Amanshausers Welt: 431 Hongkong

Sehnsuchtsbild. Grüntee in Hongkong, so, wie er sein soll.
Sehnsuchtsbild. Grüntee in Hongkong, so, wie er sein soll.(c) Amanshausers
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Kleine Geschichten über große Locations.

Was ich an Hongkong liebe, sind Nudelsuppen und Missverständnisse. Auf dem Hongkong-Airport-Terminal 2 liegt recht abseits ein Lokal namens Hong Kong Delights. Man spricht dort nur Kantonesisch und Zeichensprache, deshalb gibt es nur Suppen und ein Bestellsystem, bei dem man die Einlage auf einem englischen Formular ankreuzt.

Ich wähle für meine Frühstückssuppe dicke Nudeln, Kutteln, gebeiztes Ei und Tintenfisch. Dazu bringt die nette Mama, die serviert, eine Curry-Chili-Sauce, mit deren vorsichtiger Anwendung ich sofort hohe Schärfegrade erziele. Die Farbe der Suppe war vorher weiß, jetzt ist sie rosa. Nach ein paar Bissen rinnen mir Schweißbäche in den Nacken.

Laut Bestellformular handelt es sich um eine Frühstückssuppe mit „tea complimentary“. Die Chinesin, die meine Bestellung, Green Tea, nicht versteht, bringt mir Milchtee mit Strohhalm. Ein Einheimischer gegenüber trinkt durchaus grünen Tee. Als ich den Milchtee weghabe, deute ich auf ihn und sage „green, green“. Sie nickt beflissen und bringt einen Krug frisches Wasser. Ich sage Nein, „new green tea“ bitte, ich zahle ja. Um meine Zahlungsfreudigkeit zu illustrieren, schreibe ich mit einem imaginären Stift Zahlen in die Luft. Sie schüttelt verständnislos den Kopf. Die Kantonesen haben offenbar andere Gebärden. Ich versuche das Geldzeichen mit Daumen und Zeigefinger. Sie lacht verschämt in ihre Faust. Meine Geste heißt wohl Hühnerfutter oder Hochzeitsnacht oder noch Schlimmeres.

Auf den Einheimischen, dem sie neuen grünen Tee serviert hat, wage ich nicht mehr zu deuten, da sie sonst denken könnte, ich möchte ihn als Vermittler engagieren, oder dafür, dass er meine Rechnung zahlt. Ich zücke mein Geldtäschchen und schwenke einen kleinen Schein unter ihrer Nase: „Please, new green tea!“ Freundlich, doch mit Panik in den Augen, winkt sie ab.

Gerade, als ich aufzustehen beschließe, um die internationalen Morsezeichen für grünen Tee in der Küche vorzutanzen, hat sie den Geistesblitz.

Und jetzt steht er da, der nächste schwarze Milchtee, wieder mit Strohhalm, aber diesmal nicht in der Tasse, sondern in einem Blechnapf, man sinkt ja in der Achtung. Die Rechnung schleudert sie mir auch hin. Der Zusatztee, lese ich ab, kostet fast so viel wie das ganze Suppenfrühstück mit Tee. Doch ich habe den Wert der Hongkong-Dollar noch nicht durchschaut, daher lächle ich sie an. Sie mich jetzt auch.

Ort

Suppe und Tee. Der Autor war mit seinem Roman „Der Fisch in der Streichholzschachtel“ vom Österreichischen Generalkonsulat Hongkong eingeladen; HK Airport, T2, Hong Kong Delights.

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