Melbourne: Die Stadt der Teehäuser

Federation Square in Melbourne
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Bummeln durch Gässchen und Arkaden: mit Guide Fiona Sweetman durch die wiederauferstandene Innenstadt von Melbourne.

Treffpunkt ist der Federation Square im Herzen der Stadt, der Meeting Point in Melbourne schlechthin, egal, ob es weiter zum Sport, zum Abendessen am Ufer des Yarra Rivers oder – wie bei uns – zu einem Bummel durch die Seitenstraßen und Arkaden von Melbournes Innenstadt gehen soll. Melbourne ist eine junge Stadt, doch ihre erste Blütezeit erlebte sie schon zu Lebzeiten Königin Victorias. Keine Stadt von Down Under ist so britisch geprägt wie die Hauptstadt des nach dieser Königin benannten Bundesstaats Victoria, die in der Zeit des Goldrausches, von 1850 bis 1870, einen kometenhaften Aufstieg erlebte. Doch viele der schönen, prächtigen Bauten der Gründerzeit verloren ihren Glanz und wurden nur noch als kleine Hinterhoffabriken genutzt.

„Vor etwa fünfundzwanzig Jahren“, sagt Fiona Sweetman, „war Melbournes Innenstadt so gut wie tot. Vielleicht 5000 Menschen haben hier noch gelebt, und abends durch die Straßen zu bummeln hat man sich besser verkniffen.“ Doch seither ist die Stadt gewissermaßen wiederauferstanden, und dort, wo früher Zugangs- und Versorgungswege für Fertigungsstätten und Lagerräume waren, finden sich jetzt Galerien, Cafés, Sushirestaurants, Donut- und Bagelshops – kurzum eine vielfältige und kleinteilige Einkaufs- und Ausgehwelt, wie sie in Australien ihresgleichen sucht.

Donuts ohne Transfette

Gleich zu Beginn unserer Hidden-Secrets-Tour führt Fiona Sweetman, die in Melbourne geboren wurde, aber einige Zeit in Frankreich lebte und früher mehr als zehn Jahre lang Hochzeitskleider entwarf, in die Degraves Street. Die Seitenstraße, in der nur Fußgänger unterwegs sind und abends gern diniert wird, ist schon nachmittags sehr belebt. Vor einem Imbiss namens Donut Time stehen die Menschen Schlange. Zwar sind Donuts keine australische Erfindung, doch die Donut-Time-Kette hat lokale Wurzeln, betreibt in Australien an die zwanzig Filialen und setzt auf handgemachte Donuts ohne Transfette und glutenfreie sowie vegane Donuts.

Überhaupt ist Melbourne eine Stadt, in der sich Stile und Kulturen mischen. Nicht weit von den Donuts gibt es Sushi, ein paar Meter weiter in der Block Arcade ein Teehaus, das den Namen Hopetouns Tea Room trägt. „Wo es Tee gibt, da ist Hoffnung“, steht auf einem Schild an der Wand. Doch die meisten Gäste genießen nicht den Fünfuhrtee, sondern einen Zuckerschub: Hier gibt es eine Unzahl an fantasievoll gestalteten bunten Kuchen und Torten. Das beliebteste Produkt ist eine mit Schlagobers und Früchten gefüllte Baisertorte, die nach einer russischen Ballerina benannt ist: Pavlova.

Australier und Neuseeländer streiten mit Inbrunst darum, welches der beiden Länder das Urheberrecht für die süße Verlockung beanspruchen kann. Doch egal, ob die Pavlova erstmals 1935 in Australien oder bereits 1929 in Neuseeland gebacken wurde, die Ursprünge des Teehauses reichen deutlich weiter zurück als jene der Torte. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts eröffnete die Victorian Ladies Work Association in der Block Arcade ein kleines Teehaus. „Established 1892“ heißt es stolz unter dem Logo des Lokals, das nach einer Lady Hopetoun benannt ist, die diese Gründung forciert haben soll. Die Block Arcade, in der sich das Teehaus befindet, ist die zweitälteste Arkade der Stadt, errichtet zwischen 1891 und 1893. Ihr Vorbild war die Galleria Vittorio Emanuele in Mailand.

