Maids, die personifizierten Manga-Träume

In Japans Cosplay-Restaurants arbeiten Kellnerinnen im Dienstmädchenlook
In Japans Cosplay-Restaurants arbeiten Kellnerinnen im DienstmädchenlookReuters
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Haubenküche darf man sich zwar nicht erwarten. Doch auch wenn oft nur durchschnittliches Fast Food auf der Karte steht, kann man in den Themenrestaurants in Tokio viel Spaß haben.

Sorgfältig malt Chumi mit Schokoladensirup ein Pandagesicht auf den festen Cappuccino-Schaum. Dann schwingt sie ihren Zauberstab und fordert zum Nachsprechen auf: „Moe, moe“, sagt die Kellnerin im Dienstmädchenkostümchen die magische Formel, die so viel wie „niedlich, niedlich“ bedeutet. Und im @home Café ist nicht nur der Cappuccino moe, moe. Bis auf das verhältnismäßig nüchterne Dekor ist alles, was man sieht, superputzig und furchtbar süß. Entsprechend konsequent brav ist der Besuch hier auch – sieht man vielleicht von den Fantasien ab, die den Otakus, den japanischen Computer- und Manga-Nerds, beim Anblick der Kellnerinnen durch den Kopf gehen. Diese Jungs, die sich gehäuft in den Comic-Shops im umliegenden Akihabara-Bezirk herumtreiben, waren auch der Grund, warum nach der Jahrtausendwende in Tokio so viele Cafés wie das @home eröffnet wurden.

Schnell entwickelten sie sich zum Trend, zum Phänomen – und heute schmachten hier keinesfalls nur pickelige Jugendliche ihre personifizierten Manga-Träume an. An den Tischen sitzen auch Pärchen, Frauen ganz allein und westliche Touristen, die ein skurriles Rollenspiel erleben. Schon bei der Begrüßung rufen alle Maids in der Etage ein lautes „Willkommen zu Hause“ zu. Dann übernimmt eine von 60 Maids und spricht männliche Gäste als „Master“ und weibliche als „Lady“ an. Chumi, 17 Jahre alt, macht das seit zwei Jahren.

Girlies im Dienstmädchenlook

Außerdem ist die besonders beliebte Premium-Maid eine Virtuosin der naiven Lebensmittelmalerei. Auf der Omelette, die beim Hauptgang noch völlig unverziert neben dem Bärchen-Laberl liegt, landet daher ein zwinkerndes Ketchup-Haserl. Moe, moe! Natürlich. Nur die Pudel-Palatschinke zum Dessert ist offenbar schon so süß genug. Etwa eine Stunde dauert diese Dienstmädchenbetreuung, die mit einem Zuckerschock und einem kleinen Spielchen endet: Vier gewinnt? Oder doch einem Plastikkrokodil Zähne ziehen? Seltsam, dass das hier offenbar sonst niemand seltsam findet.

Die Maid-Cafés sind aber längst nicht die einzigen Restaurant-Extravaganzen in Tokio. Die japanische Metropolis bietet viele solcher Dinner-Eskapaden, die für die Dauer einer Mahlzeit in unterschiedlichste Themenkosmen führen. Das Essen? Nebensache. Zum Beispiel im Robot Restaurant. Als es 2012 eröffnete, gab es eine größere Karte, jetzt kann man nur noch zwischen zwei Snack-Boxen wählen. Aber es ist ohnehin schwierig, auch dem Essen große Aufmerksamkeit zu schenken – obwohl der Mund häufig weit genug offen steht bei diesem bizarren Showexzess. Der beginnt mit einem kleinen Konzert in einem Saal, der mit so viel Strass und Bling-Bling dekoriert ist, dass man erblindet. Auch die Musiker glänzen und funkeln, sie tragen silberfarbene Roboter-Ritter-Rüstungen mit metallischen Flügeln. Zumindest die beiden Gitarristen erinnern ein wenig an Daft Punk. Statt Elektro spielen sie allerdings Gassenhauer wie „Time after Time“ in schmalzigen Arrangements mit Violine, Piano, Querflöte, Gitarre – und mit einer lächelnden Sängerin im Silberbikini.

Maids im Dienst
Maids im DienstReuters

Ohne diese, nun ja, eigenwillige Ouverture verdaut zu haben, landet man schon eine Etage tiefer. In einer engen Arena sitzen sich dort vor allem westliche Touristen in mehreren Reihen gegenüber. Dazwischen ist Platz für ein ungefähr anderthalbstündiges Feuern aus allen Rohren. „850.000 Euro wurden hier investiert“, sagt Takashi Koizumi vom Robot Restaurant. Über 30 Roboter gäbe es, die abwechselnd zum Einsatz kämen. Manche mit Menschen drin, manche mit Fernsteuerung. „Vorbilder waren berühmte Roboter-Shows, Mangas und Filme“, fügt er hinzu. Dann rollen die Maschinen los, tanzen, boxen, posieren für Fotos. Zwischendurch schütteln sich immer wieder Dutzende Tänzerinnen in knappen Science-Fiction-Kostümchen im Rhythmus der Drums und Beats.

