Serengeti: So weit die Hufe tragen

Konsequenz. Im Gefolge der Großen Gnuwanderung kommen auch Jäger: Löwen.
Konsequenz. Im Gefolge der Großen Gnuwanderung kommen auch Jäger: Löwen.(c) Singita Lodges
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Der Großen Gnuwanderung in der Serengeti kann man nun auch per Web-App folgen.

Die Herde kommt per Mausklick. "Unsere Anti-Wilderer-Einheit berichtet, dass sie in das Ikorongo-Schutz gebiet eindringen", postet ein Guide auf der Web-App HerdTracker. Einige Stunden später ein neuer Eintrag: "Schätzungsweise 100.000 Gnus breiten sich im südlichen Ikorongo aus. Sie ziehen in Richtung Westen."

Es ist noch kühl am Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen durch das dürre Savannengras der Serengeti fluten. Von einem Hügel etwa 20 Kilometer von Ikorongo beobachtet Lazarus Saruni mit dem Fernglas die Ebene. Ein einsamer Kaffernbüffel zieht über das Land. In einiger Entfernung stakst eine Gruppe Giraffen von einer Akazie zur nächsten. "Die Gnus sind in diesem Jahr früher als sonst", sagt der Guide des Singita-Grumeti-Reservats. "Es kann sich nur noch um wenige Stunden handeln, bis die Ersten hier ankommen. Dann kann die Show beginnen."

Konfrontation. Ohne Konflikte kommt auch eine friedliche Gnu herde nicht aus.
Konfrontation. Ohne Konflikte kommt auch eine friedliche Gnu herde nicht aus. (c) Singita Lodges

In kurzer Zeit werden Abertausende von Serengeti-Weißbartgnus die Grasebene füllen. Die Vorhut der nomadischen Kuhantilopen schwillt in Kürze zu einem der größten Spektakel in der Welt der Tiere an. Die Große Gnuwanderung von der Masai Mara in die Serengeti ist eine der letzten Massenmigrationen großer Huftiere auf der Erde. Den Wanderbewegungen der Bisons in Nordamerika machte der Mensch Ende des 19. Jahrhunderts innerhalb weniger Jahrzehnte ein Ende. Die Migration der Blauen Streifengnus in Botswana stoppten Anfang der 1980er-Jahre neu errichtete Viehzäune in der Kalahari. Hunderttausende Tiere verendeten, weil sie ihre seit Jahrtausenden vollzogene Wanderroute nicht weiterführen konnten. Es ist ein Wunder, dass die Gnus der Serengeti bis heute wie seit Urzeiten ihre Kreise ziehen.

Gruppenbewegung. Schätzungsweise 1,3 Millionen Gnus begeben sich Jahr für Jahr auf der Suche nach immer neuen Weidegründen auf Wanderung. Ihnen schließen sich etwa 400.000 Thomson-Gazellen, Topis und Elenantilopen und fast 200.000 Steppenzebras an. Den Herden stellen Löwen, Leoparden, Geparde und einige der letzten Wildhunderudel Ostafrikas nach.

"Die Serengeti war für uns lange ein Traumreiseziel", sagt ein Paar aus New York, das mit Saruni auf Pirschfahrt ist. "Gebucht haben wir aber kurzfristig, nachdem wir die Wanderbewegung zuhause auf HerdTracker verfolgt haben. Weil die Gnus in diesem Jahr früher da sind, haben wir jetzt die Migration für uns." Dank ihrer Spontanität und einem Angebot außerhalb der regulären Zeit haben sie mehr als ein Drittel für die Übernachtungen eingespart.

Koexistenz. Den wandernden  Gnus schließen sich auch die Zebras an.
Koexistenz. Den wandernden Gnus schließen sich auch die Zebras an.(c) Singita Lodges

Die Große Gnuwanderung lockt jährlich Zehntausende Touristen in Tansanias Serengeti und die angrenzende Masai Mara in Kenia. Mit dem Naturschauspiel werben Lodges und Tourismusverbände um Reisende, die für Safaris gern auch Süd afrika, Namibia und Botswana ins Auge fassen. Die weitläufige Infrastruktur ist im südlichen Afrika besser, und mit dem Krüger-Nationalpark, der Etosha-Pfanne und dem Okavango-Delta haben diese Reiseziele ebenfalls ihre weltberühmten Tierparadiese.

Einmalig in Afrika ist jedoch als Besucher mitzuerleben, wie Tausende Gnus den Grumeti- oder Mara-Fluss überqueren, wo bereits meterlange Krokodile auf sie warten. Nirgendwo stehen zudem die Chancen besser, Löwen, Geparden und Hyänen auf den Spuren der Herde im offenen Grasland zu beobachten. "Wir waren bereits in Südafrika und lieben Safaris", sagt das Paar aus New York. "Nur wollten wir eben auf keinen Fall die Gnus verpassen."

Verschiebung des Kreislaufs. Die Große Wanderung folgt einem ewigen Zyklus, nach dem die Gnus in der Regel im Februar in den Grasebenen um den Ndutu-See im Süden der Serengeti ihre Kälber zur Welt bringen und dann langsam Richtung Norden wandern. Im September oder Oktober überqueren Hunderttausende die Grenze zur Masai Mara in Kenia. Der Einfluss von wechselnden Regen- und Trockenzeiten verschiebt den Kreislauf manch mal um mehrere Wochen. So kann es vor kommen, dass Touristen sogar mitten in der Hauptsaison die Tiere nicht zu sehen bekommen. Der Herden-Tracker kann zumindest Kurzentschlossenen für ihre Reise Aufschluss geben, in welcher Region sich die Gnus gerade aufhalten. Die kostenlose Web-App funktioniert nach einem einfachen Prinzip. Buschpiloten, Safari-Guides, Ranger, Lodge- und Nationalpark-Mitarbeiter können auf der App Fotos, Videos und Informationen live zu ihren Tierbeobachtungen posten. Der Aufenthalt der Herden wird auf einer Google-Karte markiert und die genaue Entfernung zu verschiedenen Lodges automatisch berechnet. Zusätzlich kann man auf Twitter die Wanderbewegungen verfolgen.

