Polo: Hoch zu Elefant

(c) Carolyn Aigner
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Mächtige Dickhäuterinnen, ein winziger Ball und ellenlange Schläger sind die Zutaten für eine der ungewöhnlichsten Sportarten der Welt – Elefantenpolo.

„Goal, goal, goal!“ David, der gutaussehende Businessman aus London, kann es nicht fassen. Gerade hat er den winzigen Poloball durch die massigen Stampfer der grauen Riesen direkt ins Tor bugsiert.

Es ist „National Elefant Day“, einer der wichtigsten Feiertage im Goldenen Dreieck Thailands, an dem zur Belustigung von Dickhäutern und Menschen ein Spaßturnier für Gäste stattfindet. Elefanten sind behäbig und langsam? Mitnichten! Das glaubt nur, wer noch nie ein Elefantenpolospiel gesehen oder gar daran teilgenommen hat. Es geht zwar etwas gemütlicher zu als bei klassischen Polospielen, doch das Tempo der Dschungellaster ist nicht zu unterschätzen. Mit flatternden Ohren jagen sie über den Pitch in der Größe eines Fußballfeldes Richtung Tor. Eine Spielrunde, bei der drei Teams gegen drei andere antreten, dauert zwar lediglich sieben Minuten, verlangt den Reitern jedoch die volle Kondition ab. Das Team auf dem Rücken des Dickhäuters besteht aus dem Mahout, dem ausgebildeten Elefantenführer, der den Elephas maximus lenkt, während der Polospieler hinter ihm auf einem strohgefüllten Kissen festgeschnallt ist. Aus dieser Position versucht der Spieler nun den nur sieben Zentimeter großen Poloball mit einem zwei bis drei Meter langen Bambusschläger in das gegnerische Tor zu schießen. Klingt einfach? Ist es aber nicht. Nach läppischen sieben Minuten bei 35 Grad im Schatten und einer bizarren Schüttelpartie ist man schweißnass und mit den Kräften völlig am Ende. 



Elefantenpolo – wer kam auf diese verrückte Idee? Jim Edwards und James Manclark, zwei gelangweilte Briten. 1981 saßen die beiden in St. Moritz zusammen. „Du hast doch in Asien ein paar Elefanten?“, fragte Jim Edwards. „Wollen wir nicht Elefantenpolo spielen?“ Gesagt, getan: Eine neue Sportart war geboren. Was in Nepal seinen Anfang nahm, fand schnell in Indien, Sri Lanka und Thailand eine begeisterte Fangemeinde. Mittlerweile gibt es in jedem der Länder eigene Meisterschaften.
Das weltweit bedeutendste Turnier, der King’s Cup, findet seit 2001 regelmäßig in Thailand statt. Da trifft deutscher Hochadel, etwa Prinz Carl-Eugen zu Oettingen-Wallerstein – im normalen Sportleben begeisterter Pferdepolospieler – auf durchgeknallte US-Amerikaner, reiche Sportler aus Nepal und Hongkong, thailändische Pferdepolo-Nationalspieler und neuseeländische Rugby-Stars. Hoch zu Elefant kämpfen jährlich zwölf Polomannschaften um den Titel. Seit einigen Jahren hat auch die Emanzipation in diesen Sport Einzug gehalten: Auf den Rücken der Dickhäuter finden sich immer öfter zarte Frauen. Einziges Zugeständnis an die sportlichen Damen: Sie dürfen den Schläger mit beiden Händen halten.

Zeitvertreib für einen guten Zweck. Der King’s Cup dient aber nicht nur der Belustigung der Besucher, sondern wurde vor allem als Benefizveranstaltung für Elefanten ins Leben gerufen. „Wir mieten die Tiere für zwei Wochen, bezahlen die Mahouts gut und bieten den Tieren reichlich Futter sowie medizinische Versorgung, die sie sonst wahrscheinlich niemals bekämen“, erklärte Mark Thomson vom veranstaltenden Anantara-Hotelkonzern.
Von den Einnahmen werden verschiedenste Vorhaben finanziert. Etwa ein Elefantenkrankenhaus in Südthailand oder ein Projekt der Universität ­Chiang­ Mai, bei dem Elefanten in der Therapie von autistischen Kindern eingesetzt werden. Subventioniert wird auch ein Programm, das sich im Gebiet Kanchanaburi um ein konfliktfreies Zusammenleben von wilden Elefanten und Menschen bemüht. In den vergangenen sechs Jahren konnten, erzählt Thomson, rund 600.000 US-Dollar für den guten Zweck lukriert werden – nicht zuletzt durch das Interesse großer internationaler Unternehmen wie Mercedes und IBM, PricewaterhouseCoopers und Johnnie Walker, die ihre Teams für je 20.000 Dollar Startgebühr ins Rennen schicken und die Teilnahme unter Social Responsibility verbuchen.

