Quirimba-Archipel: Vergessene Schwestern

Das Quirimba-Archipel vor Mosambik lockt mit farbenfrohen Riffen und der unentdeckten Altstadt von Ibo. Doch nicht nur Touristen interessieren sich für diese entlegenen Inseln.

us der Luft, durch die verschmierten Scheiben eines Propeller-Flugzeugs, betrachtet, sehen die Quirimbas fast so aus, als hätte man die Malediven vor die Küste Afrikas verpflanzt: eben noch die endlose Savanne von Mosambik, ockerbraunes Buschland, durch das sich hin und wieder ein ausgetrocknetes Flussbett wie eine sandfarbene Viper schlängelt. Über dem von Mangroven dunkelgrün gefärbten Küstenstreifen setzt die Cessna zur Landung an. Ihr Ziel ist ein Koralleneiland im Türkis des Indischen Ozeans, eine von schillernden Riffen und weißen Sandbänken umgebene Insel, ein funkelnder Kontrast zur monotonen Steppenlandschaft Ostafrikas.


Die 30 Inselchen des Quirimbas-Archipels ziehen sich etwa 200 Kilometer entlang der nördlichen Küste Mosambiks von der Hafenstadt Pemba bis zur Grenze Tansanias. Nach dem 16-jährigen Bürgerkrieg bis 1992 und dem wirtschaftlichen Niedergang in der Folge öffnet sich Mosambik langsam wieder dem Tourismus. Die Quirimbas wurden in den letzten Jahren vor allem von den Südafrikanern wiederentdeckt. Viele Taucher zählen ihre unberührten Riffe zu den schönsten Afrikas.
Doch nicht nur für sie gibt es auf dem Archipel einiges zu erkunden. Für Kulturtouristen hält die Inselgruppe eine besondere Überraschung bereit. Auf der Insel Ibo im Süden des Archipels können Besucher ein Kolonialstädtchen erkunden, das einst mit Sansibar um die Vormacht um den Sklaven- und Elfenbeinhandel an der ostafrikanischen Küste konkurrierte.


„Ibo ist die vergessene Schwester von Sansibar“, sagt João Baptista, „hier gibt es genau so viel Geschichte zu entdecken.“ Der Insulaner ist weit über 80. Als er ein Bub war, erinnerten sich die Ältesten noch an die Schrecken der Sklaverei. Baptista sitzt auf der Veranda seines Kolonialhäuschens in der Rua Fortaleza. Seinen alten Holzsessel scheint er seit Jahrzehnten nicht verlassen zu haben. Hier wartet er nun auf Touristen. Wer immer Zeit hat, ihm zuzuhören – der Hobbyhistoriker liebt es, Geschichten über seine Insel zu erzählen: von den Arabern und Vasco da Gama, von Piraten, Eroberern und Kolonialministern. Auf vergilbten Papierbögen hat er Namen und Daten seiner Insel gesammelt, die das Gedächtnis nun manchmal nicht mehr preisgeben will. Geschichten von der goldenen Zeit Ibos, als sich Holländer, Franzosen und Portugiesen um das Eiland zankten und Händler aus aller Herren Länder hier Waren auf ihre Schiffe luden.

Vergessen. Gleich drei Festungen haben die Portugiesen auf Ibo hinterlassen. Am eindrucksvollsten ist die sternförmige Fortaleza São João Batista von 1791. Ihre Kanonen sind auf das Meer gerichtet, als versuchten dort noch immer Angreifer, die alte Handelsstation zu erobern. Im Hof der Festung verarbeiten heute Silberschmiede alte Münzen zu Schmuck. Mit viel Kundschaft scheinen sie allerdings nicht zu rechnen. „Wenn der Name von Ibo nicht in Vergessenheit geraten wäre“, sagt Baptista – er hält inne und scheint einen Moment lang wieder vergeblich nach Erinnerungen in seinem Gedächtnis zu graben. „Ibo könnte ein großes Touristenziel in Afrika sein.“
Mancherorts erinnert die Insel an die Kolonialstädte im Nordosten Brasiliens. Auch hier auf Ibo haben die Portugiesen teils prächtige Stadthäuser errichtet, die früher bunt gestrichen waren. Heute blättert die Farbe überall ab, viele der einst stolzen Paläste sind dem Verfall preisgegeben. Zwischen von Schlingpflanzen überwucherten Mauern grasen Ziegen, Frauen in bunten Tüchern sind mit Plastikeimern auf dem Weg zum Brunnen. Ibo ist eine bewohnte Ruinenstadt, deren Glanz der Vergangenheit angehört. Erst verlor die Insel ihre Vormachtstellung als Militär- und Handelsstützpunkt, schließlich auch ihren Hauptstadtstatus der Provinz Cabo Delgado. Am Ende schien die Insel auch bei den Touristen in Vergessenheit zu geraten. Aber vielleicht ändert sich das ja in den nächsten Jahren.