Beobachtung. Mit Rangern geht es in die Serengeti hinaus. Jede Sichtung ist ein Glück.
Beobachtung. Mit Rangern geht es in die Serengeti hinaus. Jede Sichtung ist ein Glück.(c) Singita Lodges

Wilderer als Nachhut. "Wenn die Gnus kommen, sind auch die Wilderer nicht weit", sagt Wesley Gold. Der 39-Jährige koordiniert die Anti-Wilderer-Einheiten des Singita-Grumeti-Reservats. In der Nacht bricht er zu einer Kontrollfahrt durch das Schutzgebiet auf. Das Scheinwerferlicht seines Geländewagens blendet eine Gruppe Impalas. Am Fuß eines Hügels steigt er aus dem Wagen und macht sich auf einen schmalen Pfad durch das Dickicht. Oben besucht er zwei Späher in einem Wachturm. Von hier aus können die Wildhüter einen weiten Teil des Reservats überblicken. Sie halten nach dem verdächtigen Aufleuchten einer Taschenlampe Ausschau. "Wenn die Gnus kommen, kommen auch die Wilderer", sagt der Ex-Militär. Vor seiner Arbeit in Tansania war er mit der britischen Armee in Afghanistan und Irak im Einsatz. "Meine Arbeit hier ist sehr ähnlich. Es geht darum, zu verhindern, dass Eindringlinge unerkannt in das Gebiet einfallen." Erst letzte Nacht hat sein Team einen Wilderer erwischt, der Schlingen für die ankommenden Gnus auslegen wollte. In anderen Teilen Tansanias wie im Selous-Wildreservat werden mehr und mehr Elefanten wegen ihrer Stoßzähne getötet. Nach Angaben des WWF ging die dortige Population in weniger als 40 Jahren um 90 Prozent zurück. Noch kam es in der Serengeti nicht zu einem massenhaften Abschlachten der Tiere, aber hier locken die Gnu- und Antilopenherden einheimische Wilderer, die es auf ihr Fleisch abgesehen haben.

Standort. Im Grumeti-Reservat  betreibt Singita mehrere exklusive Lodges.
Standort. Im Grumeti-Reservat betreibt Singita mehrere exklusive Lodges.(c) Singita Lodges

Schutzmaßnahme. Neue Technik wie die App hilft auch den Anti-Wilderer-Einheiten ihre Ranger effektiver im Umkreis der Tierherden einzusetzen. "Wir möchten in Zukunft auch mit Drohnen arbeiten, um das Gebiet besser zu überwachen", sagt Gold.

Am nächsten Morgen ist Lazarus Saruni wieder an seinem Lieblingsplatz auf dem Hügel. Die Aussicht könnte nicht gegensätzlicher zum Vortag sein. Seine New Yorker Gäste halten den Atem an. Über die Ebene bis zum Horizont ziehen Tausende Gnus, und das apathische Grunzen der Kuhantilopen erfüllt die Savannenluft. Sarunis Funkgerät knarrt. Ein Kollege hat ganz in der Nähe ein Rudel Wildhunde erspäht. Nicht nur Touristen sind der großen Herde auf den Fersen.

Tipps

Anreise: Flug zum Beispiel mit Condor (www.condor.com) oder mit Ethiopian Airlines (www.ethiopianairlines.com) über Addis Abeba nach Kilimanjaro International Airport. Von hier aus fliegen Buschflieger verschiedener Safariunternehmen direkt in die Serengeti und ihren Lodges.

Herden orten:
Mit der Herd-Tracker- App (www.discoverafrica.com/herdtracker) kann man die aktuellen Wanderbewegungen der Gnus verfolgen und entsprechend seine Reise planen.

Übernachten und Safaris: Die luxuriösen Lodges von Singita liegen im Grumeti-Schutzgebiet, das im Westen an den Serengeti-Nationalpark angrenzt und direkt auf der Wanderroute der Gnus liegt. Besonders nah kommt man der Tierwelt im Singita Explore Camp, einem Zeltcamp, das exklusiv für seine Gäste inmitten der Wildnis aufgebaut wird. www.singita.com

Conservation Safaris: Singita lancierte vor kurzem Conservation Safaris in Tansania, bei denen sich der Luxustourismus in den Dienst der Nachhaltigkeit stellt. Gemeinsam mit Umweltschützer und Fotograf Stephen Cunliffe tauchen die Gäste in die einzigartige Landschaft und deren Artenreich- tum in die Welt der engagierten Natur- und Artenschutzprojekte der afrikanischen Eco-Safari-Pioniere ein. Nächster Termin: 14. November. Mit einer Spende von 50.000 US-Dollar pro Person leisten die Teilnehmer einen unmittelbaren Beitrag zu dem umfassenden Naturschutz- und Entwicklungsprojekt.
www.singita.com

Veranstalter: Windrose hat verschiedene Lodges in Tansania und Kenia im Programm und kombiniert die Unterkünfte seiner Gäste in der Serengeti und Masai Mara nach den voraussichtlichen Wanderbewegungen der Gnus.
www.windrose.de

Info: Tanzania Tourist Board, www.tanzaniatouristboard.com

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