Amanshausers Album: Im Sand

★ Stürme wie Hewart in diesem Spätherbst greifen die Küstendünen an. Hier: die Abbruchkante zwischen Nordstrand und Weißer Düne auf Norderney in Ostfriesland.
★ Stürme wie Hewart in diesem Spätherbst greifen die Küstendünen an. Hier: die Abbruchkante zwischen Nordstrand und Weißer Düne auf Norderney in Ostfriesland.(c) imago/Priller&Maug
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32 - Wir benötigen Strandsand. Er schützt Städte und Landschaften. Doch viele Länder betreiben Raubbau.

Für das Übergehen der Meeresbadewanne fehlt uns der innere Kompass. Mir ist das Meer ja unheimlich, vor allem seit 2004, als klar wurde, was ein Tsunami anrichtet. 230.000 Menschen starben, Zehntausende verloren die Lebensgrundlage, unter anderem wegen der Zerstörung von Küsten. Seit ich am Lido von Venedig eine Art Minitsunami erlebte, stehe ich oft naserümpfend am Wasser und starre zum Horizont. Bei Sonnenschein kam eine Welle heran, nicht höher als die vorherigen. Sie ergoss sich, circa 20 Zentimeter hoch, über alles.

Als schüttete ein böser Gott einen Rieseneimer aus. Das Meer streckte die Zunge nach uns aus, Leute stemmten Babys und Taschen in die Luft, Liegen und Sonnenschirme wirbelten im Kreis, Wasser schwappte bis in die Hinterreihen des Strandtheaters. Zum Glück zog es sich dann zurück. Es hinterließ eine Brühe von sumpfigem Sand und feuchten Fetzen. Viele suchten im Schlamm nach ihren Habseligkeiten. Niemand konnte sagen, was das gewesen war. Es kam nicht wieder.

Jüngst drangen Orkane ins kollektive Bewusstsein. Der letzte, Hewart, vernichtete in Form einer Sturmflut 80 Prozent des Strandes der ostfriesischen Insel Wangerooge. Er hinterließ eine Abbruchkanten-Steilküste. Bei der vorigen Katastrophe (2016) musste diese schlecht geschützte Wattenmeer-Insel 80.000 Kubikmeter Sand neu aufschütten lassen: teuer.

Die Menschheit sieht sich einer dramatischen Sandknappheit gegenüber. Denn unsere Bauindustrie benötigt Quarzsand  – keinen Wüstensand – und die Ressource ist begrenzt. Überall gefährden steigende Meeresspiegel die Vegetation, erodieren Küsten, verschwinden Inseln. Ist Sand einmal weg, bildet sich neuer erst in Hunderttausenden Jahren. So lang mag kein Tourism Board warten. In Ländern wie Indien zählt die Sandmafia zu den alltäglichen Themen. Auch Indonesien und Marokko zerstören ihre Strände, so gut sie können. Aber geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns ja allen gut! Könnte die Weltpolitik nicht all die Klimawandelbeschleuniger mit Gesetzen einbremsen? Am besten jetzt. Irgendwann muss es ja sein.

www.amanshauser.at

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