Amanshausers Welt: 412 Thailand

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Kleine Geschichten über große Locations.

Ich halte Eltern für seltsam, die ihre Kinder im Urlaub extern betreuen lassen oder gar mit Babysitterinnen und Kindermädchen verreisen – als bestünde eine Reise nur aus „quality time“. Aber in unserem Hotel in Pattaya wird Babysitting – zu europäischen Preisen – angeboten, und das möchte ich schon ausprobieren, zumindest für zwei Stunden. „Findest du das denn nicht peinlich?“, fragt meine Freundin erstaunt, die meine Meinung zum Thema Kinderbetreuung im Urlaub kennt. „Wieso soll ,quality time‘ peinlich sein?“, antworte ich, „wir beide setzen uns einfach in eines dieser interessanten Nuttenlokale – und beobachten die Vorgänge aus sozialem Interesse.“ Da stellt sich heraus, dass sich meine Freundin unter „quality time“ eher „bei einem Kaffee miteinander sprechen“ vorstellt.

Bald klopft Supakorn, die offizielle Babysitterin, an der Hotelzimmertür. Supakorn ist höchstens 20 und trägt ein Schildchen, auf dem Supakorn steht. Wir sagen ihr, dass die Kinder kein Englisch beherrschen, sie soll ruhig Thai mit ihnen sprechen. Supakorn erwidert: „No, English is good“, hält den Kindern jedoch eine komplizierte Begrüßungsansprache auf Thai. Der Kleinere skandiert: „Supa Korn, Supa Korn.“ Sie starrt ihn entsetzt an. Ich sage, großartig, dass sie einfach Thai mit ihnen spricht, doch sie wiederholt: „No, English is good.“ Da wird mir klar, dass sie die ganze Zeit Englisch gesprochen hat, aber eben mit starkem Thai-Akzent. Wir seufzen, sagen „Wonderful“ und verabschieden uns. Die Kinder heulen und schreien. Supakorn nähert sich ihnen linkisch an und spricht dabei „Englisch“. Das Letzte, was ich höre, ist die jammernde Stimme des Größeren: „Papa, ich glaub, Supakorn ist verrückt.“ Schnell Tür zu.

Spielen? „Was Supakorn wohl mit ihnen macht?“, frage ich im Thai-Kaffeehaus. „Spielen“, antwortet meine Freundin. „Eh“, sage ich, „aber mir fällt es irgendwie schwer, die ,quality time‘ zu genießen.“ Meine Freundin erwidert mit unerschütterlichem Optimismus, Supakorn werde sich bestimmt als super herausstellen. Als wir ins Hotelzimmer zurückkommen, balgt, ja kämpft Supakorn mit den Kindern. Sie versuchen wild schreiend, die Balkontür zu öffnen, Supakorn hat ihre filigrane Figur dazwischen platziert, atmet schnell, wankt, und plappert mit hochrotem Kopf auf „Englisch“. Als wir die Kinder später aushorchen, welche Qualität das Babysitting von Supakorn so hatte, sagen sie immer nur ein Wort: „Super!“

Ort

Babysitting. In einem Hotel der höchsten Preisklasse in Pattaya, Thailand.
Der Autor war privat unterwegs.

Neu: Martin Amanshauser, „Der Fisch in der Streichholzschachtel“, Roman, Deuticke.

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