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Synagoge Miami. Jüdische Missis Florida, effiziente Eingangskontrolle.
Synagoge Miami. Jüdische Missis Florida, effiziente Eingangskontrolle.(c) Amanshauser
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Kleine Geschichten über große Locations.

Im Süden von Miami South Beach ist wenig los. Die Partymeile ist übergegangen in friedliche Gefilde, kaum jemand betreibt hier noch einen Shop. Die Synagoge von 1936, mit Art-déco-Elementen, schmiegt sich an die Synagoge von 1929. Beide sind heute Museen, und Besucher müssen sich einer US-flughafenartigen Visitation unterziehen.

Die Dame, die den Eintrittspreis abknöpft, würde ich jederzeit gern als Tante nehmen. „Kommen Sie doch heute zum Konzert!“, sagt sie. Welche Art von Musik es denn sei, frage ich. „Weiß ich nicht, steht aber auf diesem Folder.“ Herzlich drückt sie mir Prospekte in die Hand und einen Aufkleber auf das Shirt, bevor sie mich in eine Touristengruppe schiebt, die in Kürze einer Führung unterzogen werden soll.

Die Führung ist okay, doch so früh wie möglich stehle ich mich davon und schlendere mit eingezogenem Kopf durch die permanente Sammlung. Sie zeigt das jüdische Leben Floridas. So gelangten etwa 10.000 Juden nach der Kuba-Revolution nach Miami. Aus Privatnachlässen werden Erfolgsgeschichten nachgezeichnet, u. a. von der ersten Miss (1885) und weiteren jüdischen Missis Florida. Doch es gibt auch Ansichtskarten von Hotels, die „Hunde, Kinder bis zwölf and hebrew religion“ nicht einließen oder ihre Ausschlusspolitik als „gentile“ bzw. „restricted clientele“ verschlüsselten.

Im Nebenraum wartet eine Überraschung aus dem Keller der Zentrale von Saddam Husseins Geheimdienst. Ein US-Army-Team machte im Jahr 2003 große Augen, als sie dort über 2700 Bücher und zehntausende Dokumente aus dem jüdischen Leben Bagdads auffanden – in durchnässtem Zustand. Eine hebräische Bibel von 1568, ein Torafragment der Genesis, einen Torabehälter, aber auch ein Haggadabuch, gedruckt 1930 „in Wien 1, Seitenstettengasse 5, bei Jos. Schlesinger“. Oder Dokumente von der jüdischen „Frank Ivy Intermediate School“ in Bagdad, die 1973 endgültig schloss. Oder einfach Gebrauchskalender 1950–73 auf Hebräisch und Arabisch. Das jüdische Leben in der uralten Stadt hatte Tausende Jahre funktioniert, erst vor Kurzem kam es zum Erliegen.

„Es ist eine Wanderausstellung“, sagt die Dame, die ich als Tante engagieren würde, am Ausgang. „Sie bleibt hier bis zum 6. März, dann kommt sie nach Atlanta, dann geht sie zurück in den Irak.“ Ich starre sie an: „Äh . . . die kriegen das wieder?“ Sie lächelt: „Es ist alles digitalisiert. Was die Iraker damit machen . . . nobody knows.“

Ort

Lebensgeschichten. Jewish Museum of Florida, www.jmof.fiu.edu; „Discovery and Recovery:
Preserving Iraqi Jewish Heritage“; 301 Washington Avenue, Ecke 2nd, Miami Beach, Florida, USA.

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