Amanshausers Welt: 398 Liechtenstein

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Kleine Geschichten über große Locations.

Marcel Telser steht hinter dem Tresen seines Verkaufslokals. „Wir sind die größte Brennerei des Landes, was nichts heißen will, oder?“ Er erwartet keine Widerrede, es ist das habituelle „oder“, besser wohl noch „odr“, das die Menschen westlich des Arlbergs zur Bekräftigung ans Ende ihrer Sätze stellen. „Wir stehen hier im ehemaligen Kuh- und Schweinestall.“ Jetzt sagt er nicht „odr“, denn die Anwesenden können das ja nicht wissen – oder? Nein, keinesfalls, der Raum in dem denkmalgeschützten Gebäude ist bis oben hin mit Hochprozentigem gefüllt. Marcel Telser ist Importeur für Whisky, aber er erzeugt auch Destillate – die Telsers tun das in der vierten Generation.

„Vor hundertdreißig Jahren, als wir anfingen, war es ein anderes Gewerbe. Medizin war teuer, Ärzte ebenfalls – man setzte Kräuter an. Wenn die Tiere Magenprobleme hatten, gab man ihnen einen Aufguss. Es war ja ein dünn besiedelter Bauernstaat hier. Heute geht es um die Genussmittel, wir sind die Generation Whisky, Gin und Rum.“ Ende des letzten Jahrhunderts sah es so aus, als müsste die einzige Brennerei des Landes zusperren. Doch sein Vater Sebastian, der sich das Gewerbe erst nach dem Tod des Großvaters angeeignet hatte, gab nicht auf.

Telser studierte Jura in Fribourg, aber schließlich wurde er doch zu einem von denen, die im Liechtensteiner Treuhandwesen wirkten. Nach einem Burn-out sattelte er auf etwas Sinnvolleres um – und auf das Naheliegende. Er investierte, kaufte neues Equipment – heute steht er stundenlang, abwechselnd mit seiner Frau, vor seinen beiden holzbefeuerten Brennereianlagen. „Was wir machen, ist immer noch Fruchtdestillation“, sagt er. „Die 37.000 Liechtensteiner sind als Abnehmer zu wenig, die Schweiz ist ein kaufkräftiger Markt, aber das ist immer noch zu klein, um zu überleben. Daher konzentrieren wir uns auf den internationalen Markt. Wir werden auch in Rum investieren.“

Telser erzeugt heute einen Grappa, den er nicht so nennen darf, produziert einen Whisky, für den er die höchsten Auszeichnungen errungen hat, in erster Linie aber destilliert er Gin. „Gin ist das dankbarste Getränk. Aber Vorsicht. Letzten Sommer hätte ich mir fast das Haus abgefackelt – ein sehr gefährlicher Stoff. Das war wirklich illustrativ.“ Marcel Telser hofft, dass neben der Qualität seiner Destillate auch das Alleinstellungsmerkmal hilft: „Liechtenstein ist eine Marke an sich – hat was Besonderes – hat was Fürstliches. Odr?“ Und jetzt muss er lachen.

Tipp

Schnapsphilosoph. Der Autor war eingeladen vom Liechtenstein Marketing.

Verkaufsshop von Marcel Telser bei der Brennerei Telser, Dorfstrasse 67, FL-9495 Triesen, Liechtenstein.

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