Sexy? Sexistisch?

Einfach sehr japanisch? Auf jeden Fall bedient es genau die schrillen Klischees, die vielen beim Gedanken an Japan in den Sinn kommen: ein hyperaktiver Mädchen-Maschine-Trip, bei dem man zu den Partyjubelrufen des Publikums im Flirren bunter Neonlichter und Laserstrahlen mit Eindrücken überfüttert wird. Sicherlich auch eine Art, kalorienarm satt zu werden. Auch im Lockup ein paar Straßen weiter, versteckt in einem der gesichtslosen Hochhauswürfel, dürfte es eigentlich nur Wasser und Brot geben. Schließlich landet man hinter Gittern in diesem Gefängnis mit Geisterbahn-Flair und Gruselkindergeburtstagsatmosphäre.

„Hier kommen überwiegend junge Leute her, weil sie ihrem öden Alltag entkommen wollen“, sagt Kellnerin Yurika, als sie ihren Gästen am Eingang Handschellen anlegt und sie in eine Zelle abführt. Dort überreicht sie die umfangreiche Speisekarte. Aber was zur Hölle ist „Teufels Hand?“ Chickenwings in Fingerform mit roten Pfefferoni als Fingernägel, klärt die Bedienung im gestreiften Panzerknackerdress auf. Und die schwarze Hölle? Ein als Brikett verkleidetes Stück frittiertes Hendl – Fast Food in Gruselaufmachung. Selbst die Cocktails, die Namen tragen wie Menschenexperiment oder Elektroschock, mixt man sich mit einer Pipette aus einer Reihe bunter Flüssigkeiten in Reagenzgläsern.

Maskenmonster

Noch bevor das Essen kommt, geht plötzlich der Alarm los und das Licht aus. Eine Minirock-Polizistin ruft auf Japanisch irgendetwas aufgeregt ins Megafon. Einen Moment später wird ungefähr klar, was. Ein Latex-Masken-Monster mit entstelltem Gesicht, aber langen, gepflegten Haaren ist auf der Flucht. Es reißt die Zellentüren auf und erschreckt die Gäste, die euphorisiert loskreischen. In der Zelle, in der jemand Geburtstag hat, bleibt trotz Flucht sogar noch so viel Zeit, eine Torte zu überreichen. Nach ein paar Minuten fallen schließlich Schüsse, die Sirene stoppt und das Monster ist niedergestreckt. Der Spuk ist vorbei – bis es in einer Stunde wieder auf Erschreckertour ist.

Schleichen, klettern, morden

Das Ninja Akasaka ist eine ruhigere Angelegenheit, auch wenn man zunächst einen kleinen Ninja-Trainingspfad hinter sich bringen muss. Nachdem die Empfangsdame in die Hände geklatscht hat, schlüpft Tomioka, der sich „aufsteigender Drache“ nennt, im schwarzen Outfit athletisch aus einer Luke an der Decke und öffnet die geheime Tür. Dann führt der Ninja durch ein paar dunkle, enge Gänge und über eine kleine Zugbrücke ins verwickelte Ninja-Restaurant-Dorf mit 127 Plätzen und ein paar Kunstnebelschwaden. Ob Steven Spielberg auch so hereingeführt wurde? Der war auf jeden Fall einmal hier, was mit einer kleinen Plakette verewigt wurde.

„Wir sind schwarze Ninja, Spione im Einsatz des Kaisers, die klettern, schleichen, lauschen und morden“, sagt Tomioka und öffnet die Tür zu einer der schummrigen Nischen. Dort kommt als Vorspeise Foie Gras mit dunklen Ninja-Knuspersternen auf den Tisch, danach kann man aus zahlreichen Fusionsgerichten wählen: französische Zwiebelsuppe mit Miso-Einschlag oder im Ninja-Stil gebratenes Lamm koreanischer Art? Oder lieber Shabu Shabu, Meeresfrüchte oder ein Steak Tenderloin? „Wir legen Wert auf gute Küche“, sagt Shishimaru Kuramochi vom Ninja Akasaka, „und bieten saisonal wechselnde Gerichte“. Und tatsächlich: Beim Streifzug durch die Themenrestaurants verspricht das Menü hier zur Abwechslung einmal etwas anderes als Entertainment: nämlich kulinarische Ambition.

Auf einen Blick

Anreise: Wien–Tokio–Wien u. a. mit Emirates via Dubai oder Etihad via Abu Dhabi ab ca. 550 €.

Websites der Restaurants:
www.cafe-athome.com
www.shinjuku-robot.com
www.lock-up.jp
www.ninjaakasaka.com

Übernachten:
Das über 100 Jahre alte Ryumeikan- Hotel, früher ein traditionelles Ryokan, wurde erst vor Kurzem komplett umgebaut und mit nur zwölf Zimmern als luxuriöses Hotel wiedereröffnet, in dessen Zimmern (ab 52.000 Yen) sich westliches und japanisches Design stilvoll ergänzen. Kontakt: +81 3/325 111 35;
www.ryumeikan-honten.jp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2016)

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