Ein Teehaus in Melbourne verwundert wenig, denn Teetrinken hat bei den Engländern Tradition, und auch eine weitere wichtige Immigrantengruppe in Australien, die Chinesen, schätzt Tee bekanntlich sehr. Dennoch, versichert Fiona, hat Melbourne auch eine ausgeprägte Kaffeekultur. „Den Kaffee machten hier vor allem die italienischen Einwanderer populär.“ Es sei jedoch nicht einfach gewesen, Kaffee zu importieren, da die Bohnen am Hafen zuerst einige Zeit in Quarantäne zu verwahren sind. Heute gibt es in der Hafenstadt nicht nur eine ausgeprägte Teehaus-, sondern auch eine Kaffeehauskultur, in der zwar auch Starbucks eine Rolle spielt, aber keinesfalls die Hauptrolle.

Einwanderung führt zu kultureller Vielfalt, in Melbourne merkt man das in jedem Gässchen und in jeder Arkade. Doch mit einem rechnen Melbourne-Besucher in im Regelfall eher nicht: auf eine türkische Badehaustradition zu stoßen. „Früher hat es mehr als ein halbes Dutzend dieser Badehäuser gegeben“, sagt Fiona. Auch am Ende der Royal Arcade existierte zwischen 1870 und 1929 ein solches Badehaus – eine Tradition, die vermutlich auch darauf zurückzuführen ist, dass türkische Bäder im England des 19. Jahrhunderts überaus populär waren. Die Royal Arcade ist die älteste überdachte Einkaufsmeile der Stadt. Sie wurde 1870 eröffnet, ihr Boden besteht aus hübschen schwarzen und weißen Fliesen. An ihrem Südende stehen rechts und links neben einer überdimensionalen Uhr seit 1892 die Figuren von Gog und Magog – die beiden traditionellen Wächter der City of London lassen sich auf heidnische Mythen ebenso zurückführen wie auf das Alte Testament.

Populäre Ugg Boots

Eine Hidden-Secrets-Tour mit Fiona Sweetman informiert über kulturelle und historische Hintergründe der Stadtentwicklung, sie führt aber auch in Geschäfte, die Schokoladenspezialitäten herstellen oder besonders angesagte CDs und Platten verkaufen. Etwa dreißig Prozent der Neugierigen, die sich von Sweetman in die Geheimnisse der Melbourner Einkaufsgässchen einweihen lassen, kommen aus der Stadt selbst. Sweetman verrät auch, wo man die populären Ugg Boots erhält. „Früher hat man sie für zehn Dollar bekommen, seit Cameron Diaz sie für cool befunden hat, kosten sie 200 Dollar“, schmunzelt Sweetman.

Die Stiefel aus Lamm- bzw. Schaffell sind eines der beliebtesten Mitbringsel aus Melbourne. Schließlich entstand die Stadt ab dem Jahr 1835 als Siedlung von Schafszüchtern, denen es auf Tasmanien zu eng wurde. In neue Sphären wurde Melbourne durch den Goldrausch katapultiert, der 15 Jahre später, ab 1850, in Südostaustralien ausbrach und die Stadt zu einer der reichsten der Welt machte. Heute ist Melbourne in Australien als Stadt zwar die Nummer zwei, was die Touristenzahlen und die Bevölkerungszahlen betrifft, in Sachen Shopping, Kunst, Kultur und Sport jedoch in vielen Feldern die Nummer eins. Bei der Hidden-Secrets-Tour mit Fiona Sweetman erfährt man, dass Melbourne auch eine Stadt ist, die durch Street-Art geprägt ist. „In 13 Laneways durften 120 Künstler ihre Werke auf die Mauern sprayen“, sagt Sweetman. In einer Seitenstraße, die man ohne Fiona mit Sicherheit übersehen hätte, einer unscheinbaren Gasse namens Presgrave Place, zeigt sie uns zahlreiche kleine Bilderrahmen, die dort die Hauswände zieren. Künstler mit Namen wie Mikonik, Sunfigo und Luy haben Dutzende ihrer Werke in Billigbilderrahmen gesteckt und an die Hauswände gehängt. Ein bizarres Kunstdorado zwischen Müllcontainern und Regenrinnen, die mit Stickern beklebt sind.