„Mosambik rückt groß in den Fokus“, sagt Jörg Salzer, „aber Massentourismus wird hier nie Thema sein.“ Der Heilbronner kaufte vor Jahren gemeinsam mit einem französischen Freund für 1200 Dollar eine Ruine aus der Kolonialzeit und baute sie zum Gästehaus um. Die weiße, säulengestützte Fassade der Miti Miwiri Lodge lässt heute wieder den Stolz der ersten Bewohner erahnen. „Als ich kam, gab es keine Hotels auf Ibo“, erzählt Salzer, „nun kommen langsam, aber stetig die Touristen.“ 2004 kündigte der 37-Jährige seinen Job bei der Kreissparkasse, fuhr mit dem Fahrrad durch Afrika und fand schließlich auf den Quirimbas ein neues Zuhause. Den Namen Ibo hatte er vorher nie gehört. Seither hat sich auf den Inseln einiges geändert. Auch deshalb, weil sich plötzlich nicht nur Touristen für die entlegene Region interessieren. Unweit des Quirimbas-Nationalparks wurden unlängst riesige Erdgasvorkommen entdeckt. Europäische, amerikanische und asiatische Energiekonzerne, darunter ENI, Anadarko und Total, drängen darauf, das an der Küste nahe der Grenze zu Tansania gelegene Rovuma-Becken weiter zu erschließen. Mosambiks Politiker wittern das große Geschäft.


Die Konzerne schaffen eine neue Infrastruktur. Welche Risken das für die Umwelt und die lokale Bevölkerung mit sich bringt, fragt sich in der Regierung derzeit wohl kaum einer. Zu groß ist die Euphorie, die Mosambik schon als das Qatar Afrikas sieht. In Pemba, der neuen Hauptstadt Cabo Delgados, hat sich in den letzten zehn Jahren die Einwohnerzahl fast verdoppelt. Die Hafenstadt ist Ausgangspunkt für die Schiffe der Konzernriesen und Touristen, die die Quirimbas besuchen möchten. „Niemand kann im Moment sagen, was die Gasförderung langfristig für die Riffe bedeutet“, sagt Jamie Lonsdale. Der Südafrikaner arbeitet auf der Badeinsel Medjumbe als Tauchlehrer. „Die Bohrungen haben einige der kleineren Fische getötet. Es wird sich zeigen, ob die Konzerne in Zukunft verantwortungsvoll handeln.“

Neue Riffe. Medjumbe ist ein Koralleneiland, das bei Flitterwöchlern genauso beliebt ist wie bei Zugvögeln auf dem Weg nach Südafrika. Wenn die Pärchen nicht nur faul am weißen Sandstrand liegen wollen, tauchen sie mit Lonsdale in Wolken aus grellfarbigen Papagei­fischen und bekommen mit Glück auch Delphine oder Meeresschildkröten zu sehen. „Wo sonst auf der Welt kann man noch heute neue Riffe entdecken“, schwärmt Lonsdale. Er tauchte bereits mit zwölf Jahren zum ersten Mal in Mosambik und kam seither immer wieder zurück. „Ich glaube, die Quirimbas werden auch in Zukunft ein wohlgehütetes Geheimnis bleiben.“ Er hofft, dass die Insulaner die Schönheit ihres Archipels zu bewahren wissen. Auf Medjumbe ist von dem neuen Aufschwung um die Gasfelder nichts zu spüren. Wie seit eh und je fischen die Einheimischen von der Küste und den umliegenden Inseln immer noch mit ihren traditionellen Dhaus. Am frühen Morgen ziehen Dutzende ihrer weißen Dreieckssegel an dem Eiland vorbei. Sansibar läßt grüßen. Nur ganz weit am Horizont ist ein Tanker zu erkennen. Er ist unterwegs nach Norden.

Infos:

Anreise: mit Ethiopian Airlines (flyethiopian.de) über Addis Abeba nach Dar-Es-Salaam oder Maputo. Von Pemba aus gibt es die Möglichkeit per Boot oder Kleinflugzeug auf verschiedene Inseln des Quirimba-Archipels zu gelangen.


Schlafen: Zu den luxuriösesten Unterkünften auf den Quirimbas gehören die Rani Resorts auf den Inseln Medjumbe (medjumbe.com) und Matemo.
(matemo.com):, raniresorts.com.
Die Miti Miwiri Lodge liegt mitten in der Altstadt von Ibo mitimiwiri.com

Infos: INATUR Instituto Nacional de Turismo, Avenida 25 de Setembro No. 1203, 3°andar, Caixa Postal 4758, Maputo, Mosambik.

Tel: 00258-21-307320/1/2/3, inatur.org.mz;

Am Kirschenberg 24, 61169 Friedberg, +49/6031/91062;

info@mosambiktourismus.de, mosambiktourismus.de

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