Vom heiligen Kulturgut zum bettelnden Clow
n. Elefanten sind in Thailand heilig. Dienten sie im alten Siam noch als Kriegselefanten, so leisteten sie später wertvolle Dienste als Waldarbeiter – rodeten Bäume, transportierten und stapelten das Holz, bis der König Ende der Achtzigerjahre das Abholzen zu wirtschaftlichen Zwecken untersagte. Gut für die Umwelt, doch verheerend für die Rüsseltiere. Die meisten wurden arbeitslos und landeten als Bettelelefanten regelrecht auf der Straße. Da ihre Erhaltung sehr teuer ist –  ein ausgewachsenes Tier verdrückt täglich rund 250 Kilogramm Futter, Laub, Bambus, Gras, Obst und Bananen – müssen sie sich ihr tägliches Obst mittlerweile auf dem Großstadtpflaster der Tourismushochburgen verdienen. Aufgeputzt wie  Clowns müssen sie zu ohrenbetäubender Musik herumhopsen, Bilder malen oder unwürdige Kunststücke vorführen – ein trauriges Schauspiel zum Gaudium spendierfreudiger Touristen. Die würdevolle Kreatur, das größte Landsäugetier der Erde, ist zum Zirkustier degradiert.
Obwohl sie so stark und robust wirken, ist das Leben im dicht besiedelten Gebiet für die sensiblen Dickhäuter eine Qual: Der Verkehr versetzt sie in Panik, sie reißen aus, werden von Autos angefahren oder fallen in Straßengräben.

Nur einige haben das Glück, in touristisch finanzierten Elefantencamps ein halbwegs artgerechtes Zuhause zu finden. Zum Beispiel im „Elefant Conservation Camp“ des britischen Wissenschaftlers John Roberts in Chiang Saen im äußersten Norden Thailands. John ist einer jener Menschen, die ihr Leben dem Schutz der sanften Riesen verschrieben haben. Mit Unterstützung zweier großer Hotelketten hat er hier, an der Grenze zu Laos und Burma, 2005 das Elefantencamp aufgebaut. Begonnen hat Roberts mit fünf Elefanten, die er „von der Straße holte“. Gegenwärtig sind es 27 Tiere im Alter zwischen drei und 57 Jahren, die mit ihren Mahouts und deren Familien in einem eigens errichteten Dorf untergebracht sind.

„Es gibt noch rund 5000 Elefanten in Thailand, nur etwa 1500 davon leben in der Wildnis, der Rest sind vielfach ehemalige Arbeitselefanten“, sagt Camp-Leiter John, der auch ein Zeichen gegen den Tierhandel setzen will. „Wir kaufen grundsätzlich keine Elefanten, wir mieten sie. Wir zahlen den Mahouts einen guten Lohn und geben ihnen mit ihren Familien eine Wohngelegenheit. Würden wir ihnen die Tiere abkaufen, würden sie mit diesem Geld einen neuen Elefanten anschaffen und wieder mit ihm betteln gehen“, erklärt Roberts. Unwürdige Kunststücke gibt es hier nicht. Stattdessen sorgen Jungtiere, die jeden Morgen auf der  Frühstücksterrasse erscheinen, um sich mit einigen Kilo Bananen füttern zu lassen, für Begeisterung bei den Urlaubern. Oder die ein- bis dreitägigen Mahout-Trainings, bei denen die Gäste viel über die grauen Riesen lernen können. Etwa, dass es mit Afrikanischen Elefanten undenkbar wäre, Elefantenpolo zu spielen. Afrikanische Elefanten sind nicht so friedfertig wie ihre asiatischen Artgenossen. Zudem kommen nur weibliche Elefanten auf ein Polospielfeld. „Die Elefantendamen sind viel sanftmütiger und weniger aggressiv als die Bullen“, sagt Roberts, der geeignete Tiere für den massigen Sport auswählt. „Nicht jeder Elefant kann und will Polo spielen. Wir nehmen nur jene, denen Spielen und Laufen Freude bereiten.“ Elefantenpolo sei eben Spaß und keine Arbeit – zumindest für die Elefanten.

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