Amanshausers Welt: 450 Nordirland

Katholisches Pub: Das Nationalteam heißt – Belfast.
Katholisches Pub: Das Nationalteam heißt – Belfast.(c) Amanshauser
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Kleine Geschichten über große Locations.

Diese Geschichte wollte ich zwei Tage vor dem EM-Finale platzieren, doch das „Schaufenster“ geht in die Sommerpause, und diese „Amanshausers Welt“ schrumpft vorübergehend auf hübsche, wöchentliche Fotostrecken auf unserer Website zusammen. Daher schon heute eine Fußnote zum Team aus Nordirland. Über die Ausgeschiedenen spricht man ja viel zu wenig – dabei sind sie die Interessantesten.

Das Auftaktspiel dieser Mannschaft verfolgte ich in einem Pub in Newcastle (Süd-Nordirland). Ich erwartete Begeisterungsstimmung, aber niemand im Quinns schien sich um die eigene Nationalmannschaft zu scheren. Auf der Hälfte der Bildschirme lief das Rugby-Ulstercup-Viertelfinale. Nicht einmal die nordirischen Kellner warfen einen Blick auf die Mannschaft Nordirlands, die sich gerade anschickte, gegen Polen zu ver­lieren.

Die Polen schossen fast das erste Tor, und der Mann neben mir ballte leise lachend die Faust. Ich fragte ihn, ob er Pole sei. „Nein“, sagte er, „irischer Seemann.“ Aus dieser Stadt? „Aus Newcastle, klar.“ – „Wieso helfen Sie nicht zu Ihrem Land?“ – „Haha“, lachte er und verfiel in den Flüsterton, „wir sind katholisch. Uns ist egal, wie diese Mannschaft aus Belfast spielt. Je mehr Tore der Gegner schießt, desto besser. Aber wir zeigen die Freude nicht. Der Frieden in Nordirland hält erst kurz, im Pub darf man nicht provozieren, die Wände haben Ohren.“

Ich erinnerte mich daran, dass man in den Pubs keine Fußballdressen tragen und nicht über Politik sprechen durfte – sonst gab es Lokalverbot. Ein bisschen konnte ich ihn ja auch verstehen. Als Rapid-Fan würde ich es nicht so grandios finden, wenn die Austria in der Champions League spielen würde. Wenn sie dann ein Tor kassierten, würde ich zwar den Jubel unterdrücken, aus Sportlichkeit, aber innerlich lächeln. Dabei bin ich nicht einmal (rapid-)religiös.

„Außerdem ist Fußball so Scheiße. Babys hungern, verstehst du?“ Ich fragte, für wen der Seemann denn bei der EM hielt. „Republik Irland!“, rief er mit unterdrückter Freude. Ich fragte, ob bei den Nordiren keine Katholiken spielten? „Kommt kaum vor“, sagte er, und sein Mund öffnete sich erfreut. Ein unterdrückter Aufschrei im Pub, 1:0 für Polen! Kollektives Aufatmen – endlich lag die Mannschaft ihres Landes hinten. „Ist ohnehin ein Mirakel, wie Belfast sich für dieses Turnier qualifizieren konnte“, sagte der Seemann. „Kommst du morgen? Republik Irland spielt!“

Ort

Fußballkrieg? Der Autor war eingeladen von Tourism Ireland, www.ireland.com;
Quinns Bar, 62–64 Main Street, Newcastle BT33 0AE, Nordirland (Vereinigtes Königreich).

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