutschen Freunden auszuhelfen, „aber dann hab ich ihnen gesagt, ich kann euch jetzt nicht hängen lassen“. 2003 ging er in den Ruhestand, „so nennt man das hier, wenn man sich selbstständig macht“. „Was es in Singapur vor allem gibt, ist Toleranz und Völkerbegegnung“, sagt er, „und ein ganz klares Prinzip. Arbeitest du, hast du Geld, wenn nicht, dann hast du keines.“ Er beugt sich über die Theke: „Wir betreiben auch den ersten lokalen Abholmarkt für Stiegl – aber ich weiß nicht, ob du das schreiben darfst.“ Ich sehe ihm fest in die Augen: „Ich darf alles schreiben. ,Die Presse‘ ist frei.“ Erich nickt: „Ist ja nur eine Biersorte.“

Ort

Würstel ohne ü. Der Autor war eingeladen von Singapore Airlines; Erich’s Wuerstelstand, 5 Banda Street, Stall No. 5, Singapur.

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