Abhängen in Rooftop-Bars

Die Tour durch Melbournes verborgene Ecken könnte noch Stunden weitergehen – und zu unterschiedlichen Tageszeiten ermöglicht sie auch ganz unterschiedliche Erlebnisse. Wobei Fiona Sweetman die geschäftigsten Zeiten meidet, denn dann ist es einfach zu voll. Während die Arkaden meist bereits um 19 Uhr schließen, locken am Abend In-Restaurants und verschiedenen Dachterrassenbars. Nach dem Spaziergang durch Gässchen und Seitenstraßen, die oft nur vier, fünf Meter breit sind, erfasst einen beim Cocktail in einer der legendären Melbourner Rooftop-Bars ein Gefühl von Freiheit und Weite – beispielsweise in der Bomba Tapas Bar and Rooftop im Central Business District oder im kultigen Naked in the Sky in Fitzroy. Australiens zweitgrößte Stadt hat eben durchaus unterschiedliche Facetten. Urlauber, die nicht nur den Outback suchen, sondern auch das urbane Australien kennenlernen möchten, sind in Melbourne goldrichtig.

Tipps

Einreise: Für die Einreise nach Australien braucht man ein kostenloses E-Visitor-Visum. Antrag online unter https://www.border.gov.au/Trav/Visa-1/651. Das Visum ist zwölf Monate gültig und berechtigt zu einem Aufenthalt von maximal drei Monaten.

Anreise: von Wien nach Melbourne und zurück mit Emirates über Dubai oder Qatar Airways via Doha ab 1450 Euro, www.emirates.com, www.qaatarairways.com.
Thai Airways bietet täglich Umsteigeflüge von München über Bangkok nach Melbourne, www.thaiairways.de. Zwischen dem gut 25 Kilometer nordwestlich der City gelegenen Tullamarine Airport (http://melbourneairport.com.au) und dem Zentrum pendelt rund um die Uhr ein Flughafenbus (www.skybus.com.au).

Touren: Laneway-Touren, Kaffeekulturtouren und kulinarische Kleingruppentouren durch Melbourne organisiert Hidden-Secrets-Tours: The Nicholas Building, Suite 13, Level 8, 37 Swanston Street, Tel. +61 3 966 333 58, http://hiddensecretstours.com.

Dreistündige Street-Art-Touren mit Künstlern und Fotografen durch den Central Business District – inklusive Blender Studios – und zweieinhalbstündige Street-Art-Touren in Fitzroy und Collingwood, die auch einen Besuch des Rose Street Artist Market beinhalten, (Kosten: jeweils 69 AUD) veranstaltet Melbourne Street Tours: c/o HQ-Blender Studios, 110 Franklin St., Tel. +61 3 932 855 56 bzw. +61 4 169 717 08, E-Mail booking@melbournestreettours.com, http://melbournestreettours.com.

Geld: Die Landeswährung Australiens ist der australische Dollar, der in Banknoten zu fünf, zehn, 20, 50, und 100 AUD ausgegeben wird. 1 AUD = 0,7 €.

Herumkommen: Die City Circle Tram ist kostenlos, für das Sightseeing empfehlenswert ist außerdem der City Tourist Shuttle, ein Bus, der zehn AUD kostet und 13 verschiedene Haltestellen bedient. Eine gute Möglichkeit, zu Sehenswürdigkeiten wie dem Queen Victoria Market, Chinatown, dem Zoo und verschiedenen Parks und Museen zu gelangen, zumal das Busticket sogar zwei Tage lang gültig ist (http://www.thatsmelbourne.com.au/visitors/transport/shuttle /Pages/VisitorShuttle.aspx).
Für sonstige Bus- und Tram-Fahrten benötigt man eine sogenannte Myki-Karte (Kosten: sechs AUD plus gewünschtes Guthaben, Verkauf an Straßenbahn- und Busstationen sowie in Kioskläden und Supermärkten), die beim Ein- und Aussteigen eingescannt werden muss.

Beste Reisezeit: Melbourne hat den Ruf, dass man innerhalb eines Tages alle vier Jahreszeiten erleben kann. Im australischen Winter, von Juni bis August, kann es recht kühl werden, besonders gut für eine Reise geeignet sind die Monate von September bis Mai.

Reiseführer: Armin Tima, „Reiseführer Australien – Der Osten“. Michael-Müller-Verlag, 816 Seiten, 3. Auflage 2016, Buch 26,90 Euro, E-Book 20,99 Euro.

Infos: Die deutschsprachige Website zu Melbourne & Victoria, www.visitmelbourne.com/de, bietet weitere Informationen zur Stadt und zum Umland. Infos zur Stadt finden sich zudem auch unter http://www.thatsmelbourne.com.au/visitors/pages/visitorinfo. aspx. Broschüren können unter www.australien-info.de/vic bestellt werden. Allgemeine Infos zu Australien bietet www.australia.com/de-de.

Compliance-Hinweis: Der Autor wurde von Visit Victoria und Thai Airways unterstützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2016)

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